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Motherboard: Juni 2024

In softer Psychedlik und unaggressiver Kraftausübung kennt sich der gelernte Psychologe und Gitarrist Ezra Feinberg bestens aus. Die Soft Power (Tonal Union, 31. Mai) des aktuell in Brooklyn, New York lebenden und praktizierenden Analysten und Musikers ist dann wohl die Beruhigung der Nerven. Das Album dürfte tatsächlich das ungefähr sanfteste in seiner über 20-jährigen musikalischen Karriere bei unter anderen Piano Magic, Citay und Earth Room sein, die ebenfalls nicht unbedingt als Krachmacher bekannt sind. Was sich hier sehr entspannt zwischen Easy Listening, New Age, Ambient-Americana und etwas Postrock ausbreitet, ist pures Nervenbalsam für emotional angefressene Großstädter.

Retro-Futurismus, Neon-Cyberpunk und virtuoser Hippiekram mit Halbglatze, das geht alles ganz genüsslich zusammen in Temporal Waves, dem Synthesizerprojekt des kanadischen Tabla-Spielers Shawn Mativetsky. Im gleichnamigen Debüt Temporal Waves (People Places Records, 12. April) branden mächtige Synthwellen an flatternde Percussion. Das ist im Ergebnis tatsächlich weitaus logischer und metallorganischer, als die reine Idee womöglich nahelegt. Ein echt eigenwilliger, doch unmittelbar einleuchtender Außenseiter-Sound, der Fourth World und elektrische Weltmusik-Wiederententdeckungen mit den jüngsten Post-Vapor-Dreampunk-Hipness-Iterationen verknüpft, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Ist es ja eben.

Wenn diese Ausgabe des Motherboard erscheint, sind die garstigen Geister des Winters hoffentlich endgültig und vollständig ausgetrieben. Doch – so viel ist sicher – sie kommen wieder. Wem das nicht schnell genug geht, sollte sich eine austreibende Dosis The Nausea genehmigen. Das erstaunliche Soloprojekt der Kanadierin Anju Singh betreibt auf Requiem (Absurd Exposition/Buried In Slag And Debris, 7. Juni) einen dunklen Karneval der ungeahnten Möglichkeiten. Doom-Metal mit den akustischen Mitteln von Kammermusik, Tribal-Gehämmer und Death Industrial aus einer einzelnen Violine, Freakout in der perfekten Kontrolle. Eine durch und durch strukturierte Freiheit der Ideen, die nur plausibel scheint, wenn man wie Singh zugleich in zeitgenössischer Komposition wie in Dark Wave, EBM-Electro und Death-Metal-Bands unterwegs ist.

Schwere Materie, Solidität, Gewicht und Dichte charakterisieren die Stücke der Schweizer Produzentin Noémi Büchi durch und durch. Sie manifestieren sich bereits in den Album- und Tracktiteln. Nach der nicht weniger bergmassiven Kollaboration mit Feldermelder als Musique Infinie zieht Büchis zweites Soloalbum Does It Still Matter (-OUS, 24. Mai) noch immer Ambient und Sample-Glitch in dunkle orchestrale Abgründe und lässt doch Luft und Licht herein. Bei aller geschichteten, vielschichtigen Massivität sind Büchis Arrangements doch immens fragil und komplex, ist ihr Sound beeindruckend und großartig im jeweiligen Wortsinn. Dieses Material hinterlässt einen tiefe emotionale Spur.

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