Die Folgen der Pandemie, Kriege und Inflation machen sich in vielen Lebensbereichen bemerkbar. Besonders hart hat es die Festivalbranche getroffen, auch weil Transport- und Reisekosten stark gestiegen sind. Um einen Einblick in die Befindlichkeiten und Nöte unter Festivalmachern zu geben, hat unsere Autorin Laura Baumgardt sich bei drei Veranstaltern nach deren Erfahrungen im vergangenen Jahr erkundigt.
Die Nation of Gondwana, bekannt für ihre autark organisierte „Realitätsfluchthilfe”, das MELT, das sich mit Acts wie DJ Heartstring, Ski Aggu und Brutalismus 3000 einer Verjüngungskur unterzog, sowie die Nature One, die als Europas größtes elektronisches Open-Air-Festival Maßstäbe setzt – drei Veranstaltungen, die in ihrem Aufbau, Look und der Art ihrer Finanzierung unterschiedlicher nicht sein könnten.
Kapitel 1: Nation of Gondwana – „Zwischen 20 und 300 Prozent Preissteigerung war alles dabei”
Im ersten Teil wollten wir von Markus Ossevorth, dem Mitgründer und Veranstalter der Nation of Gondwana, unter anderem wissen, wie sich die Stimmung unter den Besucher:innen verändert hat, wie das Festival über die Runden kommt und wie es um staatliche Hilfen bestellt ist.
Die Festivallandschaft gab im vergangenen Jahr ein widersprüchliches Bild ab: Auf der einen Seite wurde so hemmungslos gefeiert wie seit 2019 nicht mehr, auf der anderen Seite waren Festivalabsagen, Besucher:innenschwund und Klagen über explodierte Preise zu verzeichnen. Um herauszufinden, wie sich die Nation of Gondwana (NoG) in dieser Situation behauptet, treffe ich Markus Ossevorth im NoG-Büro in Prenzlauer Berg.
Markus sitzt an seinem Schreibtisch vor riesigen Lego-Modellen von Raumschiffen – ein Steckenpferd von ihm. Die NoG hat Ossevorth in den Neunzigern mitgegründet und betreibt sie bis heute als unabhängiges Festival ohne Investoren, Muttergesellschaft und Sponsoren. Nach wenigen Sätzen wird deutlich, dass es für ihn und seine Firma kein einfaches Jahr war.
„man muss die Leute, die bei uns arbeiten, wertschätzen und ihnen die Strukturen gewährleisten, die es für eine gute Zusammenarbeit braucht.”
Markus Ossevorth (Nation of Gondwana)
Insbesondere die Inflation hat dem Festival zugesetzt, wie Ossevorth berichtet. Er sei ein großer Freund von Zahlen, sagt er. Wir sitzen an einem großen Holztisch, er klappt seinen Laptop auf und schaut auf die Produktionskosten dieses und der vergangenen Jahre. „Wir haben uns zunächst an die Kalkulation gesetzt und Angebote eingeholt – erst danach sind wir in den Vorverkauf gegangen. Zwischen 20 und 300 Prozent Preissteigerung war alles dabei.”
Das hatte zur Folge, dass man sich von zum Teil langjährigen Partner:innen trennen musste – „auch von Anbieter:innen, bei denen wir das Gefühl hatten, dass das nicht nur Inflation ist, sondern versucht wird, mehr mitzunehmen.”
Die Produktionskosten der Nation of Gondwana liegen bei über zwei Millionen Euro, erklärt Ossevorth. 2023 sind knapp 20 Prozent dazukommen – im Gegensatz zu fünf bis acht Prozent in den Vorjahren. „Das haben wir aber nicht komplett an unser Publikum weitergegeben.” Wo kam der zusätzliche Betrag von etwa 320.000 Euro dann her? „Wir mussten sehr eng kalkulieren. Es war wirtschaftlich betrachtet kein gutes Jahr. Aber da muss man dann einfach mal durch. Wir machen das ja, weil wir Freude daran haben und dafür brennen. Wir brauchten auf jeden Fall die Einnahmen aus der Gastronomie, um die Produktionskosten bezahlen zu können.”
