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DJ Hell über die Rückkehr von Electroclash: „Ich höre das auf den Partys und frage mich: Wo haben die Kids die Sachen her?”

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Im ersten Kapitel unseres zweiteiligen Interviews mit DJ Hell tauchen wir tief in seine Vergangenheit ein. Anlass für das Gespräch mit einem der prägendsten deutschen DJs ist aber die anstehende Veröffentlichung seines siebten Albums, Neoclash.

Wir treffen uns in der Raucherlounge des Hyatt-Hotels. Schwerer Zigarrenrauch liegt in der Luft, ein zuvorkommender Kellner bringt Softdrinks, ein paar Jungs chillen und tauschen Angebereien aus. Wir sprechen über das Münchner Nachtleben der 1980er Jahre, kommen auf Figuren wie den Schriftsteller Rainald Goetz, der dort oft anzutreffen war. Doch bevor wir in Hells Frühzeit eintauchen, ist sein neues Album Thema, das heute erscheint.

Warum ist jetzt, im Winter 2025, der Moment für ein neues DJ-Hell-Album?

Der Zeitpunkt entscheidet sich, wenn es fertig ist. Ich hatte über 20 Titel, die in São Paulo, Berlin und München entstanden sind, mit verschiedenen Leuten. Ich spiele am Wochenende in Clubs, unter der Woche bin ich gerne im Studio. Das ist mein Rhythmus. Da habe ich die besten Ideen.

Wie arbeitest du da? Hast du ein eigenes Studio? 

Ich mache Layouts, sammle Ideen und recherchiere sehr viel, aber ich bin keiner, der alleine arbeitet. Das habe ich schon 1993 bei meinem ersten Album mit Mijk van Dijk erklärt. Du kennst die lustige Geschichte zu „My Definition Of House”? Das ist im Snap-Studio entstanden, weil die alle nach Ibiza sind.

Natürlich kenne ich „My Definition Of House”, deine erste Single von 1992. Aber die Entstehungsgeschichte des Tracks kenne ich nicht.

„My Definition of House” wurde im Kaiserlei in Offenbach im Snap-Studio produziert. Die sind alle nach Ibiza, und ich saß da allein als A&R von Logic [das Dancelabel von Michael Münzing und Luca Anzilotti, d.Red.], als Nachfolger von Markus Löffel [auch bekannt als Mark Spoon, d.Red.]. Die haben gesagt: Wir machen jetzt einen Monat Urlaub auf Ibiza. Und ich wusste von nichts. Aber das Studio war frei, das war eines der besten Studios in Deutschland, vielleicht sogar in Europa. Sie haben gesagt: Ok, du kannst das benutzen, du musst uns aber eine first option geben, falls es was wird. Sie haben „My Definition Of House” aber abgelehnt. Darüber war ich froh, ich konnte es auf Gigolo veröffentlichen.

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Lass‘ uns über das neue Album sprechen. Mit wem hast du da zusammengearbeitet?

Mit diversen Leuten, da müsste ich bei jedem Track schauen. „Why” ist mit Joyce Muniz entstanden, weil ich in diesem Jahr in São Paulo war. Wir hatten einen Nachmittag frei, sie sagte, sie hätte Studioleute. Es gab gar keine Idee, einen Track zu machen. Sofort war aber ein Layout da, mit einem alten Warp-Sample, das ich im Kopf hatte: Forgemasters – „Track With No Name”. Das hab‘ ich dann nachgespielt.

Der Track ist an dem einen Tag entstanden?

Nein. Das war so ein Layout, das hatte was, das musste aber nochmal anders beleuchtet werden. Das habe ich dann in München in einem anderen Studio fertig gemacht. Es war ein langer Weg, weil ich immer unglücklich war. Ich war für mindestens 20 Sessions im Studio.  „The Rain” nimmt „When the Rain Begins to Fall” von Jermaine Jackson und Pia Zadora auf, das Jack White produziert hat, der sich tragischerweise vor ein paar Wochen das Leben nahm. Aber, um auf deine Frage zurückzukommen: Ein Album war aber nicht geplant.

