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Motherboard: März 2024

Für ultimativ selbstgenügsame, emotional eher auf der kühl-distanzierten Seite von Sound Art stehende Klänge steht Giuseppe Ielasi. Kompromisslose Klangforschung und Raumsondierung, isolierte Ereignisse und Schleifen, manchmal sich in Drone verdichtende, abstrakte elektrische Sounds zeichnen Rhetorical Islands (Faitiche, 1. März) aus. Was die Arbeiten des seit über 25 Jahren kontinuierlich aktiven italienischen Gitarristen und Elektronikers zugänglicher macht, als man glauben könnte. Was ihm Veröffentlichungen auf ungefähr allen renommierten Elektronik-Labels garantierte, wie jetzt bei Jan Jelinek, ist die simple Tatsache, dass sich Ielasis Stücke trotz der demonstrativen Abwesenheit von Sentiment und Gefühligkeit nicht gänzlich nach Kopfgeburten oder Fingerübungen eines überversierten Toningenieurs anhören, sondern immer einen Rest an Emotion beinhalten, wie sublimiert und indirekt dieser auch sein mag.

Die ziemlich alte Konzeption, Musik als Ganzes hätte eine Richtung, bewege sich auf ein Ende der Geschichte zu – und darin gäbe es Menschen die sich schneller in die Richtung bewegen (Avantgarde, Moderne) und welche, die es langsamer oder gar nicht tun (Retro) –, wurde ja weitgehend abgelöst durch die auch nicht mehr so taufrische Idee der forciert aktiven Gleichzeitigkeit aller musikalischer Ideen und Konzepte als Pool, aus dem es sich einfach bedienen lässt in einer ewig währenden Remix-Schleife des immer Ähnlichen, aber nie Gleichen (in Dub). Dass sich diese Verständnisse von Entwicklung nicht ausschließen, dass es Zwischenwelten gibt, freischwebende Portale, vermischend vermittelnde Zwischenstationen, etwas wie das buddhistische Konzept des Bardo, das lässt sich produktiv verstehen, etwa im Verständnis der überaus freien Klangsphären von Ka Baird. Deren Bearings: Soundtracks for the Bardos (RVNG Intl., 22. März) sind fundamental explorative, ausprobierende, gerne auch konfrontative Soundscapes, die neu, eigen und anders klingen, dennoch in einer elektroakustischen Tradition der kuratierten Feldaufnahmen stehen, zugleich in einer außerakademischen, anders avantgardistischen des psychedelischen Drone-Folk, des Post-Industrial und Dark Ambient. Was Baird daraus mit nicht geringem Konzeptaufwand und doch ganz frei und zwanglos erwachsen lässt, sind einfach superinteressante Klänge.

Absolut konkrete Abstraktionen, nämlich die einer imaginären Folklore, zieht die Berliner Produzentin Hani Mojtahedy alias Hjirok mit Hilfe von Andi Toma von Mouse on Mars aus prozessierten Samples von Sufi-Ritualen. Hjirok (Altin Village & Mine, 8. März) bringt das Reale, Aufgenommene und Archivierte in einen freischwebenden und doch ziemlich handfesten, beat-orientierten Diskurs mit dem abstrakten, ausprobierenden, experimentellen Loop. Dass das Ergebnis keineswegs artifiziell und ausgedacht klingt, ebenso wenig auf dokumentarische Authentizität hinzielt, ist wirklich stark. Denn was in diesem Prozess entstand, sind unmittelbar körperliche Sounds von Trance im traditionellen Sinne, die aber so gar nichts Traditionelles an sich haben.

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