Die meines Wissens allererste Begegnung zwischen dem Berghain und Dubstep war für alle Beteiligten noch ein kleiner Kulturschock. In der Nacht nach der letzten Berliner Love Parade 2006 trat der damals 21-jährige Skream im ehemaligen Heizkraftwerk am Ostbahnhof auf, und zwar nicht im eigentlichen Berghain, sondern im Rahmen einer House-Nacht in der kleineren Panorama Bar. Wie das Booking zustande kam, ist mir nicht bekannt. Ganz sicher aber war es ein Versuchsballon, der die Verträglichkeit des neuen Musikstils aus England mit Club und Publikum austesten sollte. Das Experiment muss als gescheitert gelten, denn DJ und Tänzer fremdelten in dieser Nacht gewaltig miteinander. Das lag nicht nur am großen musikalischen Kontrast zwischen Skreams Auftritt und den restlichen Sets des Abends. Wie sich herausstellte, war die Panorama Bar einfach der falsche Raum für Dubstep – schon alleine deshalb, weil die Anlage nicht darauf ausgelegt ist, die tiefen Bässe gebührend zur Geltung zu bringen. Eines war nach dieser Nacht klar: Wenn Dubstep an diesem Ort funktionieren kann, dann nur unten im Berghain, wo nicht nur die Anlage geeigneter ist, sondern wo auch das industrielle Ambiente besser zur (oft) düsteren Atmosphäre der Musik passt.
Es sollten zwei Jahre bis zu einem zweiten Versuch vergehen. Inzwischen waren die Vorzeichen günstiger, denn die Welten von Techno und Dubstep hatten sich angenähert, und auch an ganz normalen Berghain-Nächten gab es immer öfter Dubstep-Stücke zu hören. So fiel die Anfrage des Hotflush-Betreibers Paul Rose alias Scuba, der von London nach Berlin gezogen war, nach einer Zusammenarbeit auf fruchtbaren Boden. Und dieses Mal klappte das Experiment: Seit Juli 2008 finden alle drei Monate im Berghain die Sub:Stance-Nächte statt – und dass Ostgut Ton der Partyreihe bereits nach weniger als zehn Veranstaltungen eine eigene Mix-CD widmet, zeigt, wie weit deren Stellenwert für den Club bereits gestiegen ist.
Der große Erfolg der Partys war nicht unbedingt zu erwarten, dazu beigetragen hat aber sicher das Konzept, dass Sub:Stance mehr sein sollte als eine reine Dubstep-Party. Vielmehr hat die Veranstaltungsreihe den Anspruch, die wichtigsten Strömungen aus dem Dubstep-Umfeld vorzustellen und dabei die Berliner Technotradition mit einzubeziehen. Dieses Konzept spiegelt auch der erste Mix zur Reihe von Mitveranstalter Scuba selbst wider, der als Manifest dafür verstanden werden kann, wie er sich den Sub:Stance-Sound vorstellt. Dass es ihm hervorragend gelungen ist, die Stimmung der Partys zu konservieren, liegt vor allem daran, dass die CD tatsächlich so aufgebaut und abgemischt ist wie eins seiner Sets im Berghain. Der Mix ist technisch gesehen nicht perfekt, aber gerade die wenigen Fehler verstärken den Eindruck, live dabei zu sein. Und beim Set-Aufbau macht Scuba sowieso kaum jemand etwas vor: Der Spannungsbogen ist gekonnt gezogen und beginnt mit tiefen Dubstep-Stücken von Sigha und Joy Orbison, bis er mit einem Technoklassiker von Surgeon den ersten Höhepunkt erreicht. Die Latte für einen (möglichen) zweiten Teil der Reihe liegt nach dieser CD jedenfalls sehr hoch.