Was war dann der Punkt, an dem du gesagt hast: Das ist jetzt ein Album?

Wenn da 25 Tracks liegen, musst du irgendwann eine Entscheidung treffen. Das kein Plan wie in Wien mit Peter Kruder: Ich bin vor Ort, lebe im Hotel, arbeite jeden Tag, auch mit Studiomusikern [bei Teufelswerk, 2009, d.Red.].

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Genau wie bei NY Muscle: Da bist du mit dem Plan für eine Albumproduktion nach New York zu James Murphy gefahren. Es gab eine Idee.

Das war jetzt nicht so. Bei jedem Track waren es andere Leute, ein anderes Studio. Ich habe nicht auf ein Album hingearbeitet. Aber irgendwann kommt die Erleuchtung. Dann kommt der Name, ein Thema, das Interesse der neuen Generation an Electroclash. Plötzlich ergibt das ein schlüssiges Bild. Dann geht man natürlich tiefer rein. Dann fragt man sich: Welcher Track ist stark genug, wo sehe ich eine klare Linie? Was könnte ein Konzept sein? Plötzlich ist mir ein Licht aufgegangen. Ich hätte das Album auch New Electroclash nennen können, um es plakativ zu gestalten.

Auf welches Phänomen reagierst du da? 

Schon seit ein paar Jahren spielen die Kids die alten Gigolo-Sachen, Gigolo ist wieder ein großes Thema. Ich höre das auch auf den Partys und frage mich: Wo haben die Kids die Sachen her? Vielleicht ist es ein guter Zeitpunkt, das jetzt zu benennen und eine Weiterentwicklung zu versuchen. Das Album soll nämlich kein nostalgischer Blick auf die Themen sein, die ich vor 25 Jahren bearbeitet habe. Es wird auch Electroclash-Buch von einem US-amerikanischen Musikwissenschaftler geben, der hat mit allen Interviews geführt. Das ist sehr interessant. Es gibt auch die Idee, einen Dokumentarfilm zu drehen.

Wieso der Titel Neoclash?

Um in kein Revival reinzukommen. Es gibt auch Anleihen von Work That Mutha Fucker oder Bang The Box, nochmal druckvoller und, wie ich finde, zeitgemäßer zusammengestellt.

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Damit sind wir in den Achtzigern angekommen. Vorhin hast du den Schriftsteller Rainald Goetz erwähnt. Wie hast du den damals überhaupt kennengelernt?

In den Achtzigern in München im Tanzlokal Größenwahn. Er war Gast und schon Schriftsteller und im engsten Freundeskreis. Dort waren DJs, Veranstalter, Clubbetreiber anzutreffen, die coolen Jungs hingen an der Bar. Rainald stand da schon mit Bomberjacke, aber damals noch mit schulterlangen Haaren, und hat beobachtet. Und auch schon immer mit so einem kleinen Büchlein, in dem er mit Bleistift notiert hat. Und ich dachte: Was schreibt der da immer?

Wie hat er in die Clique reingepasst?

Ich war mit ihm bei einer Music Winter Conference in Miami mit Michi Kern und Uli Springer [Betreiber des Café Reitschule, d.Red.]. Und er war immer im Mittwoch in Größenwahn, wo ich dann 1985 angefangen habe, House Music aufzulegen – also genau vor 40 Jahren. 

Und was hast du da gespielt?

Jamie Silk, Farley Jackmaster Funk, Darryl Pandy.

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Und davor?

Davor habe ich Elektronik, Avantgarde, Hip-Hop, Ska, New Wave, Dub und Popmusik gespielt. Alles, was für mich so relevant war an neuer Musik. Natürlich auch viele Klassiker, auch schon Klaus Nomi. Einfach eine bunte Mischung, auch mit Punk-Elementen. Das war aber schon am Ausdünnen, weil ich zu dem Zeitpunkt schon stark mit Hip-Hop involviert war. Eine Story: Ich habe ein Foto mit Rainald Goetz gemacht und einem Freund, der hieß Martin Fengel. Auf dem Bild sind auch Run DMC – an meinem Mittwoch in dem Tanzlokal bei einer Aftershowparty.

