Loveshadow – SWAYMIX004 (SWAY)
Loveshadow klingt nach süßem Negroni, Discokugel-Funkeln und feinem Zigarettenrauch – am ehesten der von Vogues. Kein Wunder, dass das Duo aus San Francisco lieber das Ambiente von Jazz-Bars und Weintheken bespielt als die dunklen Katakomben der Clublandschaft. Hinter Loveshadow stecken Anya und Izaak, die sich 2016 während der Arbeit in einem Café kennenlernten. Ein im Radio laufender Track der Achtziger-Soul-Band Aurra ließ die beiden Kolleg:innen werden.
Mit diesem Mix beehrt das Duo die Neuköllner Bar SWAY und unterhält mit loungigen Melodien. Es ist die vierte Mix-Ausgabe des Berliner Lokals in der Pannierstraße.
Hin und wieder schmeicheln sich französische und italienische Vocals an milde Beats. Saxofon- und Piano-Akkorde werden mit Synthesizern vermengt. Manchmal knistern Platten im zweistündigen Mix. Loveshadow köcheln ein Set, das wahrscheinlich am besten in angeduselter Gesellschaft in die Ohren geht. Wencke Riede
nd_baumecker b2b Francesco Menduni – Tutto Va Bene in Dietzenbach
Francesco Menduni und nd_baumecker kennen sich aus dem Offenbacher Plattenladen Delirium. In diesem arbeitete Baumecker in den Neunzigern. Menduni pflegte die Gewohnheit, nach einer durchfeierten Nacht vorbeizukommen, um sich die neuesten Platten zeigen zu lassen. Seitdem sind die beiden Freunde. Sie spielen sich bis heute Platten vor. Aufgenommen wurde das aktuelle b2b an einem Sonntagabend in Dietzenbach.
Die beiden steigen mit dem Track „Did This” von Dino Lenny ein, dessen treibende Hi-Hats direkt motivieren. Kurz machen clever im Takt platzierte Piano-Chords und Vocal-Samples klar, was zu erwarten ist: klassischer House, wie man ihn sich auf einer Festivalbühne zum Sonnenaufgang erhofft. Nach drei Stunden Melancholie kommt der Mix mit Jessie Wares „Free Yourself (Melanie C Remix)” zu einem fulminanten Ende. Wer es bis hier geschafft hat, darf jetzt zu der unfehlbaren Kombination aus Piano, Breaks, Vocals und einer Acid-Line die Hände in die Höhe werfen.
Stilsicherer Mix im Bereich angenehmer, geradliniger Housemusik, optimaler Warmup-Mix für die nächste Pre-Hour. Bastian Kunau
Nexcyia – FACT Mix 892 (FACT)
Adam Dove ist ein Künstler mit afroamerikanischen und französischen Wurzeln, der vorrangig ambiente, der Witz sei gestattet, vielschichtige Musik produziert. Anknüpfungspunkte an Sounddesignsphären sind vorhanden, ebenso perkussive Einsprengsel wie auf seiner aktuellen Single „Hydro”. Deren Name in Tateinheit mit Doves Alias referenzieren das wohl einflussreichste Electro-Duo mehr als offen, Nexcyias musikalische Vision wabert aber deutlich weiter vom Dancefloor entfernt in subaquatischen wie luftleeren Räumen umher.
Sein über 100-minütiger Mix fürs FACT Mag verklanglicht Doves bewegtes Jahr auf subtile, zärtliche Weise. Feinsinnige Übergänge, die kaum als solche wahrnehmbar sind, wie der von Xenia Reapers „Stereo Dipole” zu crimeboys’ „deja entendu (dub)” prägen die Hörerfahrung. Tiefes Subbassgrollen, das, dem Künstlernamen geschuldet, an Drexciyas „Astronomical Guidepost” denken lässt, bleibt ein Ankerpunkt.
Ein Ambient-Set also, das nicht nur mit ausladenden Flächen, bizarren Vocals und absurder Schönheit punktet, sondern auch an seinem unteren Ende einiges zu bieten hat. Maximilian Fritz
United in Flames with Torus & Malibu – NTS
Am dritten Donnerstag im Monat sag’ ich alle Termine ab. Malibu spielt auf NTS ihre Lieblingslieder, das erfordert Vorbereitungszeit. Am besten im Bett, unter einer dicken Decke, mit drei Benzos zum Kuscheln! Bevor hier jemand die Sittenpolizei alarmiert: Malibu klingt zwar nach Xex on the Beach, ist aber so etwas wie die Heilige Madonna der elektronischen Musik – und das ganz ohne Christusstatuen-Moves! Wieso? Sie spielt Mukke, die zum Glauben führt.
Dass man nach derlei baptistischen Läuterungen keine Bibelverse rezitiert, hängt nur damit zusammen, dass rastlose Raver den eigentlichen Heiland längst im Club gefunden haben. Dorthin beamt uns Malibu mit ihrem Spezl, Torus aus Den Haag, zurück. Die Beats mögen fehlen, das Feeling bleibt. Wenn Engelchen aus dem Himmel steigen und der Ambient-Allmächtige in Trance versetzt, ist alles gut. Nach einer Stunde schmiert man sich ein Kreuzerl auf die Stirn und glaubt nur noch an Chemie. Christoph Benkeser
Rey Colino – The Sizeable Mix Vol. 1 (The Sizeable Mix)
Kaum ein Label war 2022 so unersetzlich wie Kalahari Oyster Cult. Nach dessen Gründung 2017 stand es für einen nerdigen Sound zwischen Bass Music, Trance-Revival und Detroit-Sound, im vergangenen Jahr dominierte es mit Maxis von Fantastic Man oder Maara die Dancefloors.
Nun liefert Labelmacher Rey Colino einen Ausblick auf Veröffentlichungen der nächsten Zeit. Von wem die so entschiedenen wie poetischen Breakbeat-Gebilde stammen, verrät nur der ein oder andere Soundcloud-Kommentar. Colino startet mit kristallklaren Flächen aus der Traumwelt zwischen Detroit und Trance. Nach einem überraschenden Schlenker ins Rap-Genre wird er mit jedem Track geradliniger. Asphalt DJ & Gzardin integrieren ravige Entgrenzung in einen gebündelten Groove mit einem Rest von housiger Emotionalität. Mit jedem Track steigert Colino die Energie des Sets, ohne in einen Tunnelblick zu geraten. Immer beweist er Gespür für ungewöhnliche Klangkonstellationen und die bisweilen eigenwilligen Stimmungen, die sie für kurze Momente erzeugen. Insofern kann man sich nur D. Tiffany anschließen, die in den letzten Minuten des Sets kommentiert: „Loved all of it!” Alexis Waltz