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Axxon N.: „Einen Impact in Leipzig haben”

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Als das Institut für Zukunft (IfZ) Ende 2024 schließen musste, hinterließ das in der Leipziger Clubszene eine Leerstelle. Der Kohlrabizirkus – einst Heimat eines der prägendsten Clubs für progressive elektronische Musik und queer-feministische Clubkultur – drohte zu verwaisen. Nun ist dort mit dem Axxon N. ein neuer Club entstanden, der nicht versucht, die Vergangenheit zu ignorieren, sondern auf eigene Weise an dessen kulturelle Bedeutung anknüpft.

Im Gespräch mit den GROOVE-Redakteuren Alexis Waltz und Maximilian Fritz skizziert Mitgründer Lucas Pulkert, wie aus einer anfänglichen Idee ein operativer Club mit rund 80 Mitarbeitenden wurde. Er berichtet von Bewerbungswellen, Nächten zwischen Lampenschweißen und Teammeetings, aber auch von klar verteilten Verantwortlichkeiten und einem radikalen Willen zur Kollaboration.

Dabei macht er deutlich: Das Axxon N. ist kein nostalgischer IfZ-Nachbau, sondern ein bewusst anders gedachter Ort – offen, mystisch, strukturiert. Mit Fokus auf eine diverse Leipziger Szene, nachhaltiger Organisation und einem klaren politischen Anspruch, der Clubkultur neu denken will.

GROOVE: Wie bist du mit elektronischer Musik in Kontakt gekommen? 

Lucas Pulkert: Ich bin mit 19 oder 20, also 2010 oder 2011, nach Mannheim gezogen, da bin ich clubkulturell sozialisiert. Mannheim, Offenbach, Frankfurt haben eine eigene Kultur der elektronischen Musik. Ich habe dort mit 21 mein eigenes Unternehmen gegründet und das dann zehn Jahre gemacht – mit einer Mitgründerin und zwei, drei Leuten. Wir hatten damals auch die Idee, in Mannheim einen Club aufzumachen. Das hat dann nicht funktioniert.

Und nun bist du der Betreiber des Axxon N.

Am Ende ist es so: In Deutschland brauchst du jemanden, der die Unterschriften setzt. Da ist die Wahl auf mich gefallen. Wir haben eine Betreiber:innengesellschaft, die insgesamt aus zehn Unterstützer:innen besteht. Manche davon unterstützen aktiver, manche weniger. Und ich spiele eben auch eine Rolle, habe das ganze Team ongeboardet.

Wie hast du nach den Leuten gesucht?

Wir haben unser Projekt gestartet und unseren ersten Instagram-Post Mitte Februar gemacht. Dort haben wir die Jobbeschreibung hochgeladen und 350 Bewerbungen bekommen. Davon ausgehend habe ich 150 bis 200 Bewerbungsgespräche geführt. So  haben wir unser Team zusammengestellt.

Wie groß ist das Team?

Es sind etwa 80 Leute, mit denen wir jetzt starten. Eine Nacht zu gestalten, ist ein großer logistischer Aufwand. Deswegen ist mein Part, die organisatorische Struktur aufzustellen. Unsere Rechtsform ist die GmbH, denn irgendeine Rechtsform braucht es in Deutschland ja. Uns ist aber eines wichtig: Ich bin nicht der alleinige Clubbetreiber. Wir sind eine Gruppe. Ich bin einer von den Leuten, die sich kaufmännisch gut auskennen, aber auch da gibt es wiederum andere, die zum Beispiel gut mit Steuern können.

Außerdem gibt es den Part der künstlerischen Leitung, wo ich gar nicht so sehr involviert bin. Das ist uns wichtig: Klare Verantwortlichkeiten zu haben. Ich bin nicht Teil des Bookings, darauf habe ich überhaupt keinen Einfluss. Wir haben uns das aufgeteilt: Wer ist in welchem Bereich gut? Diese Aufteilung ist absolut notwendig, weil wir dafür so viele unterschiedliche Expertisen benötigen. Von der Nachtarbeit über das Booking bis hin zum gesamten Personalteil. 70 Leute zu managen, ist einfach krass aufwendig.

Wie kam es überhaupt dazu, dass ihr das Axxon N. eröffnet habt?

