Foto: Presse (Mariami)
„Auf die Residents kann man sich verlassen, persönlich und inhaltlich. Sie kennen den Club, die Gäste, die Anlage, und sie sind ein Grundpfeiler der musikalischen Identität eines Clubs, also ebenso wichtig wie die Architektur, der Raumklang oder die Gestaltung“, sagte einst Nick Höppner in der Groove. Mit unserem monatlichen Resident Podcast wollen wir ihnen den gebührenden Respekt zukommen lassen.
Kaum zu glauben, aber es gibt sie noch: die guten Nachrichten. In den vergangenen Monaten eröffneten gleich mehrere Clubs, nicht wenige von ihnen in Städten, die sonst eher als weiße Flecken auf der Dance-Music-Weltkarte wahrgenommen werden. Der neue Hannoveraner Club Weltspiele ist ambitioniert und umfasst neben einem ausgezeichneten Programm auch eine Bar, einen Radio-Sender sowie einen Plattenladen. Und obwohl der Name der Rave-Geschichte der niedersächsischen Landeshauptstadt Tribut zollt, ist das Team darum ein blutjunges: Neben Vril und His Master’s Voice gehören auch Lennart Wiehe, Coco Cobra und Mariami zu den Residents.
Wer insbesondere die letztgenannte DJ sucht, wird allerdings kaum fündig. Die Georgierin ist bisher kaum als DJ in Erscheinung getreten, doch macht ihr Beitrag zu unserem Resident Podcast klar, dass von ihr noch viel zu erwarten sein wird – vor allem in stilistischer Hinsicht. Über knappe 50 Minuten spannt sie ein breites musikalisches Panorama auf, das neben Jungle-Vibes und vertrackten Rhythmen auch poppige Momente enthält. Es klingt ein bisschen nach Zukunft – so, wie so ein neuer Club und seine Residents es auch tun sollten.
Du kommst ursprünglich aus Georgien. Was hat dich nach Hannover gebracht?
Georgien ist ein armes Land, in dem der Gesundheit und dem Wohl der Menschen keine Unterstützung zukommt. Wegen der Krankheit meines Vaters mussten wir also woanders hin. Dann also musste ich mich von der Schule, meinen Freund*innen und dem Haus, in dem ich aufgezogen wurde, trennen und kam nach Deutschland.
Wie bist du zum Auflegen gekommen und wie hast du Anschluss zur lokalen Szene gefunden?
Ich erinnere mich daran, dass mein Vater in Tbilisi ein paar Platten zu Hause hatte, die ich mir gerne angehört habe. So wurde Musik zu einem wichtigen Teil meines Lebens. Als wir umgezogen sind, hat sich mein Leben von Grund auf verändert. Auf eine Art und Weise hat mir Musik eine Ausflucht geboten und ich habe damit begonnen, mit dem Produzieren zu experimentieren. Die Musik hat mich aufgesogen. Es war eine der intensivsten Phasen meines Lebens, weil ich angestrengt versucht habe, mich selbst und meinen inneren Frieden zu finden. Musik hat mir dabei geholfen, mit ein paar kniffeligen Gefühlen klarzukommen. Als ich in Köln lebte, lernte ich ein paar Musikliebhaber*innen kennen und wir freundeten uns an. Ich bin viel zu Partys gegangen und mache das immer noch. So habe ich Anschluss zur Szene gefunden. Beim Tanzen habe ich den DJs immer auch über die Schulter geschaut, weil mich das alles sehr interessierte. Dann habe ich es selbst ausprobiert. Und, ja … bin dabei geblieben.
Wie kam es dazu, dass du bei der Gründung der Weltspiele zur Resident wurdest?
Als ich 19 Jahre alt war, traf ich Florian, His Master’s Voice, im Funkhaus in Berlin. Danach haben wir ständig über Musik und den Sinn des Lebens geplaudert und freundeten uns an. Er war es auch, der mich Lennart vorgestellt hat und so kam alles zusammen.
Du hast bei der Eröffnung des Clubs am 16. Oktober aufgelegt. Wie lief dein Set und der Abend insgesamt?
Ich habe das Closing übernommen, was ziemlich nervenaufreibend war. Ich war ziemlich aufgeregt, weil ich einen meiner ersten Gigs überhaupt dort spielte. Beim Auflegen hatte ich meine Hoch- und Tiefpunkte. Um ehrlich zu sein, ist nicht alles glattgelaufen. Das hat mich zeitweise sehr beunruhigt und meine mangelnde Erfahrung spielte auch eine Rolle darin. Solche Situationen aber helfen mir dabei, mich darin zu verbessern, die Situation einzuschätzen und auf sie zu reagieren. Die wichtigsten Lektionen sind die, die wir in schwierigen Zeiten lernen. Am Ende hatte ich dann die Gelegenheit, ein spontanes B2B mit His Master’s Voice zu spielen, was der wertvollste und denkwürdigste Teil meines Gigs war. Ich glaube, wir waren ein ziemlich unvergessliches Duo.
Ihr verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Zum Club gehört auch ein Radio-Sender, eine Bar sowie ein Plattenladen. Welche Absicht verfolgt ihr damit im Kontext der Hannoveraner Szene?
