Francesco Belfiore – Electric Dreams (Semantica)
Hypnotisch in der Wirkung, eine erdende Bassdrum, verwobene Klänge und Flächen – Musik aus dem Maschinenraum Italiens. Francesco Belfiore lässt in auf Electric Dreams für das Label Semantica sein Faible und seine Kreativität für Bässe in ihrer Vielfalt freien Lauf. Der Bass blubbert nicht nur, er kann pumpen, sogar mit dem Untergrund verschmelzen oder nur noch elektrisch klirren, um dann mit neuer Kraft wie ein Phönix aufzusteigen – und wieder die Richtung vorzugeben. Nach vorne. Dezente Claps, glänzende Sounds, dazwischen Sphären zum Durchatmen. Der Nuel-Remix des Titeltracks fällt etwas aus dem Konzept der anderen Tracks, bietet er doch einen kleinen Cooldown und so Zeit zum Durchatmen. „The Commuter” und „Neural Network” nehmen dafür definitiv die wilde Fahrt durch die Nacht wieder auf. Vor allem „Neural Network” mit seinen Bässen, die von einer Pumpgun abgefeuert scheinen, lässt den Floor erzittern und Techno erstrahlen. Liron Klangwart
Kepler – Lowlife (X-Kalay)
Schon interessant, welche Entwicklungen Genre-Zuschreibungen im Laufe der Jahrzehnte nehmen. Kepler wird im Infotext zu Lowlife als „Minimal-Don” bezeichnet, was Uneingeweihte erst einmal verwirren kann. Der Titeltrack kann eindeutig als schneller Dub House mit UK-Garage-Genen identifiziert werden, inklusive Verwandtschaftslinien zu fast vergessenen Speed-Garage-Zeiten. Was unterm Strich hohes Euphoriepotenzial impliziert, das sich trotz einer gewissen Zurückhaltung im Arrangement und Moll-Grundtonart auch durchsetzt. Auf ähnlich hohem Tempo geht’s im zweiten Track weiter, befeuert von treibenden Vocalschnipseln, allerdings mit reduziertem Dub-Bezug. Dieser kommt umso deutlicher in „Stranded” zur Geltung, mit schönem Wobble-Bass und swingenden Hi-Hats – allerbeste britische Schule! Das finale „Need” knüpft wieder beim Titelsong an und addiert noch ein leicht melancholisches Trancegefühl. Diese Atmosphäre und der Verzicht auf jegliche Knalleffekte auf allen Ebenen kann tatsächlich als minimalistisch beschrieben werden. Mathias Schaffhäuser
K-LONE – Drum Tools w/ Leod Edit (Sweet N Tasty)
Toolig sind sie ja eh, die Tracks des Brightoner Produzenten und Labelbetreibers von Wisdom Teeth, Wych sowie Sweet N Tasty. Mit seiner neuen Sammlung, die Josiah Gladwell alias K-Lone in den Dezember wirft, kann er sein Produktionsprinzip der kompakten Dramaturgie noch etwas verdichten.
Die fünf Stücke nebst einem Leod-Edit des einführenden „Drumz!” schwingen leichtfüßig auf Salsa-Rhythmen. In „Drumz!” werden diese in einen Four-to-the-Floor-Beat überführt; „Cinco” folgt mit Trillerpfeifen und chorischem Zahlenrufen. Auch „Timbale” bietet sich an als Werkzeug für House-Sets. Auf der Rückseite macht „Bombo” mit seinen Congas und Rufen im Delay einen größeren, auch artifizielleren Raum auf, der am Ende vom „Drumz!”-Edit wieder aufgenommen wird. Dazwischen gibt der „Clapper” mit seinem synkopiertem Händeklatschen und jazzy Synths der EP noch einen Schlag Wärme mit. Christoph Braun
Lust Pattern – Stand, Scatter (Dark Entries)
Das Label Dark Entries ist bekannt dafür, sowohl ungehobene Schätze aus den Untiefen der Tanzmusik zu bergen, um sie in neuem Glanz wieder auf den Dancefloor zu hieven, als auch vielversprechenden Underground-Künstler:innen eine Plattform zu bieten. So erscheint auch die neue EP von Ryan Ambridge alias Lust Pattern über das Label aus San Francisco.
Ambridge dürfte einigen als Hälfte des überaus empfehlenswerten Coldwave-Duos Linea Aspera bekannt sein, das ihm gemeinsam mit Zoé Zanias zu szeneinternem Ruhm verhalf. Im Gegensatz zu den extrem melancholischen Band-Produktionen klingt Stand, Scatter zwar auch düster, jedoch viel verspielter und in Teilen auch überraschender. Dubbige Basslines layern sich mit Live-Perkussion und leichten Electro-Synths, wobei durch alternierende Tempi für Abwechselung gesorgt wird. Das Genre lässt sich dabei niemals festnageln, die Musik bleibt jedoch stets sinister und voller unvorhersehbarer Wendungen. Till Kanis
Mor Elian – Glue Kit (Fever AM)
Gerade erst begeisterte Rhyw auf Fever AM mit avantgardistischem Techno, der dennoch gnadenlos in die Beine geht, da kommt schon Label-Co-Betreiberin Mor Elian mit zwei gleichwohl fantastischen Tracks um die Ecke. Im Gegensatz zum eckig verschrobenen Techno-Entwurf des Kollegen sind die zwar weitaus mehr geradeaus auf die Zwölf produziert, dafür aber von hypnotischer, dunkler Bass-Brillanz. Bestimmt von tribalistischer Percussion, zwingen sowohl „Eso Eso” als auch „Teke Teke” gnadenlos auf den Dancefloor. Urbane Rituals-Musik für Großstadt-Natives. Tim Lorenz