Pharoah Sanders ist am Samstag in Los Angeles im Alter von 81 Jahren verstorben. Der Tenorsaxofonist hat Jazzgeschichte geschrieben: In der Mitte der 1960er Jahre hat er das Spätwerk von John Coltrane beeinflusst. Nach dessen Tod entwickelte er eine Spiritual Jazz genannte Ausprägung des Free Jazz mit. Seine letzte Veröffentlichung ist eine Kollaboration mit House-Producer Floating Points und dem London Symphony Orchestra.
Prägend für alle Phasen seines Werks ist sein entgrenztes Saxofonspiel. Durch seine bisweilen kreischende Spielweise konnte er auf dem Instrument mehrere Töne gleichzeitig erzeugen, die entrückten, sphärischen Klängen eine drastische physische Präsenz entgegensetzten.
Pharoah Sanders wurde am 13. Oktober 1940 in Little Rock, Arkansas als Ferell Sanders geboren. Seine Mutter kochte in einer Schule, sein Vater war bei der Stadt angestellt. Sanders spielte zunächst Schlagzeug, dann Klarinette, dann Tenorsaxofon. Zum ersten Mal trat er in einer Kirche auf.
Anfang der 1960er Jahre zog Sanders nach Oakland und trat in den Clubs der San Francisco Bay Area auf. Bisweilen musste er sich aufgrund der Rassentrennung hinter einem Vorhang verstecken. Wenig später zog er nach New York. Mehrere Jahre schlug er sich mit Hifsarbeiten durch, zeitweilig war er obdachlos. 1964 lernte er Sun Ra kennen und trat mit ihm auf. Der ikonische Free-Jazz-Musiker riet ihm, sich Pharoah Sanders zu nennen.
Mit John Coltrane wurde der prägende Jazz-Saxofonist seiner Zeit auf Sanders aufmerksam und lud den völlig unbekannten Musiker ein, sich an Konzerten und Albumproduktionen zu beteiligen – vielleicht, weil ihn das ungestüme, entgrenzte Spiel des Musikers inspirierte, der eine Generation jünger war als er.
Nach Coltranes Tod 1967 arbeitete Sanders mit dessen Ehefrau Alice zusammen und gründete verschiedene eigene Gruppen. Mit Karma, Jewels of Thought, Deaf Dumb Blind (Summun Bukmun Umyun), Thembi und Black Unity veröffentlichte er zwischen 1969 und 1971 fünf Aufsehen erregende Alben, auf denen er sein Saxofonspiel ausreizte und sich diversen musikalischen Einflüssen öffnete, die von Afrika nach Indien und in die Karibik reichten und eine Auseinandersetzung mit Islam und Buddhismus einschlossen.
Auf dem Album Karma ist sein wahrscheinlich bekanntestes Stück enthalten, das halbstündige „The Creator has a Master Plan”, das auch durch das Jodeln des Stimmkünstlers Leon Thomas heraussticht.
In den 1970er und 1980er Jahren wandte sich Sanders konventionelleren Formen des Jazz zu, in den 1990ern nahm er verschiedene Alben mit Starproduzent Bill Laswell auf. Sanders klagte in diesem Zusammenhang über die Zusammenarbeit mit dem Majorlabel Verve und bedauerte, dass kaum jemand seine Musik veröffentlichen wolle. Sein letztes Album ist die 2020 entstandene Kollaboration mit dem London Symphony Orchestra und Floating Points, die nach einer 20-jährigen Auszeit im letzten Jahr auf dessen Label Luaka Bob erschien.
Er habe nie aufgehört zu arbeiten, erklärte der 79-jährige Sanders in einem seltenen Interview mit dem New Yorker im Jahr 2020. Bis zuletzt sei er ein Musiker geblieben, der sich seinen Lebensunterhalt verdienen muss.