In Hannover gibt es viele Menschen, die sich sehr für Musik interessieren und für sie einsetzen. In den zurückliegenden Jahren aber fehlte es der Stadt an Orten, wo sich eine Szene treffen, austauschen und weiterbilden hätte können. Das können die Weltspiele hoffentlich durch diesen holistischen Ansatz nun ändern.
Die Freitage werden von lokalen Veranstalter*innen programmiert und auch gehört eine Förderung von Künstler*innenaus der Region zum Programm. Welche Philosophie stehtdahinter?
Wir glauben, dass in einer Stadt wie Hannover ein Club nur dann funktionieren kann, wenn Leute aus der Region daran teilhaben können. Ein gutes Booking oder tolle Headliner*innen allein sind noch kein Grundstein für eine Kultur. Unsere Hoffnung ist es, dass die Kollektive aus der Gegend und der Club gemeinsam wachsen und sich Symbiosen entwickeln, die Hannover und die lokale Szene voranbringen.
Bei der Ankündigung habt ihr auch betont, dass die Weltspiele als Safer Space konzipiert sein sollen. Welche Maßnahmen ergreift ihr dafür?
Wir haben ein Awareness-Team, dass explizit darauf ausgerichtet ist, aus dem Club einen Safer Space zu machen. Das passiert tagtäglich in der konzeptionellen Arbeit, durch weitere Fortbildungen und engem Austausch mit allen Beteiligten, genauso aber auch in den Clubnächten – das Team hat einen deutlich erkennbaren Stand auf jeder Party und ist ebenfalls im Club unterwegs. So wollen wir sicherstellen, dass sich alle Gäst*innen sicher fühlen und der Club diskriminierungssensibel, aufmerksam und nicht aufdringlich ist. Dabei handelt es sich natürlich um einen Prozess, der ständig neu evaluiert und rekalibriert werden muss. Außerdem versuchen wir ein möglichst diverses Booking auf die Beine zu stellen, das so viele Bereiche der Gesellschaft wie möglich repräsentiert.
In musikalischer Hinsicht liegt der Fokus eurer Clubnächte zwar primär auf Techno, ist aber stilistisch ansonsten sehr offen. Wie bereitest du dich selbst auf deine Sets dort vor – versuchst du, einen bestimmten Sound zu etablieren?
Auf eine Art bin ich noch dabei, herauszufinden, welcher Sound mich anzieht, und ich schätze mal, das ist unaufhörlicher Prozess. Welche Musik ich spiele, hängt von meineen Gefühlen, genauso aber auch denen der Crowd um mich herum ab. Vor allem letzteres ist sehr wichtig. Der Gedanke, Musik in Genres aufzuteilen, gefällt mir nicht, denn jedes Stück hat seinen eigenen Wert. In den Clubnächten liegt der Fokus sicherlich auch mal auf Techno, aber ich möchte noch viel mehr musikalische Einflüsse einbringen. So gibt mir Weltspiele die Freiheit, ich selbst zu sein beziehungsweise mein wahres Ich zu finden.
Was war die Idee hinter deinem Beitrag für unseren Resident-Podcast?
Ich habe einen Mix mit Makeln aufgenommen. Etwas, das sehr dynamisch, laut, sanft, bestimmt und unvollkommen ist. Ich nehme mal an, dass ich so versuche, meinen geistigen Zustand zum Ausdruck zu bringen.
Last but not least: Was sind deine Pläne für die Zukunft und was steht im Weltspiele in nächster Zeit an?
Um ehrlich zu sein ist mein Leben immer unvorhersehbar, weil ich stets versuche, mit dem zurechtzukommen, was mir das Leben in der jeweiligen Situation bietet, weshalb meine Zukunft meistens von der Gegenwart abhängt. Ich mache ungern Pläne, was aber nicht heißt, dass ich nicht hart für meinen Erfolg arbeite. Harte Arbeit zahlt sich meiner Meinung nach aus, weshalb ich dem Universum vertraue, was meine Zukunft anbelangt. Aktuell bin ich damit beschäftigt, mich weiterzubilden, zu produzieren und herauszufinden, welche Art Sound am ehesten meinem Gefühl entspricht. Leider ist es derzeit sehr schwierig, über die zukünftigen Pläne des Clubs zu reden, weil Covid-19 nicht aus der Welt geschafft ist. Wir arbeiten aber für Clubnächte im nächsten Jahr, die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kollektiven stattfinden sollen. Was ich jetzt schon verraten kann: Wir planen eine Silvesterparty, die unsere bisher längste sein und 24 Stunden dauern wird.
Stream: Mariami – Groove Resident Podcast 24
01. Jonatan Leandoer 127 & Frederik Valentin – October Poem
02. Ssaliva – Why Me
03. Neggy Gemmy – House Of Trix
04. Skee Mask – Dial 274
05. Otik – Emphasis
06. Alphonse – Glint AM (Dj Normal 4 Vibemix)
07. Marco Lazovic – The Day Whose Was Not
08. Pepe – Guatemala Dreams (Pepe Fruit Of The Loon Remix)
09. Otik – Seasonal FX
10. DreamWeaver – Altered Reality
11. Stenny – Adequate Force
12. Calibre – Barren
13. Sky H1 Ft. Soho – Animal
14. Placid Angles – Beauty Begins With Us (Feat Malibu & Babyblue)
15. Feral – In Flames
16. Crystallmess – Issa Revenge
17. Lokey – Refusal Of The Call
18. Kurama – For Answer