An der grundsätzlichen Ausrichtung des Festivals möchte man aber nichts ändern. „Sponsoring kommt für uns nicht in Frage”, sagt mir Ossevorth sehr direkt. Auch wenn das vieles vereinfachen würde, sei das nicht mit seinen Werten vertretbar. „Ich habe das Gefühl, dass Werte in unserer Gesellschaft immer weniger wert sind, umso wichtiger ist es mir, meinen Idealen treu zu bleiben.”
Bei allen Problemen bringen Unabhängigkeit und Idealismus aber auch Vorteile. Mit Personalmangel hatte die NoG nicht zu kämpfen. Das sei laut Ossevorth auf zwei Dinge zurückzuführen. In diesem Jahr wurde erstmals eine Crew Care aufgestellt, die für die Belange der Crew vor Ort, auch während des zweiwöchigen Aufbaus und des einwöchigen Abbaus, verantwortlich war. „Das kostet natürlich auch Geld, lohnt sich aber. Wir haben wahnsinnig gutes Feedback dazu bekommen.” Zum anderen sei die komfortable Personaldecke auch ein Resultat der fairen Bezahlung. „Ich denke, man muss die Leute, die bei uns arbeiten, wertschätzen und ihnen die Strukturen gewährleisten, die es für eine gute Zusammenarbeit braucht.”
„Es ist für einige DJs ein tolles Erlebnis, dass nicht 10.000 Menschen mit einem Handy in der Hand dastehen.”
Markus Ossevorth (Nation of Gondwana)
Trotz der finanziellen Krise wolle man auf Innovation und Umweltschutz setzen. So verkündet Ossevorth stolz, dass das Festival mittlerweile einen Feststromanschluss auf dem Acker bekommen hat, sodass es im nächsten Jahr ohne Aggregate arbeiten kann. „Daran saßen wir ein paar Jahre, und das hat auch einiges an Geld gekostet.” Angesichts der Klimakrise ist das aber eine Investition, die sich allemal lohnt.
Als Sponsor-freies Festival bewegen sich die Gagen bei der NoG auf einem anderen Niveau als bei Massenfestivals. „Ich habe den Eindruck, dass viele Künstler:innen gerne bei uns spielen.” Im umfangreichen Line-up finden sich hochkarätige Acts aus allen Generationen. „Die Künstler:innen schätzen die intime Atmosphäre der NoG sehr”, erklärt Ossevorth dazu: „Es ist für einige ein tolles Erlebnis, dass nicht 10.000 Menschen mit einem Handy in der Hand dastehen.” Die NoG sei schließlich noch eine Tanzveranstaltung, fügt er lächelnd hinzu. Hier würde zu Techno getanzt, weil man zu Techno tanzen will, und nicht, um ein Video auf Social Media zu teilen.
Und wie reagieren die Gäste der NoG auf die veränderten Bedingungen? „Der Druck auf die Tickets ist auf jeden Fall geringer geworden. Es dauerte länger als in den Vorjahren, bis alle Kontingente ausverkauft waren.” Und auch vor Ort zeigt sich das Publikum sparsamer. „Das Geld sitzt nicht mehr so locker.”
Trotzdem erhielt hat man für diese Ausgabe fast ausschließlich positives Feedback. Nachdem man im Jahr 2022 viel Kritik bezüglich der Infrastruktur einstecken musste, hat man sich zusammengesetzt und daran gearbeitet. „Das merkt das Publikum. Ich finde gut, dass es anspruchsvoller geworden ist. Das ist für uns auch eine geile Herausforderung.” Das ist ein Leitsatz von Ossevorth, der mittlerweile 54 ist und 29 Festivals hinter sich hat. „Letztes Jahr war letztes Jahr, und dieses Jahr ist dieses Jahr. Routine ist unser größter Feind.” Das Festival ist ein dauerhafter Transformationsprozess. Man müsse in Bewegung bleiben, um für das Publikum jedes Jahr wieder eine unvergessliche Zeit zu generieren.
Eine Sache löst dennoch merkliche Frustration bei Ossevorth aus: Durch die höheren Ticketpreise können sich immer weniger Menschen ein Festival wie die NoG leisten. Da sollte in seinen Augen der Staat einspringen. Die Kulturförderung sollte weniger auf die massive Förderung der Hochkultur ausgerichtet sein und stärker Veranstaltungen berücksichtigen, die finanziell weniger privilegierte Menschen ansprechen.
