Foto: Marie Staggat (Cinthie)

Ob Plattenladen, im Club oder im Studio: Cinthie scheint überall schon mal ihre Finger im Spiel gehabt zu haben und wirkt doch nie fehl am Platz. In den neunziger Jahren übernahm das Multitalent die elterliche Plattensammlung, mittlerweile ist sie Mitbetreiberin von Beste Modus, einem erfreulich aktiven Posten in der Berliner House-Szene. Deren knackig-verspielte Vibes übersetzt Cinthie in einen knapp 70minütigen Mix für unseren Groove-Podcast.

 


 

2002 hast du mit zwei EPs als Produzentin debütiert, warst dann aber nur bis 2004 als Cinthie aka Vinyl Princess und Cinthiesizer regelmäßig aktiv. 2015 erst gab es dann erneut neues Material von dir zu hören. Was hat dich in der Zwischenzeit vom Produzieren oder zumindest Veröffentlichen abgehalten?
Es waren sogar drei EPs und ein paar Remixe auf Electric Kingdom. Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich zwischenzeitlich nichts produziert habe. Es hat sich einfach nicht ergeben. Vielleicht lag es daran, dass ich mein Studium beendet habe, ein Kind bekommen und bei Ableton gearbeitet habe. Jetzt mit Beste Modus ist das natürlich was ganz anderes, da ich selbst bestimmen kann, was ich rausbringe und wann. Es produziert sich eben einfacher, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich im Studio eine lahme Schnecke bin und mich immer viel zu lange mit dem Arrangement aufhalte. Im neuen Jahr versuche ich, wieder etwas mehr Struktur in meine Woche zu bringen, damit ich jeden Tag effizienter nutzen und ich einen Arbeitsflow im Studio entwickeln kann. Die 3 Trillionen Loops auf meinem Rechner sollen schliesslich irgendwann fertig werden.

Dein Sound zumindest hat sich in dieser Zeit merklich verändert. Worauf würdest du das zurückführen?
Stimmt, um die Jahrtausendwende habe ich mehr Breaks gespielt, was natürlich zu meinem damaligen Label gepasst hat. Ansonsten hat sich mein Sound eher wieder zurück zu den Anfängen entwickelt. Ich habe schon ca 1996 mit dem Auflegen angefangen und von 1996 bis ca 2002 in zwei Plattenläden gearbeitet und dabei alles aufgesaugt, was wir so im Laden stehen hatten. Meine ersten Gigs gingen von 0 bis 5 Uhr auf dem 2. Floor, wo ich dann von House über Breaks bis Techno alles gespielt habe.

Deine Karriere lässt sich noch weiter zurückverfolgen, mit dem Auflegen hast du Ende der neunziger Jahre begonnen. Welche maßgeblichen Veränderungen hast du in dieser Zeit wahrgenommen?
Wie erwähnt habe ich ca 1996 mit dem Auflegen angefangen, Musik bzw Schallplatten habe ich allerdings schon einige Jahr vorher gesammelt beziehungsweise einfach die Sammlung meiner Eltern übernommen und nach und nach aufgestockt. Die Szene ist an sich gleich geblieben, allerdings hat sich das Feiern durch Social Media und Handys mit Kamera und Internet teilweise zum Negativen verändert. Die Leute vergessen oft neben dem ganzen Fotos machen etc, um was es eigentlich geht: neue Musik hören, Freunde treffen, sich unterhalten, tanzen und einfach mal abschalten. Ziemlich schade sind auch die teilweise echt kurzen Spielzeiten von nur zwei Stunden (Berlin mal ausgenommen).

Als Teil der Beste Modus- beziehungsweise Beste Freunde-Crew hältst du in Berlin die House-Fahne hoch. Die Hauptstadt wird – insbesondere international – allerdings gemeinhin vor allem mit Techno assoziiert. Was macht den Berliner House-Sound aus?
Die House-Szene ist neben der Techno- und Rummel-Techno-Szene doch eher klein, aber ich mag das. Ist passender, weil es mehr um Groove geht und der entwickelt sich nun mal besser auf einem 300 bis 500 Mann/Frau Floor als auf einem Riesenrave mit 10000 Besuchern. Der House-Sound in Berlin ist eher raw und wenig poliert. Im Moment poppen immer wieder neue und spannende Crews auf, die sich gegenseitig kennen und sehr unterstützen und tolle Releases auf den Markt hauen. Insgesamt habe ich das Gefühl auch international. Zumindest sind wir mit sehr vielen Crews befreundet, versorgen uns mit aktuellen Releasen und werfen hin und wieder sogar gemeinsame Parties, wie zum Beispiel unsere jährliche Sause mit Slapfunk aus den Niederlanden und Rutilance aus Frankreich. Und nenn mich altmodisch, aber das ist doch irgendwie auch der Gedanke von House, oder nicht?

