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SHACKLETON Three EPs (Perlon 76)

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Der Freigeist hatte sich in eine abgelegene Ecke der Stadt zurückgezogen, dorthin, wo die anderen nicht so oft auftauchten. Er war rumgekommen in seinem Leben, hatte erfahren, wie fremde Kulturen wohnen und arbeiten, essen und feiern. Und jetzt war ihm vieles von dem selbstbezüglichen Quatsch, den die Leute hier so inbrünstig diskutierten, herzlich egal. Er behielt sich vor, seine eigene Meinung zu haben. Auf diese Weise hatte er sich vieler der Scheuklappen und Richtlinien, Hörigkeiten und Konventionen entledigt, die einem zwar das wohlige Gefühl der Zugehörigkeit verleihen können, einen aber auch so unschön vom eigenen Denken abhalten.

In diesem Geiste fertigt Sam Shackleton seitdem Musik an, die ebenso wie er für sich selber denkt. Sie ignoriert Genre-Etikette, sie will nicht Zielgruppen gefallen, sie ist nicht darauf ausgerichtet zu funktionieren, und ihr ist es gleichgültig, ob und welche DJs sie wohl spielen könnten. Shackletons Musik hat Rhythmus und Bässe, ja, es ist Tanzmusik, ja, aber keine, die irgendeiner tanzenden Szene gehören würde. Und so ist es für Shackleton denn eher ein – wenn natürlich auch nicht unangenehmes – Missverständnis, dass junge Leute, die Dubstep produzieren, auflegen, hören und dazu tanzen, seine Musik als Dubstep verstehen. Ja meinetwegen, wenn Ihr das so nennen wollt. Das Label Skull Disco, das Shackleton mitbetrieben hatte, wurde ja wegen zu viel Dubstep-Erfolgs kurzerhand eingestellt. Shackleton, der mittlerweile nach Berlin umgesiedelt war, zog sich daraufhin in seine abgelegene Ecke der Stadt zurück und tauchte nur sporadisch in Clubs auf, um dort atemberaubende Livesets zu spielen. Und er dockte beim Perlon-Label an, wo man unbeirrbare Querdenker, siehe Thomas Melchior, zu schätzen weiß.

Bei Perlon erscheint nun mit der LP Three EPs die erste Shackleton-Veröffentlichung seit der finalen Skull-Disco-EP „Soundboy’s Suicide Note“, sieht man mal ab von seinem „Tüdeldub“- und seinem inoffiziellen Moderat-Remix. Und diese neun Tracks auf 64 Minuten zeigen mal wieder, warum Shackleton mit seinen Eigenwilligkeiten so viel Aufsehen erregt: weil sie so gut eigenwillig sind. Es hat sich gar nicht so viel verändert seit Skull-Disco-Tagen, weiterhin besteht seine seltsam psychedelische und karge Musik aus nicht viel mehr als Bässen und Drums, dazu orientalisierende Muslimgauze-Tablas, illbiente Wordsound-Düsterkeit und verwehte Rave-Klänge, die zusammen eine Art skelettierten, abgebremsten Drum’n’Bass ergeben, durchsetzt mit einer angenehmen Grimmigkeit, die viel cooler klingt, als es ihr verschrobener Urheber ist. Wirklich neu ist wohl nur, dass sich das Tempo jetzt meist um die 130 BPM bewegt – und damit diese Musik endgültig anschlussfähig an House und Techno macht. Das ist für den Freigeist Shackleton schon einiges an Zugeständnis. Nur gibt es unter den DJs möglicherweise gar nicht so viele, die wie er auf das wohlige Gefühl der Zugehörigkeit verzichten mögen.

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