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Die Platten der Woche mit 96 Back, Identified Patient, JakoJako, Maroki und Quiem

96 Back – Crass EP (Aus Music)

Dass jemand auf einem bestimmten Label veröffentlicht, ist nicht unbedingt entscheidend für eine Platte. Doch dass Evan Majumdar-Swift alias 96 Back jetzt, nach vielen Titeln auf Central Processing Unit und Local Action, seine jüngste EP bei Aus Music herausbringt, ist trotzdem eine schöne Zusammenkunft. Zum einen, weil 96 Back sich auch auf Will Sauls Label als Weiterdenker von Clubmusik zu erkennen gibt. Und zum anderen, weil es für Aus Music ein weiterer Beleg der Offenheit dieser verdienten Adresse ist.

„Crass” bringt heftige Grime-Verdrehungen mit dem für 96 Back typischen zusätzlichen Verschraubungsfaktor. „Syrup“ geht seine Kreiseleien dagegen etwas ruhiger und mit stärker dosiertem Beat an, zielt aber ebenso entschieden auf die Hirnwindungen. Bei „Tab Play” dreht sich das aufgekratzte Spiel um höhenlastige Obertöne digitaler Art, und „Hoss It” schert trotz gerader Bassdrum als Basis in die verschiedensten Richtungen aus. Krass, und wie. Tim Caspar Boehme

Hörbeispiele findet ihr in den einschlägigen Stores.

Identified Patient – Elevator Music for Headbangers (Nerve Collect)

Du steigst in den Aufzug. Du drückst die Zwei. Die Türen schließen sich. Plötzlich fällt das Licht aus, alles ist finster. Über dir beginnt es zu rauschen. Von der Seite pressen sich Bässe in deinen Bauch. Langsam checkst du: Das ist kein Aufzug, das ist nicht normal! Du hämmerst auf den Notrufschalter, am anderen Ende meldet sich: Identified Patient.

Der Tulpen-DJ und Windmühlen-Producer hat mit Elevator Music For Headbangers einen Ausraster-Vorschlag für den wohltemperierten Wandtapeten-Wurlitzer abgeliefert. Sechs Bänger schreien nach Werktags-Eskapaden auf dem Weg in den 38. Stock! Stehst du auf den Rumble, den Doc Scott Mitte der Neunziger durch den Jungle jagte – treat your nasty habit!

„Walk With Me” ist die Ed-Rush-geprüfte Industrielauge unter den musikgewordenen Energydrinks. Bei „You Are The Loop” drückt der Dickdarm fünf Minuten länger. Weil „The Fun Never Stops”, eskaliert man zum „Dead Demo” und wobblet über den Aufzugboden wie ein verzweifelter Fisch auf dem Festland. Dazu klaustrophobieren MF-Doom-Gedächtnissamples bis zum Nervenzusammenbruch. Am Ende kauert man in der Ecke und wartet. Und hofft. Und weint. Bis man sich schwört, nie mehr Ketamin zu konsumieren! Christoph Benkeser

JakoJako – Verve EP (Mute)

Auf ihrem Mute-Debüt präsentiert die Berlinerin Sibel Jacqueline Koçer alias JakoJako eigentlich nur Techno. Das machen viele, und das ist allein nicht deshalb speziell, weil sie eine Meisterin am Modularsynthesizer ist. Auch ist ihr Techno herkömmlich, aber dennoch genuin. Er hat mehr Ambient. Mehr musikalische Tiefe. In ihm wachsen Songs, obwohl sie gar nicht ausgespielt werden. Er hat eine gewisse Verve, vor allem in seiner bezaubernden Dynamik, seinen Melodien und Sounds. Rhythmisch ist das mal nah, mal fernab einer normalen, soliden Technotrack-Architektur.

Aber die verwendeten Signale – Acid-Tupfer, Detroit-Strings, Dub-Chords, Trance-Arpeggios – lassen trotz offener Herangehensweise am Ende nur Techno als Gerne zu. Allerdings einer, der neu klingt. In dem irgendwie ein echtes und kein Maschinenherz schlägt. Er will in dunkle Räume. Aber nicht allein, um Menschen tanzen zu lassen. Er evoziert ebenso Bilder, die jenseits der Schwarz-Weiß-Welten des Hightech-Nightlife eine romantische Utopie heraufbeschwören, in der sich Exzess wieder in eine wirklich heilsame Entität verwandelt. Michael Leuffen

Hörbeispiele findet ihr in den einschlägigen Stores.

Maroki – Coldred EP (Flippen Bits)

Flippen Bits, der neue Ableger des Amsterdamer Labels Flippen Discs, feiert seinen Einstand und liefert auf der ersten Veröffentlichung viermal lupenreine Bassmusik von DJ und Produzent Maroki. Während das Mutter-Imprint eher für experimentellere Klänge steht, soll das Sublabel heiße Ware für alle Selekteur:innen liefern und allgemein Dancefloor-orientierter ausgerichtet sein.

So finden sich auf der A-Seite atmosphärische Breaks mit leichten Acid-Einflüssen und wabernden Arpeggios, die klarmachen, wohin die Reise geht. Auf der B-Seite formiert sich Maroki dann gemeinsam mit Coralie zum Duo MXC und taucht in dunklere Gefilde ab. Die Basslines wummern bedrohlich im Hintergrund, die Synths reduzieren sich aufs Wesentliche und gelegentlich kommen Dub-Assoziationen auf. Eine mehr als gelungene erste Katalog-Nummer, die sowohl auf als auch abseits der Tanzfläche funktioniert. Till Kanis

Quiem – The Sentimental Swordsman (Shaw Cuts)

Naturnachahmende Klänge, angeordnet um das Thema Elemente, also Wärme (Feuer), Wasser, Luft, Erde. Die versammelt Quiem auf The Sentimental Swordsman zu einer Ambient-EP.

Anfangs klingt es wie das Schlagen von Wellen auf einen Bug, und zwar unter Wasser gehört. Dann wandert Farron, der hinter dem Pseudonym Quiem steht und von München aus das Label Shaw Cuts betreibt, weiter zu einem Heißwassergeysir, der gezähmt scheint und die Sounds eines Stadtparkbrunnens von sich gibt. Die Immersion, das Reinziehen in diese auditive Fiktion, ist da schon passiert.

„You Looked So Pretty On My Balcony” akzentuiert mit klassischem Schlagwerk ein Abtasten des zuvor eingeführten Schiffbugs. „Your Singular Courage” bringt zärtliches Melos, eine Textur aus mittigen Blubberblasen, als Fortführung des im Titel genannten ergreifenden Momentes. Auf der B-Seite bleibt dieses beinahe Liebliche zunächst bestimmend. Auf „On My Mother’s Birthday” aber dominieren wieder die Bass- und Subbass-Freuquenzen einen nurmehr abstrakten Verlauf, der so klingt wie Lava, wenn sie schon ein paar Sekunden im Meer gelegen hat. Am Britzeln. Immer noch gut heiß. Mit „Trauma And Its Glutches” geht schließlich alles hinab in einen tiefen, tiefen Meeresgraben. Irgendwo blinzelt das Echolot, unsichtbare Fische und merkwürdige Wesen huschen ab und auf in der Dunkelheit. Super gelungene Soundlandschaft-EP, von einem, der auch hartes Brett kann. Christoph Braun

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