nthng – There Is A Place For Me (Transatlantic)
Quirlige Synth-Arpeggios erklingen, langsam schwellen weiträumige Pads an, die harmonisch durch weitere Pads ergänzt werden. Dazu dann noch ein eingesampeltes Vocal, das „Oh Yeah” schreit, bevor endlich die Kick einsetzt und alles in einem Traumprinz-ähnlichen-Breakbeat mündet. Die Melodien träumen dabei im ersten Track „Unlimited ()” vor sich hin, in einer Welt, in der das Harmonische alles Falschklingende vertreibt – episch, nachdenklich und vielleicht etwas kitschig. So beginnt das vierte Album des niederländischen Produzenten nthng.
Dieser prägt nun schon seit knapp einem Jahrzehnt mit Releases auf Labels wie Lobster Theremin, Delsin und Transatlantic Techno in seinen verschiedenen Spielarten mit. Spannend ist dabei sein eigener Zugang zu Genres und seine Experimentierfreudigkeit, die sich in unterschiedlich klingenden Veröffentlichungen zeigt. Mal Trance, Dub-Techno oder auch Ambient. Dabei ist seine Musik nicht zwangsläufig Tanzmusik, ebenso funktioniert sie als stimmungsmachende Ergänzung im Alltag.
Sein nun erschienenes Album There Is A Place For Me vereint Sounds und Stile, wie man sie sonst eigentlich nur aus der Giegling-Nische kennt. Warum nthng sich gerade jetzt so klar zu diesem Sound bekennt, bleibt offen. Zum Album gibt es weder einen Text, noch äußert er sich in Interviews oder auf Social Media dazu. Musikalisch pendeln die Stücke irgendwo zwischen Downtempo, Dub oder Ambient.
nthngs Musik eignet sich oft, um die Wochenmelancholie musikalisch zu unterlegen, als musikalischer Begleiter für den Alltag oder für entspannte Wochenabende im Park, wo Musik auf der mitgebrachten Bluetooth-Box erklingt. Denn Musikalisch will NTHNG auch zeigen, dass die Kick nicht immer perfekt für den Club ausproduziert sein muss.
Zu den Highlights in seiner Karriere gehört mit Sicherheit sein meistgestreamter Track „1996”, der irgendwo zwischen House und Techno einzuordnen ist: Während eine tiefe und volle Kick das Low-End beschlagnahmt, vollenden sphärische Pads und gepitchte Vocal-Samples das Klangbild. Aus seinem Werk stechen ebenso der Ambient-Track „With You”, die Trance-EP The Traveller oder die 2022 veröffentlichte EP Earthseed heraus.
Das ist vielleicht gerade das Spannende an dieser Musik: Dass sie in diesem Zwischenraum, der keine Party ist, stattfindet.
Auf There Is A Place For Me starten die ersten vier Stücke euphorisch und melodiös, mit Ausnahme von „Memories”. Hingegen wirkt der fünfte Track „Tryot” viel verhaltener. Über sanfte Pads spielt feinfühlig ein Lo-Fi-Hip-Hop-Beat knapp unter der 100-BPM-Grenze. Dazu erklingt ein gesampeltes House-Vocal. Das Herzstück des Albums wirkt in sich gekehrt und öffnet den Raum zur Ruhe und Introspektion. Ebenso introspektiv ist auch der Ambient-Track „Wordless Mass”, auf dem Field-Recordings dumpf vor sich hinsummen und nicht verständliche Stimmen erklingen, die spirituell-anmutende Klänge ergänzen und langsam anschwellende Flächen untermalen. Sie lassen träumen, helfen beim Transzendieren.
Auf „Stabilize” hingegen trällern die Dub-Sounds, unterlegt mit einer wuchtigen Kick mit breakigem Rhythmus. Einen schönen Abschluss bildet der Titeltrack. Orgelsounds schwelgen, ein Breakbeat gibt den Takt vor und House-Samples stimmen mit – bis sich schließlich die Klänge auflösen – und das Album ausklingt.
Jede:r kann einen ganz eigenen Zugang zu nthngs Werk finden – man muss sich nur darauf einlassen und der Musik Zeit und Raum fernab des Rave-Kontextes geben. Die Schnittstellen wird man immer finden, und das ist vielleicht gerade das Spannende an dieser Musik: Dass sie in diesem Zwischenraum, der keine Party ist, stattfindet. Wer sich hingegen mehr für die Party als das Davor oder Danach interessiert, sollte sich vielleicht nthngs Alias Trancemaster zuwenden.