De Schuurman – Nyege Nyege Takeover (Refuge Worldwide)
Beim Den Haager DJ und Producer De Schuurman läuft’s: Im Sommer veröffentlichte er das hyperenergetische Album Bubbling Inside, das Werke aus den letzten 14 Jahren versammelt, zuletzt spielte er auf renommierten Festivals wie dem Unsound und Anfang des Monats lieferte er im Zuge des Nyege-Nyege-Takeovers auf Refuge Worldwide einen der Mixe des Jahres ab. Wer sich wundert, wieso während der knappen Stunde hin und wieder von House Music die Rede ist, obwohl die eiernden Beats, 50-Cent- oder Lil’-Jon-Samples mit konventionellem House wenig zu tun haben: Guillermo Schuurman half vor über einer Dekade entscheidend dabei mit, ein Genre namens Bubbling House aus der Taufe zu heben, das vor allem in der niederländischen Afrodiaspora Hochkonjunktur hatte bzw. hat. In puncto Melodie geht dabei zwischen Piano-House-Anleihen und Trap-Synths so ziemlich alles, den roten Faden bilden eine surreale, beschwörerische Tanzbarkeit und massenhaft Airhorns. Bubble up! Maximilian Fritz
DJ Swisha, AceMo, Kush Jones & MoMa Ready – 11-03-2021 (The Lot Radio)
Wenn ein Line-Up ein b2b-Set mit vier Künstler*innen ankündigt, löst das zunächst Skepsis aus. Zwei Turntables, vier unterschiedliche DJ-Persönlichkeiten – da leidet meist die Struktur des Sets. Ganz anders bei der monatlichen Radio Show von DJ Swisha, Kush Jones, Acemo und Moma Ready. Die beiden ersten haben sich in der New Yorker Szene bereits etabliert und legen regelmäßig in Clubs wie dem Bossa Nova Civic Club oder im Nowadays auf. Acemo und MoMa Ready (als Duo AceMoMa) sind schon international aktiv. Seit 2018 betreiben sie zusammen das Label HAUS OF ALTR, bei dem unter anderem Künstler*innen wie Galcher Lustwerk oder Loraine James veröffentlicht haben. Die vier befreundeten New Yorker treffen sich monatlich beim Lot Radio, um aktuelle Tracks zu tauschen und dabei das eine oder andere Glas Henessy herunterzukippen. New York einen neuen Stempel aufdrücken – das ist die Richtung, in die die vier Künstler schon längst gehen.
Detroit Techno wird mit Chicago House gemischt, UK Jungle mit Hip-Hop-Attitüde. Experimentelle Strukturen, Samples und Basslines kommen hinzu und bilden einen Sound, den man durchaus an anderer Stelle schon mal gehört hat. Man weiß nur nicht genau wo, was die Sache spannend und aufregend macht. Schnelle Übergänge geben in dem fast zweistündigen Set keinen Spielraum für Langeweile oder ruhigere Passagen. Hörgewohnheiten werden aufgebrochen, und die Energie potenziert sich von Song zu Song. Eigene Veröffentlichungen wie „Future Music” von MoMa Ready sind genauso dabei wie Acid-Einflüsse von D. Stranges „Sonic Rekoil” oder Überraschungen wie „Running Out Of Space” von Drexciya. Die vier DJs wechseln sich regelmäßig ab, wobei jeder immer drei bis fünf Songs spielt. So entsteht ein starkes Set mit viel Power und Durchschlagskraft, das im Club ganz anders klingen würde. Die meisten DJ-Sets sind auf einen Höhepunkt hin gebaut – hier gibt es gleich eine ganze Reihe von Peaks zu erleben. Moritz Weber
Timnah Sommerfeldt – INVEINS 085
„Es war mir wichtig, etwas zu kreieren, das sich nicht an irgendwelche Regeln oder bpms hält”, sagt Timnah Sommerfeldt über ihren neuen Mix. „Er klingt sehr verträumt, ist aber an manchen Stellen auch verzerrt. Ich mag es, wenn verschiedene Harmonien zusammenkommen und ihre eigene Stimmung erzeugen.” Das Set der Schweizerin erscheint bei der Mailänder Podcast-Plattform INVEINS. Er zeichnet sich durch ihren einzigartigen Geschmack und durch unerwartete Klangarragements aus, die sich im geduldigen Hören erkunden lassen. Bei den ausgewählten Tracks, die mit erdigem Ambient beginnen, stößt man in der akustischen Reise auf eine große Vielfalt aus pulsierenden Formen und Farben, die mit Nuancen von Electro und Techno zusammenfließen.