Als das IfZ bekanntgegeben hat, dass es schließt, war ich erst mal geschockt. Ich habe ein paar Freunde in Leipzig und habe mit denen gequatscht. Ich meinte: „Jetzt machen hier auch alle Clubs zu.” Klassisches Clubsterben. Wir hatten dann Kontakt zur Stadt und haben mal nachgefragt. So haben wir festgestellt, dass es von allen Seiten ganz großen Support dafür gibt, dass der Standort Kohlrabizirkus weiter betrieben wird.

„Wir haben eine mystische Ästhetik”, sagt Lucas Pulkert über das Axxon N. (Foto: Joao de Carvalho)

Die anfängliche 0,1-Prozent-Chance ist immer weiter gewachsen. Unsere Motivation war, Zeiten, in denen es gefühlt überall bergab geht, Safe-Spaces schließen, Clubs sterben, etwas entgegenzusetzen. Ich war nicht an Berlin gebunden. Als sich die Möglichkeit eröffnet hat, habe ich mit Freunden geredet: „Habt ihr Lust, da irgendwie mitzumachen? Habt ihr Lust, das Projekt finanziell oder mit Arbeit zu unterstützen?” Und irgendwie ging es dann von Stufe zu Stufe. Wir haben gewartet, bis irgendwann ein großer Showstopper kommt. Der ist nicht gekommen. Also wollten wir Verantwortung übernehmen. Wir haben die Rückmeldung aus Leipzig von Kollektiven, von lokalen Akteuren, von der Stadt bekommen: „Vielen Dank, dass ihr das macht. Wir supporten euch.”

Leipzig ist als Ort für elektronische Musik und Clubkultur stark links geprägt, das IfZ war phasenweise das Flaggschiff dieser Kultur. Gab es negative Kritik aus der Szene?

Wir persönlich haben keine negative Kritik bekommen, sondern großen Zuspruch dafür, dass dieser Space um den Kohlrabizirkus wiedereröffnen kann. Mit neuem Konzept, mit einem neuen Club, mit neuem Ansatz, als neuer Betreiber. Wenn du in die Kommentarspalten auf Instagram schaust, siehst du vielleicht ein, zwei negative Kommentare. Aber die gibt es überall. Wir haben nicht den Anspruch, es jedem recht zu machen. Unser Anspruch ist es, einen Safer Space aufzumachen. Einen Impact in Leipzig zu haben. Wir haben ganz am Anfang schon Kollektive zur Bewerbung aufgerufen. Es gab einen riesigen Andrang. Alle waren super dankbar für die Gelegenheit. Deswegen haben wir das Gefühl, dass wir in Leipzig Einfluss haben können. Und darauf setzen wir gerade zu hundert Prozent unseren Fokus. 16 Stunden am Tag.

Hattest du zu den alten Betreibern Kontakt oder habt ihr euch ausgetauscht?

Wir hatten Kontakt und haben Equipment übernommen. Deswegen haben wir nach wie vor auf einem Business-Level-Kontakt. So wie ich es verstanden habe, war das IfZ kollektivistisch organisiert. Zum Kollektiv an sich hatte ich keinen Kontakt, sondern immer nur zu den Betreibern und Geschäftsführern. Die sind auch happy, dass dort jetzt keine Autovermietung reinkommt.

Was wollt ihr beibehalten, was wollt ihr anders machen als das IfZ?

Wir haben unsere eigene Mission. Welche Musik möchten wir Leipzig präsentieren? Samstag läuft proper Techno, Freitag wollen wir lokalen Kollektiven die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren. Damit wollen wir ein deutlich breiteres Spektrum ansprechen. Wenn das gut funktioniert, soll es donnerstags Art-Performances, vielleicht noch mit einem kleinen Floor für bis zu 100 Leute, geben. Zukünftig könnten auch Konzerte veranstaltet werden. Wir wollen den Space gut nutzen. Das ist natürlich mit Aufwand verbunden. Wir wollen das Team auch nicht überfordern, aber das wäre die Wunschvorstellung. Auch etwas wie Flinta*-DJ-Workshops. Aber das liegt dann doch eher in der Zukunft.

„Clubkultur ist ein Raum der Freiheit.”

Auf der anderen Seite gibt es die visuelle und ästhetische Mission: Das Gefühl, im Club zu sein, die Erfahrungen, die man dort machen kann. Das Spüren, das Fühlen in diesem Club. Das ist ein bisschen schwieriger in Worte zu fassen. Das ist etwas, was wir noch weiterentwickeln, was wir gerade starten. Wir haben schon eine ganz coole Ästhetik. Es ist uns als Club wichtig, eine Ästhetik zu haben, nicht nur eine weiße Wand zu sein. Aber das ist natürlich etwas, das sich entwickelt und beeinflusst wird. Auch von der lokalen Szene.

