Donato Dozzy – Magda (Spazio Disponibile)
Ein Familienalbum. Donato Scaramuzzi alias Donato Dozzy widmet seine jüngste Platte seiner gleichnamigen Tante Magda, eigenen Angaben nach die stärkste Frau in seinem Leben. Ihre Stärke drückt sich in Dozzys Musik durch Sanftheit aus. Wie überhaupt die ganze Platte so ein entwaffnend gelöstes Fließen durchzieht. Hier soll nicht mit Gewalt etwas zum Ausdruck gebracht werden, der Ausdruck bahnt sich eher im Entstehungsprozess von selbst seinen Weg. Langsam kreiselnde Arpeggien, ganz fern hinten in den Raum gemischter Beat, wenn überhaupt, ungezwungen mutierende Sounds.
Das ist zweifellos kein radikaler Entwurf, bisher unbekannte Welten sucht man auch vergebens, was zugleich überhaupt keine Kritik am Ergebnis sein soll. Denn Dozzy weiß einfach, wie er seine Elemente ineinanderfügen muss, oder hat sie einfach auf so eine Weise gefügt, dass man schon mit sehr ablehnender Einstellung an die Sache herangehen muss, um da bloß nett-solide Patternarchitektur zu finden. Wenn man ein wenig hinhört, teilt sich etwas mit, das man etwas pathetisch als Zuversicht begreifen könnte. Frei von irgendwelchem Heilsversprechenkitsch. Musik darf ja auch mal ohne wuchtigen Überbau guttun. Vielleicht eines der besten Alben Dozzys seit Jahren. Tim Caspar Boehme
Felix K – Sudbaism (Nullpunkt)
Jedes Mal, wenn ich eine Platte von Felix K höre, denk’ ich mir: Der Typ nimmt das fix in der Kanalisation auf, irgendwo tief unter Berlin, wo es rattert und rauscht und die Ratten raven. Seine Mucke ist Deep-Dub, aber nicht das Klischeegeficke, das in stereotypischen Marihuanawolken und den verfilzten Haaren von Weißbrotindianern aufgeht. Sondern im Sinne von: deep und dub, also, äh, wie bei Basic Channel zum Beispiel. Aber irgendwie auch ganz anders. Das kann man nicht erklären. Das ist so wie der Funke zwischen zwei Schwertern. Klar ist der da, aber versuch den mal festzuhalten: keine Chance!
Na ja, hier fehlt zwar der zündende Funkensprung zurück zur Platte, aber egal: Sudbaism liest sich schielend wie Subbass. Was falsch ist, weil Sudbaism bestimmt erklärt, wie man Musik macht, die so trostlos daherkommt wie das Angriffsspiel beim 1. FC Köln, ABER hinten so stramm steht wie die Abwehr der Werkself. Das heißt, es geht vorne nix rein, hinten aber AUCH nicht. Man tut also eine Zeitlang hin und her, und schon ist der Spuk vorbei. Ein Null-zu-Null auf hohem Niveau, wird irgendwer in die Kamera sagen, um die Haushaltsabgabe zu retten. Und so ist es dann auch: kein Riss des Ekstasensprunggelenks, aber auch kein Enttäuschungsmanöver. Einfach nur stabile Seitenlage. Christoph Benkeser
Griffit Vigo – EGM (YUKU)
Der individuelle Atem gibt der ravenden Menge Sauerstoff, und als Dankeschön erhält das feiernde Individuum die Euphorie zurück von der Menge. So weit, so bekannt; bloß macht Griffit Vigo das auf seinem Album EGM hörbar. Mit menschlichen Stimmen arbeitet der südafrikanische Produzent: Stimmen, die sprechen, die stöhnen, die röcheln, die atmen.
Während das in bestimmten Situationen ein wenig gespenstisch klingen kann, wie etwa in „Ingonyama”, wo eine ganze Skulptur sich überlagernder, runtergepitchter Knurr-Klänge mit staubtrockenen Drums entsteht, zeigt es in einem Stück wie „Gmijna” die Zielgerichtetheit der zeitgenössischen Rave-Musik. Aus der Asche hin zum Selbstvergessen. In „Felicia” hingegen geht es passenderweise um eine kreischende, gut gelaunte, das Leben lebende Menschengruppe.
