Diese Geschichte ist heutzutage eigentlich nichts besonders mehr: Zwei erfahrene Produzenten haben den unüberschaubaren digitalen Produktionssalat satt, legen sich analoge Instrumente zu und dudeln im Namen von Cluster, Tangerine Dream oder Conrad Schnitzler auf ihren alten Kisten rum. So oder in leicht abgewandelter Form wird seit geraumer Zeit häufiger eine neue Authentizität heraufbeschworen, die elektronische Musik angeblich mit einem Mehr an Seele, einem menschlichen Faktor auflädt. Auch die Stockholmer Malcolm Pardon und Peder Mannerfelt alias Roll The Dice haben einen analogen Synthiepark, allerdings schon etwas länger. Zu etwas Ruhm gelangten sie bis dato allerdings eher durch andere musikalische Abenteuer. Mannerfelt veröffentlicht seit 2006 als The Subliminal Kid minimalistischen House, Bleeptechno und schwerelosen Dubtechno. Zudem sorgt er als Mitglied der Fever-Ray-Liveband für dramatischen Witchpop. Sein Kollege Pardon dagegen spielte in den Neunzigern in der schwedischen Skapop-Band Girlsmen und verdiente seine Brötchen als Komponist für Film und TV.
Ohne viel Rummel erschien 2010 ihr titelloses Debütalbum als Roll The Dice auf dem stilistisch schwer auszurechnenden US-Label Digitalis und landete zum Jahresende dank seiner erhabenen cineastischen Sequenzermagie in Bestenlisten wie jener des britischen Online-Musikportals Boomkat. Auf ihrem Debüt war der Einfluss der bereits erwähnten Pioniere schon spürbar. Nur hatte die Art der Umsetzung ihrer Wirkung nichts mit Imitation gemein. Denn die Schweden lassen sich, wenn überhaupt, nur atmosphärisch und beim Spiel mit den Melodien mit Helden aus der Vergangenheit vergleichen.
Die nostalgisch gestimmten Pianomotive, die sie nun auf ihrem zweiten Album I n D u s t gegen grummelnde Synthiegrooves antanzen lassen, erinnern zuweilen an Cluster, sind aber nur halb so sonnig und versinken meist in tiefer Melancholie. Zudem lässt das Duo gern gegenläufige Tonfolgen vor dem Hintergrund tragischer Streicherflächen oder brodelnder Sequenzerpassagen eng umschlungen hypnotische Ambientschleifen drehen. Zwischendurch gibt es auch mal paranoide Drone- und Noise-Momente, die allerdings nie verstörend wirken. Selbst ein paar kitschige New-Age-Facetten schmälern die geheimnisvolle Kraft ihres staubigen Analog-Strudels nicht. Klaustrophobische Stadtmusik, die wunderbar zu einer Neuverfilmung von Fritz Langs gesellschaftskritischem Scifi-Klassiker Metropolis passen würde, die vor expressionistischer Kulisse vom zähen Produktionsalltag im düsteren Bauch des völlig entfesselten Kapitalismus erzählt.
Video: Roll The Dice – Calling All Workers