Run DMC sind einer der größten Hip-Hop-Acts ihrer Generation.

Und die kamen, damals noch zu dritt, zusammen mit DJ Scratch, DMC-Weltmeister, in das Tanzlokal. Da durfte ich mit DJ Scratch eine Stunde lang aufgelegen. Zu der Zeit gab es die Ultimate Breaks & Beats–Compilations.

Das war eine Serie, die von Hip-Hop-DJs zum Scratchen benutzt wurde.

Davon gab es mehr als 20 Ausgaben. Du musstest in deiner Plattenbox immer jeweils zwei Copys haben.

Wie habt ihr da gemixt?

Man hatte noch keinen Pitch. Deshalb hat man die gleichen Songs immer zurückgedreht und viel mit dem Crossfader gecuttet. Ich war aber wirklich ein sehr mittelmäßiger Hip-Hop-DJ, Scratch war DMC World Champion. Der ging meine Box durch und holte dann diese Compilations raus, doppelt. Dann haben wir zusammen aufgelegt, der von Run DMC hat immer ins Mikrofon gesagt, das weiß ich noch: „Drop the beat back, G-Hell!” [für DJ G. Hell, d.Red.].

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Wieso G-Hell?

Damals hieß ich Geier Helmut, G-Hell. Irgendwer hat das auf Kassette mitgeschnitten, die Kassette ist aber verschwunden. Und, da sind wir wieder beim Punkt: Rainald Goetz war auch auf der Party. Ein Kumpel von mir hat Fotos gemacht, da steht Rainald hinter Jam Master Jay und den anderen von Run DMC.

Da treffen zwei verschiedene Pop-Welten aufeinander.

Das Foto habe ich für ein Cover für ein Gigolo-Release von Thomas Meinecke und Move D benützt, die hatten Dance-Mania-artige Tracks produziert. Die andere Story mit Rainald ist von Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger, als das Omen und das Dorian Gray am Hochkommen waren. Wir sind mit meinem Auto am Wochenende nach Frankfurt zu Sven Väth ins Omen gefahren. Und später natürlich zu Dag ins Gray. Das war für uns eine Offenbarung, eine neue Welt.

In München gab es nichts Vergleichbares?

Wir hatten das schon in München, aber im kleinen Format. Und diese Energie, die von Frankfurt ausging, wo Talla [2XLC] mit dem Technoclub schon revolutionäre Releases produziert hatte, mit denen er weit in die Zukunft von German-Techno schaute. Ich denke oft, dass ich gerne die ganze Musik, die er am Anfang auf den Talla-Labels gemacht hat, in meiner Soundbank hätte. Das ist wieder ein zeitgemäßer, moderner Sound, puristisch, oldschoolig – und natürlich analog.

Wie würdest du diese Energie von Frankfurt im Vergleich zu München beschreiben?

Bei Sven Väth im Omen habe ich das Frankfurter Nachtleben zum ersten Mal erlebt. Von Dorian Gray, Vogue, Music Hall und [dem HR3-Clubnacht-Macher, d.Red.] Heinz Felber hatten wir gehört. Später kam natürlich DJ T, der Gründer der GROOVE, dazu. Bei Logic Records war ich wie gesagt als Nachfolger von Markus Löffel als A&R tätig. Das wurden über die Jahre alles Freunde und Weggefährten. Sven war in den Neunzigern mein bester Kumpel in der Szene.

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Das wusste ich gar nicht.

Das wissen viele nicht. Ich habe immer gesagt: Sven, du kannst beim GROOVE-Jahres-Poll immer die Nummer eins bleiben, ich bleibe immer die Nummer zwei. Das ist alles in Ordnung für mich. Das ist kein Wettlauf, ich muss da nicht oben thronen. Sven war das wichtig. Ich fand es schade, dass viele Magazine die Jahrespolls abgeschafft haben. Da haben die Leser und Partygänger entschieden, was ihr Track des Jahres war, wo die besten Partys stattgefunden haben und so weiter.

Ich würde gerne noch über deine Anfangszeit sprechen. Du kommst aus Wasserburg am Inn in Oberbayern.