EGM ist nach I Am Gqom und Art Is Talking das dritte Album des südafrikanischen Gqom-Künstlers Khulekani Griffith Radebe. Unter seinem Künstlernamen Griffit Vigo produziert er den basszentrierten Sound in jener Stadt, wo Gqom unter anderem entstanden ist: im südafrikanischen Durban. Griffit Vigo bleibt mit diesem Album weiter hart am Kern. Egal, aus welchem Jahr ein Zitat von ihm stammt, das Wort „spiritual” fällt am häufigsten.
Doch während im Begriff des Spirituellen in der europäischen Jetztzeit eine überkitschte Sanftheit mitschwingt, klingt Vigos „Spiritualität” eher nach der Ganzheit menschlicher Existenz, zu der eben auch die Schrecken zählen. „Kasi Kids” etwa richtet sich um eine Leerstelle an; als sei sie das Nichts, um das sich die Ketten, Bassdrums und Samples unbekannter Herkunft scharen. Und im programmatischen Titelstück bleibt unklar, ob es sich um einen Trauerzug, eine Party oder beides zugleich handelt. Darin lauert die Größe dieses großen Albums: Vigo produziert Stücke mit einem Sog, der von allem und nichts handelt. Christoph Braun
Kreidler – Twists (A Visitor Arrives) (Bureau B)
Mit Twists (A Visitor Arrives) steuern Kreidler einen weiteren Planeten in der Reihe ihrer Veröffentlichungen an. Und wie könnte es anders sein, mit dem Opener „Polaris” geht es sphärisch-kühl ins Kreidler-Universum, ein Tune, der sich in einen feinen Downtempo-Disco-Track schraubt. Tricky, etwas vertrackt, und doch klar und eindeutig. Konsequent taucht „Diver” eigenständig ab in wundervolle Sphären mit treibenden Drums und stimmungsaufhellenden Keyboard-Chords. Auf Raumschiffen darf auch getanzt werden – „Loisaida Sisters” ist ein Vocal-getriebenes, bassblubberndes Stück. Dabei haucht die Zeile „Maybe I am lost” dem Tune Achtziger-Stimmung ein. Kreidler kreiert solche Atmosphären, die auch der Schweizer Kalabrese seit Jahren präferiert. Elektronischer ist „Arithmétique”, das, wie der Name verrät, Wert auf vermeintlich berechenbare Strukturen legt: ambient-schwingendes Intro, ein uptempo-Hauptteil, kleines Outro. Gleich wieder ein Gang zurück: Das Stück „Hands” mit gehauchten Vocals ist feinste Downtempo-Electronica. Zum Ende hin nimmt „Hopscotch” Fahrt auf, ehe „Kandili” in neue Richtungen abtaucht.
Twists (A Visitor Arrives) spinnt die Kreidler-Story weiter. Wer auf die Repeat-Taste drückt, entdeckt beim zweiten oder dritten Durchlauf wieder Neues. Wir hoffen auf eine geneigte Wiederkehr. Liron Klangwart
Logic1000 – Mother (Because Music)
Auf ihrem Debütalbum, größtenteils entstanden während ihrer Mutterschaft und nach der Geburt ihrer Tochter, daher der Plattentitel, breitet Samantha Poulter alias Logic1000 über zwölf Tracks ein Kaleidoskop an House-Nuancen aus. Geschrieben mit ihrem Kreativpartner Tom McAlister, springen die Stücke der mittlerweile in Berlin lebenden Produzentin behende von einer Ecke des House-Globus zur anderen. Seien es zum Beispiel Jaydees „Plastic Dreams” referenzierende Underground-Tunes, New-Jersey-gestylter Garage House oder hypnotisch-moderner Deep-House-Groove inklusive epischem Breakdown. Da treffen leicht angetrancete Melancholie-Melodien auf Masters-At-Work-artige Percussion-Grooves oder swingende UK-Garage-Rhythmen – und es ergibt Sinn. Und dank der Sängerinnen Rochelle Jordan, Kayla Blackmon und MJ Nebrada finden sich auch drei durchaus Pop-kompatible Vocal-Hymnen auf dem Album. Diese – insbesondere die Tracks mit Jordan und Blackmon – segeln zwar hart am Rande der Cheesiness, umschiffen diese Klippen doch stets elegant. Tim Lorenz