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Motherboard: Juni 2024

Frei atmen unter schwerer Last. Ein Bild, das sich für die Drone-Ambient-Klänge der Australierin Madeleine Cocolas aufdrängt. Erhabene Gravität, die sich auf Bodies (Room40, 12. April) in Form von massiv manipulierten orchestralen und choralen Loops manifestiert. Von diesseitiger körperlicher Schönheit in jenseitige Melancholie prozessiert, in dunkel strahlende Klangwellen.

Die in Kopenhagen lebende Finnin Johanna Elina Sulkunen kann offenbar alles, was neu und anders und avantgardistisch scheint, vor allem aber kann sie unvereinbar Scheinendes ganz locker auf einer persönlich-individuellen Ebene organisch zusammenfügen. Algorithmisch gestützte digitale Komposition, traditionelle Jazz-Vocals, freie Improvisation, hochreflektierte Sound-Abstraktion und eine gänzlich unprozessierte Stimme. Gerne in ein und demselben Track. Ihr drittes Soloalbum Coexistence (Tila, 24. Mai) fügt Sulkunens elektronischem Avantgarde-Pop sogar noch eine weitere Komplexitätsstufe hinzu, indem sie dokumentarische Interview-Aufnahmen, Samples prekärer, nicht gehörter Stimmen klug in den Mix wirft. Vor cinematisch montierten Ambient-Hintergründen fügt sich das flatternden Stimmen- und Sample-Wirrwarr in nahezu Folk-artige Songstrukturen und bricht wenig später wieder aus ihnen aus. Das Resultat dieses komplizierten Prozesses ist keineswegs anstrengend oder überfordernd. Selbst wenn die auftauchenden Textfragmente nicht übersetzt werden, sind sie keinesfalls unverständlich.

„Die Verwirrung ist da, sie wird nicht mehr gehen” – und es ist eine wundervolle Verwirrung, die vom Berliner Duo Post Neo, bestehend aus Nicole Luján und Pauline Weh, verbreitet wird. Es ist bisher nur eine EP, Alles immer wieder (Monika Enterprise, 25. April), was die aber an überlegtem und überlegen Avantgardistischem in minimale Electro-Sounds steckt, ist schlicht phänomenal. Lyrische Phrasen, zigmal wiederholt, werden zu kühl-fiebrigem Synthpop, der heute so retro-futuristisch und extraweltlich klingt, als wäre es schon wieder 1982, ein Zweiundachtzig allerdings nach Techno, Post-KI, hinter der Matrix. Die kühle emotionale und intellektuelle Überlegenheit der Spätmoderne, hier findet sie zu sich selbst.

Was für eine interessante Idee, was eine Praxis, was für ein Ergebnis. Mit more eaze, pardo & glass trifft die geniale postdigitale Alleskönner:in Mari Maurice auf die Macher des feinen italienischen Post-Anything-Labels OOH-Sounds. Und zusammen machen sie mit paris paris, texas texas(OOH-Sounds, 29. März) einfach mal eine (gefühlte) Hyperpop-Variante von Ry Cooders Soundtrack zu Wim Wenders einfachnamigem Film. Sie finden da ein Heim, wo sich die 24-Bit-Moderne und gute alte Pedal-Steel-Americana in der texanischen Wüste gute Nacht sagen. Koyoten, Klapperschlangen und Kleinstadt-Unbehagen inklusive. Aus großem Ambient wird kleiner Pop und umgekehrt.

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