Nach und nach breitete sich der Sound aus: Huerco S und Proibito-Grüder Anthony Naples waren frühe, zentrale Vertreter, Opal Tapes, The Trilogy Tapes oder White Material nur einige der Labels. An letzteren drei Beispielen zeigt sich auch, was diese Nische abgesehen von ihrem kratzbürstigen Sound einte: Eine Vorliebe für physische Tonträger. White Material machten von Anfang an auf limitierte Pressungen, L.I.E.S. setzte anfangs auf Vinyl und Opal Tapes oder The Trilogy Tapes, offensichtlich, Kassetten. 2012 dann erhielt diese Nische durch Ben UFO unfreiwillig den Namen „Outsider House“. Denn mit Einflüssen aus Noise und Ambient waren sie nicht nur wegen des scheppernden Klangs außen vor.

Aus heutiger Perspektive hat sich die Bezeichnung aber nicht wirklich durchgesetzt, wohnt ihr doch eine Bedeutung inne, die sich mit zunehmender Popularität selbst abschafft. Der Outsider bleibt nur Outsider, so lange er sich außerhalb des Status Quo befindet. Aber er wuchs immer mehr in den Status Quo hinein: Um L.I.E.S. etwa entstand ein Hype. 2012, nur ein Jahr nach Crosstown Rebels, wurden diese „Outsider“ von Resident Advisor zum “Label Of The Year” gekürt, während Crosstown Rebels im selben Jahr gänzlich aus der Liste verschwanden.


Video: Palms TraxEquation

Im Herbst 2013 gründete sich das nächste gehypte Lo-Fi-Label, Lobster Theremin. Die erste Katalognummer, die EP Equation, war schnell ausverkauft und ebnete Palms Trax den Weg für seine Karriere. Ähnlich wie L.I.E.S. ist auch Lobster Theremin eine unaufhörlich produzierende Release-Maschine: Allein 2016 veröffentlichte das New Yorker Label 31 Releases auf Main- und Sub-Labels, Lobster Theremin schaffte es auf 21. Aber während L.I.E.S. sich immer noch allerhand Einflüsse bedienen, um Musik zu veröffentlichen, die in Sound und im Geiste außenseiterisch rau ist, haben Lobster Theremin langsam den Weg für den langweiligen Lo-Fi Deep House geebnet, der das vorangegangene Jahr dominierte. Wie aber kam es dazu – und was macht diesen Sound für mehr als nur ein paar Vinyl-Nerds reizvoll?

Letztendlich kann niemand in die Seelen aller Zuhörenden blicken, aber es lassen sich mehrere Gründe finden. Zunächst einmal der offensichtlichste: Wenn Perfektion normal wird, sticht sie nicht mehr heraus und verliert somit ihren Reiz. Das eben war passiert: Digitale Klangperfektion war normal geworden. Wo ließ sich also etwas Neues, Innovatives finden? Der technologische Blick in die Zukunft weist nur noch in weitere weitere Stufen des digitalen Fortschritts, also wagte man einen Blick zurück. Dieser Blick zurück manifestierte sich in der rumpligen Klangästhetik, die einen zurückversetzte in eine Ära, in der die Qualität des Klangs eine Frage von Geld war.

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