Förderprogramme und Festivalfonds seien bürokratisch zu kompliziert, aber eben Bedingung, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. „Das geht schon bei den Antragsvoraussetzungen los, aber auch Nachweise zu erbringen, ist mit großen Hürden verbunden, die abgebaut und zugänglicher gemacht werden müssen.” Auch die NoG versucht, für das kommende Jahr eine Förderung zu bekommen. 2024 findet nämlich die 30. Nation of Gondwana statt. Es gibt schon einige Ideen, wie dieses Jubiläum denkwürdig begangen werden soll. Was ihm da vorschwebt, will Ossevorth allerdings noch nicht verraten.
Kapitel 2: MELT – „Wir wollen mehr in Richtung Gen Z gehen”
Im zweiten Teil unserer Reportage erfahrt ihr von MELT-Festivaldirektor Florian Czok unter anderem, was es mit der inhaltlichen Neustrukturierung des Festivals auf sich hat und wie das Publikum auf sie reagierte. Außerdem gewährt er Einblicke in die Bemühungen, trotz finanzieller Einschränkungen ein vielfältiges und ansprechendes Festival zu gestalten.
Nach einigen Startschwierigkeiten wegen der schlechten Internetverbindung sitze ich Florian Czok per Videocall gegenüber. Seit 2019 bekleidet er das Amt des MELT-Festivaldirektors und hat damit das Zepter von Stefan Lehmkuhl, seinem Vorgänger und Mentor, übernommen. Von da an habe er voller Elan versucht, das Festival neu zu konzipieren – weg von Headlinern und mehr in Richtung Breite, Tiefe und Diversität, erklärt er.
„Wir haben bereits vor der Pandemie gemerkt, dass wir bei den Headliner-Gagen nicht mehr mithalten können, besonders im internationalen Vergleich. Auf dem deutschen Markt sind die Sponsorengelder nicht so hoch wie auf dem internationalen Markt, sodass wir keine vergleichbaren Fees zahlen konnten.” Das alles erzählt er mir, bevor ich meine erste Frage gestellt habe. Ich spüre, dass er für das Festival brennt.
Die vergangenen Krisenjahre sind auch nicht spurlos am MELT vorbeigegangen. Aufgrund der Pandemie musste das Festival zweimal ausfallen. Danach sind die Kosten im Bereich Personal, Zulieferung und Technik komplett explodiert, wie mir Czok berichtet. Dies war teilweise auf die Neuausrichtung verschiedener Unternehmen und die dadurch verringerte Verfügbarkeit von Anbietenden zurückzuführen. Dieser Umstand trug auch zum Personalmangel bei. Trotz dieser Herausforderungen wurde versucht, mit den vorhandenen Ressourcen ein möglichst ansprechendes und vielfältiges Festival zu realisieren. Die finanziellen Einschränkungen waren dabei trotzdem deutlich zu spüren. „Man hat definitiv in der Ausgestaltung der Bühnen und im allgemeinen Look and Feel gemerkt, dass wir sparen mussten, um wirtschaftlich überleben zu können.”
Aktuelle Themen wie Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit und Gleichberechtigung haben nur bedingt die altbekannten Strukturen des Festivals verändert. Das MELT ist bereits seit längerer Zeit ein barrierefreies Festival, und Nachhaltigkeit sowie Gleichberechtigung im Booking sind aktuelle Schwerpunkte, wurden aber bereits in der Vergangenheit bedacht. „Das MELT war schon immer ein sehr offenes Festival. Trotzdem schauen wir als neue Generation noch mal verstärkt darauf.” Aber auch diese Veränderungen kosten Geld, das man aus anderen Bereichen, die genauso wenig übrig haben, beziehen muss.
„Wir sind noch lange nicht beim Normalbetrieb.”
