Adam Strömstedt – Redfern (KANN)
Aus rein geographischer Sicht macht die Platte schon einiges her: Der Stockholmer Adam Strömstedt, der auch einige Zeit in der Bundehauptstadt lebte und arbeitete, wie es so schön heißt, residiert mittlerweile in Sydney. Vom sprichwörtlichen, aber keineswegs topologisch richtigen, anderen Ende der Welt bindet ihn seine neueste Veröffentlichung an KANN; und damit auch an Leipzig. Was für die CO²-Bilanz ruinös ist, kann dennoch für die gemeine Tanzfläche zuträglich sein. Große Primetime-Klopper sollte man dennoch nicht erwarten. Auf den tausenden virtuellen Meilen zwischen Australien und Sachsen hat sich eine nicht zu unterschätzende, evidente Smoothness eingeschlichen, die sich nicht einmal mit dem Schweißbrenner vom derzeitigen Trend um Open Air-taugliche, leicht ambiente House-Musik trennen ließe. Organisch, sowohl dem Warm-Up als auch dem Cool-Down zugewandt, chillaxt die A-Seite, bleibt dabei groovy. Die B-Seite ist genauso zurückgelehnt, gleichzeitig eindeutiger Deep House, der aber überall funktionieren sollte. Vor allen Dingen wenn die Sonne schon wieder aufgegangen ist, womöglich ein stehendes oder fließendes Gewässer in der Nähe ist und die Zuhörer*innen zwar keinen Glitzer verteilen, sich aber über gepflegtes Feuerpoi-Spiel nicht aufregen. Lars Fleischmann
James Ruskin – Reality Broadcast Off (Blueprint)
Die erste Blueprint-Veröffentlichung 2019 ist die des Label-Co-Founders James Ruskin. Der Pioneer des UK Techno lässt auf Reality Broadcast Off drei Techno-Nummern in detroitiger Manier springen. Titel-Track „Reality Broadcast Off” gibt der Scheibe einen perkussiven, bassigen Start-Boost, klingt düster scheppernd. In „We Are Everywhere” ist der Beat schon freundlicher, die Stimmung hellt auf, der Sound wird quirliger und geht dann in das noch quirligere „Disaffection” über, das der Scheibe einen psychedelischen Abschlusshöhepunkt verleiht. Generische Techno-Tracks aus gutem Hause. Lutz Vössing
Lone – Abraxas EP (Ancient Astronauts)
Matt Cutlers Veröffentlichungen sind immer etwas unberechenbar und verlassen gerne mal die ausgetretenen Pfade. Das erste Release seines neuen Labels Ancient Astronauts stellt hier keine Ausnahme dar, was vor allem von „Young Star Cluster” unterstrichen wird: Lones erstem Experiment mit Acid-Lines, das in Kombination mit den immer etwas verschrobenen Beats sehr an Luke Viberts unkonventionellen Sound erinnert. Der Titeltrack „Abraxas” überrascht ebenfalls mit einem sehr untypisch-tribalistischen Ansatz, während „How Can You Tell” mit atmosphärischem Slomo-D’n’B begeistert, der seine Inspiration durchaus aus LTJ Bukems Output in den frühen Neunzigern zu ziehen scheint. Eine vielseitige EP, mit der sich Lone für sein neues Label noch Türen in alle Richtungen offen hält. Stefan Dietze
Swarm Intelligence – 47022 (47)
Der Produzent Simon Hayes alias Swarm Intelligence bevorzugt die kaputteren Seiten von Techno, in denen die historischen Bezüge zu Industrial alter Schule deutlich zutage treten. Oft tut er das in Form von sogenanntem Dark Ambient. Auf 47022 drückt er diese Kontinuität jedoch weniger durch harsche Noise-Frequenzen als durch hammerschlagartige Beatarbeit aus. Abgehackte Start-Stop-Breaks sorgen in „Infinite Density” in Kombination mit bohrenden Synthesizern für die im Titel versprochene Dichte. Die synkopierte Rhythmik behält Hayes auch in den übrigen Tracks bei, lässt sie mal dynamischer federn, mal, wie im abschließenden „Dismal”, erdenschwer mit trockenem Nachhall aufklatschen. Die Zukunft, in die Techno einst aufbrechen wollte, wird mittlerweile ja längst eine andere geworden sein. Swarm Intelligence regt, mit gesundem Skeptizismus, aber weiterhin zum Tanzen an. Manche Dinge bleiben eben. Tim Caspar Boehme
Voiski – Our Brilliant Failure (Bassiani)
Repetitio. So nennt man in der klassischen Rhetorik die Wiederholung. Die Musik des Franzosen Voiski ist davon geprägt. Schicht um Schicht stapelt er auch auf seiner neuesten Veröffentlichung Our Brilliant Failure Melodien und Drums übereinander. Schicht um Schicht entwirft er in architektonischer Manier gewaltige Sound-Wolkenkratzer. Sofort erinnert man sich an zeitlose Werke der minimalen Klangmusik. Namen wie Terry Riley oder Oren Ambarchi kommen einem da natürlich unweigerlich in den Sinn. Nur dass Luc Kheradmand, wie Voiski mit bürgerlichem Namen heißt, eben Techno macht – oder besser gesagt: Techno konstruiert. Das ist hier als Kompliment zu verstehen. Leider zu oft geht dieser Ansatz auch schief. Eintönig und energielos statt treibend und transzendental klingt das dann. Aber schon beim ersten Track wird klar, dass man sich darüber hier mal so gar keine Sorgen machen muss. „Sit down next to me“ wird von einem bunten Arpeggio getragen, zu dem sich noch eine melancholische Melodie, Synth Pads und moderne, housige Drums gesellen. Darauf folgt ein düsterer Stomper, den rollende Bässe und weirde Synthesizermodulationen auszeichnen. ‘Arpeggio – die Zweite!’ heißt es dann auf der Flip-Side. Das Tempo wird merklich angezogen und der Ton rauer. Was allerdings gleich bleibt, ist, dass es gehörig groovt. Und genau so schließt die Veröffentlichung auch mit dem letzten Stück „Your Heart Starts To Race“ ab. Andreas Cevatli