Wollt ihr die Samstage selbst veranstalten oder werden Kollektive ihre Partys machen?

Beides. Aktuell veranstalten wir am Samstag selbst, aber wir haben schon erste Kollektive dabei, mit denen wir zusammenarbeiten. Samstags ist uns das Musikgenre wichtig. Da müssen die Kollektive dazu passen. Freitags sind wir flexibler und können mit mehreren Kollektiven gleichzeitig zusammenarbeiten.

Wie würdest du eure Ästhetik beschreiben?

Aktuell haben wir eine dunkle, mystische Ästhetik. Wir selbst sind aber nicht dunkel, sondern sehr offen für jegliche Art von Kollektiven. Gleichzeitig finden wir aber, dass Clubkultur und Techno immer mit etwas Dunklem und Düsterem zu tun haben. Clubkultur ist ein Raum der Freiheit. Ein dunkler Raum, in dem Menschen sich entfalten können. Uns ist wichtig, Freiheit erlebbar zu machen. Menschen sollen so tanzen können, wie sie wollen, sich so darstellen können, wie sie wollen.

Wie anstrengend ist der Arbeitsprozess bislang?

Kürzlich hatten wir unser Soft-Opening. Das hat schon ganz gut funktioniert. Aber auch da haben wir in den Minuten davor noch die letzten Sachen gemacht. Wir dachten diese Woche, dass es einigermaßen gechillt wird. Es ist aber noch extrem viel angefallen. Ich bin auch noch krank geworden, habe dann aber trotzdem am Samstag bis 22:30 Uhr die letzten Lampen angeschweißt. Es ist ein harter Ritt, aber dafür hat es bis jetzt sehr gut funktioniert. Das ist das erste Mal, dass das Team zusammengearbeitet hat. Wir sind außerdem der erste Club in Leipzig, der zu hundert Prozent cashless ist. Das auszuprobieren, ist spannend für uns. Du kannst mit Bargeld Prepaid-Karten kaufen, mit denen du bezahlst. Am Ende bekommst du den Restbetrag wieder zurück. Die Grundidee ist aber, dass es ein reiner Cashless-Laden ist.

Wer einmal im IfZ war, findet auch zum Axxon N. (Foto: Moritz Richter)

Wieso?

Ich bin auch ein großer Fan davon, mit dem schmutzigen Zehner am Tresen noch ein Bier zu holen. Es ist einfach sympathischer, und Cashless ist unsexy. Aber unser Ansatz ist: Clubkultur steht unter Druck. Clubs stehen unter Druck. Wir haben uns hingesetzt und überlegt, was Clubkultur für uns ausmacht. Was sind die wirklich wichtigen Elemente für uns, einen Safer-Space zu kreieren? Bargeld zählt nicht dazu. Es ist irgendwie schön, es ist romantisch. Aber am Ende ist Cash der teuerste Weg, Geld von A nach B zu transportieren. Für jede Münzrolle, die du einkaufst, musst du extra Geld zahlen. Leute laufen mit viel Geld durch die Gegend oder müssen Geld nachzählen. Leute müssen verantwortlich sein, wenn Bestände nicht passen.

Wie viele Leute passen bei euch rein?

350 bis 400.

Was kostet der Eintritt?

Da wollen wir ein bisschen ausprobieren. Wunsch und Ziel ist, das definieren wir auch als Teil der Clubkultur, niedrigschwellig zugänglich zu sein. Die jüngere Generation kann sich keine 20 Euro Eintritt leisten. Deswegen werden wir unterschiedliche Konzepte wie Community-Events ausprobieren. Wir wollen versuchen, Clubkultur für jede Person verfügbar zu machen. Aber auch so, dass wir davon leben können.

Wie fällt dein Fazit zur bisherigen Zusammenarbeit mit dem Livekommbinat und mit der Leipziger Szene aus?
Mega gut! Das ist Teil dieser Leipziger Experience, die wir gerade haben. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass gegeneinander gearbeitet wird. Von der Stadt über lokale Kollektive und Communitys sind wir wirklich heartwarming empfangen worden. Vom ersten Tag an. Wir waren noch gar nicht Mitglied und konnten uns trotzdem austauschen. Ich bin letzte Woche noch hingefahren und habe Bargeldrollen für unser Pfandsystem eingesammelt. Alle sind mega nett, wir sind herzlich aufgenommen worden.

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