Florian Czok (MELT)
Die wirtschaftlichen Aspekte zeigen sich auch in den Ticketpreisen. Das MELT war in diesem Jahr so teuer wie noch nie. Die höchste Ticketstufe lag bei knapp über 200 Euro, was ungefähr 20 Euro mehr sind als im Vorjahr. „Man kann Festivals aber nicht immer teurer machen”, räumt Czok ein. Das hat großen Einfluss auf die Kaufbereitschaft der Besucher:innen, die deutlich weniger ausgeprägt ist als in präpandemischen Zeiten. Hinzu kommen die erhöhten Lebenshaltungskosten, der Krieg in der Ukraine und in Israel. Viele Menschen wollen und können sich gerade nicht mit Musikfestivals beschäftigen, unter anderem auch weil die finanziellen Ressourcen nicht vorhanden sind. Knapp 3000 Tickets konnte das MELT in diesem Jahr dennoch mehr verkaufen. Das ist ein gutes Zeichen. Czok hält aber fest: „Wir sind noch lange nicht beim Normalbetrieb.”
Das Publikum des Festivals ist mittlerweile deutlich jünger. Besonders im letzten Jahr sind Besucher:innen der von vor der Pandemie weggebrochen, die deutlich zahlungskräftiger waren. Das hängt nicht zuletzt mit dem veränderten Line-up zusammen. „Wir wollen ein bisschen spitzer werden und mehr in Richtung Gen Z gehen.”
Für die kommende Festivalausgabe hat sich erstmals die Möglichkeit eröffnet, Förderanträge zu stellen. Das wirft die Frage auf, welche Ideen sowohl für die Festivalorganisator:innen als auch für die Besucher:innen von Nutzen sein könnten. Hierbei soll die Möglichkeit im Vordergrund stehen, Besucher:innen stärker in das Festivalgeschehen einzubinden. „Ich habe noch nie so viele kreative Menschen wie auf dem MELT gesehen”, sagt Czok begeistert. So gibt es zum Beispiel die Möglichkeit für Besucher:innen, Kunstwerke für einzelne Bühnen zu kreieren.
Trotz der Krisenzeit zeigt sich Czok sehr zufrieden mit dem vergangenen Festival. Gerade die Umstrukturierung scheint einen deutlich positiven Einfluss auf das Festival zu haben. Den Aufwärtstrend wolle man verstärken und noch mehr auf die Außenwirkung achten. Besonders die enge Zusammenarbeit mit den Künstler:innen sei da wichtig. In Bezug auf das neue Konzept wird im kommenden Jahr die dritte Ausgabe mit dem neuen Ansatz verfolgt. „Wir haben das Gefühl, dass die neue Generation das Konzept verstanden und angenommen hat. Es war spürbar, dass das Festivalgelände lebendiger war.”
Kapitel 3: Nature One – „Die Kostenkurve geht in allen Bereichen nach oben”
Im letzten Teil der Reportage erfahrt ihr von Oliver Vordemvenne und Sebastian Gnewkow von der Nature One unter anderem, wie ein Festival mit etwa 60.000 Besucher:innen mit der Kostensteigerung umgeht, wie sich die Begeisterungsfähigkeit des Publikums in den letzten Jahren entwickelt hat und was in ihren Augen eine wertvolle Festivalerfahrung ausmacht.
Mit Oliver Vordemvenne und Sebastian Gnewkow von der Eventproduktionsfirma I-Motion bin ich auch per Videocall verabredet. Vordemvenne ist der Geschäftsführer, Gnewkow im Booking und Artist-Management tätig. Ihr wichtigstes Projekt ist die Nature One, eines der traditionsreichsten und größten Festivals für elektronische Musik weltweit. 1995 fand sie zum ersten Mal statt, seitdem lockt das Festival jährlich etwa 60.000 Besucher:innen auf die ehemalige Raketenbasis Pydna im Hunsrück zu einem breiten Techno- und Trance-Programm, das sämtliche Feier-Generationen zusammenbringt.
2020 und 2021 musste das Festival aufgrund der Pandemie ausfallen. 2022 konnte es wieder stattfinden, aber die Ausführung war mit massiven Herausforderungen aufgrund von Material- sowie Personalmangel und Kostensteigerungen verbunden, wie beide berichten. „Aber wie man so im Showbusiness sagt: The show must go on”, lächelt Vordemvenne. Auch wenn es sehr auf die Knochen ging, habe am Ende alles halbwegs funktioniert.
Die diesjährige Ausgabe ist dahingehend deutlich besser gelaufen. „Wir sind auf dem Weg zur Normalisierung”, sagen beide. Wenn man Gewerke oder Materialien angefragt hat, meldete sich auch tatsächlich jemand zurück, und wenn Personal akquiriert wurde, kamen tatsächlich auch Leute, wie Vordemvenne ausführt. Das hatte im Jahr zuvor nur bedingt funktioniert.