Schon im Alter von 17 begann Timnah Sommerfeldt ihren eigenen Stil zu formen. Ihre ersten Erfahrungen als DJ machte sie in besetzten Häusern und Industrieräumen in der Umgebung von Basel. Mit warmen, hallenden Techno-Sets machte sie sich einen Namen. Neben ihren Residencies in der Hinterhof Bar, dem Elysia in Basel und dem EOS Radio in Frankfurt kuratiert sie auch eine eigene monatliche Home Show, zu der sie gleichgesinnte Künstler*innen einlädt. Andrea Würtenberger
Anna Adams – objekt klein a October 29, 9pm-10pm (HÖR)
Anna Adams, Resident DJ des Dresdner Clubs objekt klein a, zeigt mit diesem Mix their gesamte musikalische Virtuosität. In dem einstündigen Set bei HÖR gelingt es Anna problemlos, auf einem rasanten Tempo von 160 BPM zwischen schnellen Breaks und Hardtrance zu wechseln. Dabei kontextualisiert they Neues mit Altem, beispielsweise den wunderschönen Trance-Track „The Light At The End Of The Tunnel“ von Tunnel Vision aus dem Jahr 1995 mit frisch produziertem Electro von Mell G.
Ungefähr die Hälfte des Sets ist von dem Ansatz, Altes mit Neuem zu vermischen, geprägt. Gegen Ende des Mixes präsentiert Anna dann aber ausschließlich neue Musik. Technisch überzeugt they durch geduldige Übergänge, bei denen sich die Harmonien auch mal beißen dürfen. Ein wunderschöner Mix gelingt ab Minute 9, bei dem Anna das House-Vocal des vorherigen Tracks loopt und solange spielt, bis sich die neuen Harmonien wunderschön dazu ergänzen. Ein Highlight in der Mitte des Sets ist das tekkige „Speed Surfer“ von The Mover & Lunatic Asylum. Ob Anna damit der Hardtekk-Szene Dresdens Tribut zollen wollte? Jedenfalls spielt they ab der Mitte des Sets deutlich weniger Breaks und wendet sich schnellem Techno à la DJ Disrespect zu. Die beiden letzten Tracks bestechen hingegen wieder durch warm klingende Pads, die von markanten Breakbeats unterlegt werden. Vincent Frisch
Zozo – Fact Mix 832
Nigar Zeynep alias Zozo steht für eklektische Mixe mit einer großen Spannweite, die sie schon im GROOVE-Podcast darlegte. Die Künstlerin aus Istanbul, das seinen Höhepunkt der Freiheit und des Nachtlebens mit elektronischer Musik längst hinter sich hat, sieht in der angespannten Situation und in der daraus entstehenden Kunst aber auch die Möglichkeit des Widerstandes. Unter anderem ist sie Teil der „Les Belles De Nuit“, einem in Zürich gegründeten Kollektiv, das sich für die Rechte von weiblichen und queeren Künstler*innen einsetzt. Längst ist Zozo, aus einer musikalischen Familie stammend, in sämtlichen wichtigen Clubs vertreten.
Nichtsdestotrotz klingt ihre Arbeit vor allem nach richtig tiefem Digging. Als würde sie nichts anderes tun, als hätte sie nie etwas anderes getan. Zu Beginn wird man von einem wonky-freaky-mash Mix begrüßt, der als eine Art Jingle zwischen poppigem Dance und stumpfem Techno bereits alles beinhaltet. In den folgenden 90 Minuten präsentiert sie wunderschön arrangierte Sounds, Mafou mit ritualistischem, Percussion-getriebenem House ist der erste Gem. Und sie springt von Edelstein zu Edelstein, stets etwas weird, immer aber äußerst hör- und auch ravebar. Millionen wert ist auch Hassan Abou Alams kurzer Auftritt mit „Unkindled“, der das Erdige durch Sphärisch-Himmlisches ergänzt. Es bleibt jedoch vorerst erdnah, und neigt sich im Laufe des Mixes dem Aquatischen zu. Ein weiterer Name, den man sich merken sollte, wenn man ihn nicht eh schon verinnerlicht hat: J-Zbel. Es wird etwas warm und dunkel, dubbig mit Kode9 & The Spacecape. Der Schluss fungiert dann wieder enorm rhythmisch, irgendwo zwischen Deconstructed Club, Jungle und, man reibt sich die Augen, Cardi B. Die besiegelt diesen äußerst diversen Mix nämlich. Lutz Vössing