In der Nähe davon. Ich bin in Traunstein geboren, das ist in der Nähe von Salzburg. Ich bin halber Österreicher.

Da gibt es gutes Bier, vom Hofbräuhaus Traunstein.

Ich bin in einer halben Stunde in Salzburg. Ich fand die Österreicher und Salzburg immer wahnsinnig sympathisch. Die sprechen ja fast den gleichen Dialekt. Und Salzburg war immer näher als München, das war für uns die nächste Großstadt. Ich habe dort in den Neunzigern mit Tanith gespielt. Der wurde eingeflogen, das waren die genialsten Partys. Ich habe gesagt: Lass‘ mich hier bitte Resident werden, das war 1991 oder 1992, der Club hieß Half Moon.

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Lass‘ uns noch bei Traunstein bleiben. Kommt deine Familie von dort?

Nein, mein Vater kommt aus Bamberg und meine Mutter aus einem Bauerndorf. Mein Vater war beim Bundesgrenzschutz und dort stationiert. Er hat sich in die Gegend verliebt. Und hat mir dann empfohlen, auch zum Bundesgrenzschutz zu gehen und mich zu verpflichten. Was ich natürlich nicht gemacht habe.

Deine Mutter ist ein Local?

Meine Mutter kommt aus einem kleinen Bauerndorf, sie ist jetzt 86. Das waren drei Bauernhäuser. Und ich höre natürlich gerne ihren Geschichten zu, wie das in den Fünfzigern nach dem Krieg war.

Wie war das?

Sie hat die Kriegsjahre miterlebt und die schlimmen Jahre nach dem Krieg. Hungrige Menschen haben bei den Bauern gebettelt, um Kartoffeln, Eier oder Tomaten. Denn die Bauern hatten zumindest was zum Essen. Das hat meine Mutter als kleines Kind erlebt. Ihr Vater ist im Krieg verstorben, er war in Russland in Gefangenschaft geraten, ihre Mutter ist auch jung gestorben.

Wie hat sie dann überlebt?

Meine Mutter musste mit ihren drei Geschwistern dann alleine den Bauernhof führen, mit der Hilfe der Nachbarschaft. Da ging es nicht mehr um schulische Bildung, sondern ums nackte Überleben.

Wann bist du dann auf die Welt gekommen?

1962.

Der Zweite Weltkrieg war da gerade Mal 17 Jahre vorbei, trotzdem war das schon eine andere Zeit.

Ja, aber wir hatten in Deutschland keine musikalische Identität. Noch nicht.

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Was haben deine Eltern für Musik gehört?

Radio. Das lief den ganzen Tag. Da lief Popmusik, aber auch Schlager oder Volksmusik . Deswegen liebe ich immer noch den Schlager aus den Siebzigern. Aber nicht den Schlager, den es später gab, sondern Songs wie Ricky Shaynes „Mamy Blue”. Davon habe ich eine Coverversion gemacht, ein Bootleg. Oder Hildegard Knefs „Ich brauch Tapetenwechsel”. Wir haben auch ein Compilation zu meinem Verständnis als deutscher Interpret gemacht, die heißt Coming Home. Was ich nicht mochte, war Volksmusik.

Wie hast du als Kind überhaupt von der internationalen Popmusik erfahren?

Wir haben Samstagabend im Fernsehen die Sendung Disco mit Ilja Richter geschaut, später auch Pop nach 8 mit Thomas Gottschalk. Und dann habe ich heimlich nach 22 Uhr Radio gehört. Unter der Bettdecke. Radio und Fernsehen waren die Medien der Zeit. Meine Mutter hatte auch Platten gekauft, auf Flohmärkten. Damals gab es eine Compilation-Serie, die hieß K-Tel. Da waren die Top-Hits von Slade, T-Rex, Supermax drauf und die ersten Roxy-Music-Sachen. Und so habe ich als Kind erfahren, was gerade aktuell ist.

Was hat besonders zu dir gesprochen?