Ein Thema ist aber geblieben: die enorme Kostensteigerung. Das sei besonders für ein Festival dieser Größe ein massives Problem. In diesem Jahr war ein geringer Rückgang der Preissteigerung zu verzeichnen – statt einer Steigerung von 30 Prozent wie im letzten Jahr waren nun nur noch 25 Prozent. Das führt oft dennoch zu Problemen.
„Mittlerweile kommen wir in einen Bereich, in dem man sich überlegen muss, ob das wirtschaftlich noch Sinn ergibt.”
Oliver Vordemvenne (Nature One)
Besonders auf dem Rücken der Besucher:innen könne man die wirtschaftlichen Probleme nicht austragen. „Wir können die Eintrittspreise nicht in dem Ausmaß erhöhen, wie alles teurer geworden ist.” Das geht wiederum zulasten der Marge des Veranstalters, der mit dem Gewinn die Zukunft seines Unternehmens sichern muss. Die Marge sei vorher schon nicht hoch gewesen, erklären die beiden. Aber mittlerweile komme man selbst bei einem Festival, das 50.000 bis 60.000 Tickets verkauft, in einen Bereich, in dem man sich überlegen muss, ob das wirtschaftlich noch Sinn ergibt.
Als weitere Herausforderung kommen enorme Steigerungen bei den Gagenvorstellungen dazu. Dann stellt sich die Frage, ob man bei den aufgerufenen Preisen mitgehen kann oder stattdessen – ähnlich wie beim MELT – auf alternative Künstler:innen setzt, erklärt Gnewkow. Teilweise seien die aufgerufenen Preise so absurd, dass sich nicht mal mehr die Verhandlung lohnen würde. Das sei aber kein Problem der letzten Jahre, sondern eher ein Produkt der Globalisierung. Und auch die Themen Nachhaltigkeit sowie Sicherheitskonzeption brennen natürlich unter den Nägeln der Veranstaltenden. Ein Festival kann als Vorreiter dienen und der Gesellschaft zeigen, wie man es machen kann. Aber stetig wachsende behördenseitige Anforderungen, die teilweise nicht in Relation zu den Möglichkeiten stehen, lassen an finanzielle Grenzen stoßen. „In allen Bereichen geht die Kostenkurve nach oben”, resümiert Vordemvenne.
Wie schafft es das Festival, sich trotz Kostensteigerungen im Millionenbereich zu finanzieren? Obwohl das Sponsoring ein Faktor ist, sind die Ticketverkäufe dennoch die wichtigste Währung, sagen Vordemvenne und Gnewkow. Die Auswirkungen auf die Besucher:innen mit Blick auf die Begeisterungsfähigkeit und Kaufbereitschaft nehmen die beiden unterschiedlich wahr. Zwei Tendenzen zeichnen sich allerdings klar ab: Einerseits werden die Tickets wesentlich kurzfristiger verkauft. Das Publikum lässt sich mehr Zeit mit der Entscheidung, ob und welches Festival man besuchen wolle. Zu verzeichnen ist zudem, dass einige angesichts der gestiegenen Preise komplett auf einen Besuch der Nature One verzichten. Auf der anderen Seite spüre man besonders bei der jüngeren Generation einen riesigen Nachholbedarf und einen Aufschwung bei Festivalbesuchen. Krisenzeiten sind auch immer Zeiten, in denen Menschen für Erlebnisse Geld ausgeben – ganz im Sinne des Eskapismus. „Glücklicherweise halten sich beide Entwicklungen die Waage”, hält Vordemvenne fest.
Trotz extremer Herausforderungen wissen die beiden die Einzigartigkeit ihres Arbeitsumfeldes zu schätzen. „Die Festivalbranche ist keine Branche wie andere. Wir erreichen Leute, die von der Politik schon lange nicht mehr erreicht werden”, geben sie zu bedenken. Festivals ermöglichen es, Menschen aus ihren Blasen herauszuholen und sich in einem emotional positiv aufgeladenen Umfeld zu begegnen. Dieses idealistische Ziel steht über rein wirtschaftlichen Erwägungen. „Das darf man niemals aus dem Fokus verlieren”, schließen beide ihr Jahresresümee ab.