2007, in dem Jahr, in dem dieser Chart entstanden ist, befand sich Jerome Sydenham auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Der Weg des gebürtig aus Ibadan in Nigeria stammenden Sydenham führt ihn zuerst nach New York, wo er in den Achtzigern als A&R für Atlantic Records Musiker:innen wie En Vogue, Ten City oder Simply Red unter Vertrag nimmt. Dann packt Sydenham im Laufe der Neunziger das Fieber der aufkommenden elektronischen Tanzmusik. Mit einer gehörigen Portion New Yorker Deep-House im Blut siedelt er nach Berlin, in das Herz des Technos. Ibadan, seine Geburtsstadt, wird zur Jahrtausendwende Namensgeber von Sydenhams erstem eigenen Label und er selbst die Galionsfigur einer neuen Spielart elektronischer Musik: des Tech-House. Sydenham ist extrem betriebsam: Neben Ibadan ist er Betreiber diverser Sublabels wie Apotek, er tourt als DJ durch die Welt, als Produzent ist er Bindeglied zwischen Genres und Figuren der damaligen Szene.
2011 trifft der Autor dieser Charts From The Past zusammen mit zwei Freund:innen in einer eisigen Berliner Winternacht beim Wegtrotten vom Eingang des Berghains einen Mann von keiner besonderen körperlichen Statur, aber großer mentaler Strahlkraft. Wir waren als naive Kleinstädter zum ersten Mal dem Ruf der sagenumwobenen Betonfestung gefolgt. Konsequenterweise wurde uns – „Die sind mir zu jung” – der Zugang verwehrt. An den Taxen angelangt steigt ein Mann – alleine und ganz in Weiß gekleidet – aus dem Taxi und fragt auf Englisch: „Hey guys, where are you going?” Wir erzählen, bedröppelt und etwas misstrauisch, dem Fremden von der Schmach. Dieser lächelt nur beständig und sagt schließlich: „No problem. Come with me, trust me. I am the Angel of Berghain.” Trotz zittrigen Beinen: Gesagt, getan. Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Erst am nächsten Tag – und in Folge der vielleicht schönsten, auf jeden Fall der erzählenswertesten Berghain-Nacht – finden wir heraus, wer dieser Engel denn nun eigentlich wirklich war, dessen Spur sich bald nach Betreten des Clubs verloren hatte. Danke an dieser Stelle noch einmal, Jerome!
Jerome Sydenhams Charts aus dem Jahr 2007 sind eine Besonderheit, denn: Wie bekannt ist, kommen, gehen und wiederholen sich Moden, besonders in der Sphäre elektronischer Musik. Aber dieser Blueprint aus minimaleskem, subtil groovigem, aber noch überhaupt nicht nach Industrial klingendem Techno – ein Ur-Tech-House also vielleicht –, der hat derzeit (noch) keine erneute Konjunktur. Sollte er irgendwann wieder zurückkommen, dann hoffentlich so gut wie er damals bei Jerome Sydenham klang.