Auf dem von dir mitbetriebenen Label Beste Modus erscheinen vor allem Split-Releases und Mini-Compilations. Warum konzentriert ihr euch so stark auf das Anthologie-Format?
Als wir Beste Modus gegründet haben, ging es mir in erster Linie darum, die Musik der Jungs rauszuhauen und evtl auch selbst einen Track beizusteuern. Wir waren alle No Names und natürlich wollte jeder mit einem Track auf dem ersten Release vertreten sein. Das ist bis heute so geblieben. Lediglich für Diego (Krause, Anm. d. Red.) haben wir einen Ausnahme gemacht und ich habe mit ihm Unison Wax gegründet, damit er freier und mehr releasen kann. Allerdings möchten wir nur noch bis zur zehnten Veröffentlichung die Split- oder Various-Artists-EPs beibehalten und dann ab der elf mit Single-EPs starten. Ich denke, wir sind jetzt bereit dafür.

Neben deiner Arbeit als Produzentin, DJ und Labelbetreiberin kümmerst du dich auch um die Stasi Studios. Was genau war die Initialzündung für das Projekt und was braucht es eigentlich, um einen dermaßen großen Studiokomplex zu betreuen?
Leider betreue ich das Projekt nicht mehr. Gegründet wurde es damals von meinem Ex-Mann und einem der beiden Betreiber der Villa in der Landsberger Allee. Nachdem die Villa geschlossen wurde, haben sich beide nach anderen Möglichkeiten umgesehen. Einer hat das Stattbad gemanaged und der andere hat sich darum gekümmert, dass die Artists, die bereits in der Villa ihre Studios hatten, wieder ein Zuhause finden. Allerdings haben er und mein Mann recht schnell festgestellt, dass es doch mehr Arbeit ist als gedacht. Die Hausverwaltung hat mich nach einigem hin und her gebeten, mich darum zu kümmern. Wir haben nach und nach mehr Stockwerke dazu genommen, da die Nachfrage nach Studios in Berlin sehr gross ist. Meine eigentlich Idee war allerdings, eines der seit langem leer stehenden Nachbarhäuser anzumieten um das Projekt weiter auszubauen. Insgesamt hätte es dann weit mehr als 100 Studios gegeben. Für die Mieter wäre das sicher toll gewesen, da sich sicher viele neue Kontakte und Projekte ergeben hätten. Allerdings konnte sich der Vermieter selbst nach 4 Jahren nicht festlegen, ob er das Haus nun weiter vermieten möchte oder nicht. Und selbst mit Unterstützung des Berliner Senats und des Musikboards war nichts zu machen. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es besser, loszulassen. Nachdem mein Ex und ich die Scheidung eingereicht hatten, haben wir uns darauf geeinigt, dass er ab sofort wieder übernimmt. Meinen Raum hatte ich zuvor schon an Dax J untervermietet, was sicher nicht die schlechteste Entscheidung war. Ich produziere jetzt von zuhause aus, was für mich besser und flexibler ist, da ich mich zu 99 Prozent alleine um meine Tochter kümmere.

Dein Beitrag zu unserem Groove-Podcast konzentriert sich überwiegend auf Floor-freundliches Material. Hattest du dabei eine bestimmte Idee im Hinterkopf beziehungsweise nach welchen Kriterien hast du die Tracks ausgewählt?
Ich versuche immer möglichst viele neue Tracks in den Mix mit einzubauen und dabei locker anzufangen und am Ende etwas mehr nach vorne zu spielen. Ich bin sämtliche Testpressungen, die mir zugesteckt wurden, und Digi Promos durchgegangen und das ist dabei rausgekommen. Zuerst hatte ich allerdings die Idee, einen richtigen Oldschool-Mix aufzunehmen mit überwiegend Tracks aus den 90ern. Leider habe ich es aber nicht ins Studio geschafft, wo noch alle meine Platten stehen. Vielleicht beim nächsten mal!

Last but not least: Wo können wir dich in nächster Zeit hinter den Decks erleben – und sind von dir in naher Zukunft neue Releases zu erwarten?
Ich freue mich schon riesig auf unseren Beste Modus Abend nächsten Mittwoch, dem 23.11. im Watergate. Da ich dieses Jahr ziemlich viel und meistens alleine unterwegs war, kann ich’s meistens gar nicht abwarten „zuhause mit meinen Jungs“ zu spielen. Danach hab ich mir ein Wochenende frei genommen, bin danach für gute zwei Wochen auf Asien-Tour und anschliessend wieder in Europa unterwegs. Mein nächstes Release kommt auf Black Key aus Brighton. Mein erstes Solo-Release seit gefühlten 100 Jahren. Dann die nächste Beste Modus, eine Split EP mit stevn.aint.leavn und mir, die natürlich grossartig wird. Und ich werde einige Tracks zu verschiedenen VAs beisteuern. Allerdings hoffe ich, im nächsten Jahr im Studio noch einen Zahn zulegen zu können. Schauen wir mal, denn im neuen Jahr werde ich zusätzlich noch 1 mal die Woche eine Radioshow hosten.

 


Stream: CinthieGroove Podcast 83

01. Baaz – Yourz
02. Tilmann – Filling time (Alix Alvarez Remix)
03. David Jach – Back to house (Okain Remix)
04. Brandub – Vinyl Club
05. DJ Steaw – Get Down (Dub Mix)
06. The Secret Society (Alix Alvarez) – Sly Fox
07. Taymar Zadeh – Cacofonix
08. Glenn Underground – 70ies Trip
09. Diego Krause – Dysfunction
10. Trevino -Mosaic
11. DJ Steaw – Frogman
12. A1B – Broken
13. Monika Ross – Ruby Tuesday

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.