Es war schon früh zu erkennen, dass ich mich für eher ungewöhnliche Sachen interessiere. „Do The Strand” [von Roxy Music, d.Red.] habe ich im Radio gehört und zu meiner Mutter gesagt, dass sie das irgendwie besorgen muss. „Do The Strand”, als Kleinkind, das war schon eher ein sperriger, ungewöhnlicher Pop-Song.

Hat deine Mutter dir die Platte gekauft?

Ich glaube nicht. Ich wusste damals nicht, dass ich 30 Jahre später mit Bryan Ferry in London im Studio sitzen würde. Er hat ein Cover-Album mit einem Bob-Dylan-Song aufgenommen und mich gefragt, ob er Autotune benutzen soll. Damals war Autotune das Neueste. Er hörte das gerne im Radio, wenn er im Auto von London nach Hause in sein Schloss fährt. Er wollte das benutzen, um an eine zeitgemäße Richtung anzuschließen. Ich habe dann einen Moment überlegt und bin zum Schluss gekommen, dass ich ihn jetzt nicht wie alle anderen Leute im Studio auf Autotune trimmen kann. Nach meinem Verständnis ist er gemeinsam mit Künstlern wie David Bowie oder Barry White die charismatischste Stimme im Pop der letzten 50 Jahre.

Was hat er gemacht?

Er hat Autotune nicht genutzt. Aber ich war kurz in Bedrängnis.

Zurück nach Traunstein. Wie würdest du beschreiben, was du in der Musik gesucht hast?

Ich musste alles hören und entscheiden, wie ich das finde – egal ob das Pop, Dance oder Heavy Metal war. Schon damals war Musik der Mittelpunkt in meinem Leben, Musik und Mode. Ich habe damals schon Listen geführt, wie ich die Arrangements verändern würde. Keine Noten, sondern Striche und Punkte. Ich hatte da ein System.

DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)
DJ Hell (Foto: Max Attila Bartsch)

Gab es in Traunstein einen Club?

Das Excelsior, da gab es einen sensationellen DJ, der Disco und Popmusik aufgelegt hat. Da sind wir mit 16, 17 hin und haben den ganzen Abend nur getanzt.

Wie hast du dir damals deine Zukunft vorstellt? Hast du überlegt, wie dein Vater zum Bundesgrenzschutz zu gehen?

Nein, ich wollte nicht mal zum Wehrdienst und auch nicht zum Ersatzdienst. Ich war damals total sportlich. Tennis, Fußball, Skifahren, ich hatte gehofft, dass ich da weiterkomme. Ich hatte jeden Tag Training, auch Leichtathletik, ich wollte Zehnkämpfer werden. Am Wochenende hatte ich manchmal ein Fußball- und ein Tennisturnier am gleichen Tag, das war organisatorisch kaum möglich. Mein Traum war es, Profifußballer zu werden.

Wie weißt bist du damit gekommen?

Ich hatte nicht die besten lokalen Trainer, da wurde Kondition gebolzt und am Wochenende gespielt. Scouts haben mich zwar zu Jugendauswahlmanschaften gebracht. Aber mit 16, 17 war das Problem, dass mir das Nachtleben schon wichtiger war. In Kirchweidach hat das Café LiBella aufgemacht. Der Chef hat zu mir gesagt: Kannst jedes Wochenende zweimal bei mir spielen? Das war mein erstes offizielles Engagement.

Wie bist du überhaupt zum Auflegen gekommen? Hast du vorher in Bands gespielt?

Ja. (lacht) Wir waren Dilettanten, nicht die genialen Dilettanten. In der Punk- und Neue-Deutsche-Welt-Zeit hieß es, dass man kein Instrument beherrschen sollte, alles musste improvisiert  sein. Für mich war Mufti [auch: FM Einheit, d.Red.] von den Einstürzenden Neubauten am Stahlophon ein großes Vorbild. Dann habe ich mir selbst aus Rohren ein Stahlophon gebaut. Nach einem Konzert an Silvester haben wir uns aufgelöst.

Im zweiten Teil spricht Hell über seinen Weg zum DJing, über die Wurzeln seines Verständnisses von elektronischer Musik – und warum das Pseudonym Hell nichts mit Hölle zu tun hat.

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