Jacques Bon & Drux – A Long Way (Smallville)
Das Bild ist ein geläufiges. Der lange Weg, die Mühen der Ebene, der Marsch durch die Institutionen – stets verweist die Metapher, neben anderen, durchaus unterschiedlichen Bedeutungsebenen, auch auf eine Form von Beharrlichkeit. „Geduld und Selbstvertrauen” verbindet Jacques Bon mit dem Titel des Debütalbums mit dem Producer Vincent Drux.
Zentraler Stellenwert kommt den Hallraum-Effekten zu – Dub Techno und Minimal House markieren den gemeinsamen Ausgangspunkt der Wegstrecke.
Als erstes Zeichen dieser Zusammenarbeit erschien vor ziemlich genau zwei Jahren „Fading Sail” auf der Compilation Dial 2020. Das in diesem Acid-Not-Acid-Track angerissene Insistieren darauf, dass Minimal House noch nicht auserzählt ist, wird mit A Long Way auf Albenlänge ausformuliert.
Zentraler Stellenwert kommt den Hallraum-Effekten zu – Dub Techno und Minimal House markieren den gemeinsamen Ausgangspunkt der Wegstrecke. Nimmt man die acht Tracks als Etappen – dafür spricht, dass „Distant Voices”, laut Bon vor zwei Jahren als erstes Stück des Albums entstanden, dieses eröffnet –, lässt sich am ehesten so etwas wie eine Entwicklung in Richtung zunehmender Gelassenheit und Selbstverständlichkeit ausmachen. Allen Stücken gemeinsam ist ein gewisser Ambient-Charakter im Sinne einer Tendenz zu Synthesizerklanglandschaften mit weiten, tiefen Horizonten und perkussiven Sounds aus dem New-Age-Vokabular. Das kommt nicht von ungefähr: „Wir wollten damit auch an der Idee des Reisens selbst festhalten, auch und gerade dann, wenn man während einer Pandemie in seinem Studio festsitzt”, so Bon.
Das liegt im Herzen von Paris und besitzt für den 39-Jährigen eine besondere Bedeutung: Mehr als 15 Jahre hat er in dem Plattenladen gearbeitet, der sich hier unter dem Namen Daphonics befunden hat. Gegründet aus der Mitte der Szene um Katapult und Karat heraus, wurde der Store in der vergangenen Dekade als Dependance der Hamburger Elektronik-Institution Smallville betrieben. Zeitweilig war hier auch das Kill-the-DJ-Büro untergebracht: „ein ziemlich historischer Ort für elektronische Musik in Paris”, sagt Bon und fügt hinzu, dass sich der Titel A Long Way für seine Person auch auf diese Geschichte bezogen verstehen lasse.
Kein mutwilliger Novelty-Gestus trübt die Gewässer dieser Reise, nirgends.
Auf Smallville hat Bon, der 1997 mit Daft Punk auf Labels wie Versatile oder Basenotic aufmerksam wurde und Luke Slaters Freek Funk noch immer hin und wieder auflegt, auch seine ersten Schritte als Producer unternommen, zunächst noch im Duo mit Christopher Rau. Mule Musiq, Beats In Space, Live at Robert Johnson, Kann, Permanent Vacation, Giegling, Hippie Dance – mit kaum mehr als einer Handvoll EPs und Compiation-Beiträgen, allerdings ausnahmslos auf erstrangig renommierten Labels, ist der französische Produzent während des vergangenen Jahrzehnts aktenkundig geworden.
Der ein Jahr jüngere Vincent Drux ist ausgebildeter Toningenieur und 1998 erstmals mit House in Berührung gekommen – ein Freund hatte Platten aus Manchester mitgebracht. Als DJ seit 2010 in Paris unterwegs, hat Drux Remixe auf Turbo, Resiste und STÓLAR beigesteuert und 2021 mit Cabale Records auch ein eigenes Imprint an den Start gebracht.
Die Duokonstellation produziert hörbare Synergien. Der Opener etwa klingt wie eine Fiktion, in der Larry Heard mit Luomo eine Nu-Groove-Platte mit leichtem UK-Jungle-Flavour produziert hat. Tracks wie „Celeste”, „Mirage” und „Radiance” manifestieren die Techno-Schnittmenge. Frühlingshaft dagegen „Space Ways”, mit Dancefloor-Energie gespeist dann „Your Wings”. Als deepes Meisterwerk bleibt zum Ausklang „Sandstorm” im Ohr.
Bei alldem ist A Long Way wohltuend unspektakulär ausgefallen: Kein mutwilliger Novelty-Gestus trübt die Gewässer dieser Reise, nirgends. Das wundervolle Aquarell-Artwork von Stefan Marx ist eine kongeniale Visualisierung des unaufgeregten Farbenreichtums dieser Musik. Harry Schmidt