Ritter Butzke (Foto: Moritz Weber)

Nachdem die 2G-Regel für die Clubs in Berlin eingeführt wurde, konnte man sich zum ersten Mal nach einer sehr langen Zeit auf eine intensive Nacht ohne Maske und in einem geschlossenen Raum freuen. Nach fast zwei Jahren, in denen nur draußen gefeiert werden konnte, machten sich GROOVE-Autoren Lutz Vössing und Moritz Weber am vergangenen Wochenende auf den Weg in die Berliner Clubs, um ein Stimmungsbild einzufangen.

Angekommen in der Ritter Butzke bewegen wir uns langsam in die Mitte der Tanzfläche dieses Berliner Clubs. Direkt zu Beginn wird eins direkt klar: Eine Angst, sich irgendwie anzustecken, ist nicht ansatzweise gegeben. Nach eineinhalb Jahren Pause ist dem Publikum mehr oder weniger alles egal. Meisterorts wird normal gefeiert als sei nichts passiert. Wir nehmen von Anfang an eine durchweg positive Grundstimmung wahr. Das ist in Berlin natürlich nichts unübliches, dennoch hat man das Gefühl, dass jede Person ein besonders breites Grinsen auf dem Gesicht hat. Die Vorfreude auf die altbekannten und langen Clubnächte wird keineswegs enttäuscht. Die Besucher*innen haben auf keinen Fall vergessen wie man tanzt. Nach unzähligen kleinen Sessions zu Hause mit verschiedenen Streaming-Sets ist die Energie auf der Tanzfläche eindeutig eine andere. Man spürt den Bass, die Melodien, die Leute um einen herum. 

CTM Festival – Soundinstallation Ventrilogues (Foto: Moritz Weber)


Zuerst führte uns unser Weg auf das ctm Festival im Vollgutlager. Dort läuft die Sound Installation Ventrilogues. Wir laufen über das Gelände der alten Berliner Kindl Brauerei und werden am Eingang als Erstes nach unserem Impfpass oder Genesenennachweis gefragt. Anschließend wird man durch einen langen dunklen Korridor geführt. Nach einigen Treppen kommen wir an einer riesigen Stahltür an. Schon jetzt nimmt man die ersten Schwingungen wahr bevor die Tür geöffnet wird und wir in einer riesigen unterirdischen Halle stehen. Ein Kollektiv von verschiedenen Künstler*innen, wie etwa Charlotte Gainsbourg, AtomTM oder Lyra Pramuk, erarbeiteten eine Serie von vier Klangarbeiten, die einen Dialog zwischen Musik, Klangkunst und akustischen Essayformaten führen. Man wird eingeladen sich frei zu bewegen, um die Musikkomposition in einem weiten Raum auf ganz unterschiedliche Weise für sich zu entdecken.

Man wird quasi von der Menge mitgerissen und strömt kollektiv in Richtung Tanzfläche.

Dennoch lassen sich viele Menschen ganz anders auf die Musikinstallation ein und setzen oder legen sich hin, um auch das abgedimmte Licht ebenfalls aufzunehmen. Wir legen uns auf den kalten Hallenboden, schließen die Augen und fallen direkt in eine ferne Welt. Experimentelle Töne, verfremdete Vocals und wummernder Bass kommen aus allen Richtungen. Zunächst wirkt das ein wenig willkürlich. Man wird förmlich eingehüllt und möchte den Ort nicht verlassen. Die Neugierde in Kombination mit der kalten und rauen Umgebung macht dieses Event dann aber zu einer ganz eigenen Erfahrung – eine neue Art und Weise für uns sich mit Musik auseinanderzusetzen. Im dritten und vierten Teil ist langsam eine Struktur zu erkennen und man wird mit einem angenehmen Ambientstück verabschiedet.

Ritter Butzke – Die Tanzfläche ist gut gefüllt (Foto: Moritz Weber)

Nach ein paar Stunden stehen wir vor einem Schild in der Ritter Butzke mit den Worten: „Wear your mask” und „No drinks on the dancefloor”. Man könnte fast meinen, die Clubs wären auf die Einführung der 2G-Regel noch nicht ganz vorbereitet gewesen. Ganz im Gegenteil das Publikum. Man wird quasi von der Menge mitgerissen und strömt kollektiv in Richtung Tanzfläche. Ein besseres Kontrastprogramm hätten wir uns nicht vorstellen können. Aber zunächst zum Einlass – schont dort entsteht Vorfreude. Die Gäste diskutieren, ob alles so wie früher werden wird. Ein gewohntes Abstandhalten in der Schlange und sobald auch hier der Impfpass oder Genesenennachweis vorgezeigt wurde, wird man mit einem Kopfnicken durchgelassen. Letzte Skrupel geraten nachdem die erste Musik ertönt sehr schnell in Vergessenheit.

Auf dem Rückweg nach Hause sehen wir lange Warteschlangen vor dem Watergate und dem Club der Visionäre. Die Leute sind bereit, haben auf diesen Moment gewartet.

Im Vergleich zu den Clubs ist Michael Mayer sehr gut vorbereitet – an diesem Abend legt er ein gekonntes 4-Stunden Set hin. Ein durchdachtes Set mit längeren Technoabschnitten, Houseelementen und sogar einigen Disco-Edits brachten auch die feierunwilligsten Gestalten, welche vielleicht bloß mitgeschleppt wurden, in Bewegung. Gegen Ende seines Abend überrascht er die Crowd mit einem Remix von ABBAs „Gimme!” und lässt die Stimmung überkochen. Freund*innen klettern sich gegenseitig auf die Schultern und jede*r hat die Arme oder ein Getränk in der Luft und feuert den DJ an. Es werden Blicke ausgetauscht und alle singen gemeinsam im Chor. Man verschwindet in einem Nebelmeer und hat einfach das Gefühl wieder Zuhause zu sein.

Ritter Butzke – Michael Mayer lässt die Crowd tanzen (Foto: Moritz Weber)

Nach einer langen Nacht überwiegt das Glücksgefühl gegenüber der Erschöpfung – also eigentlich wie bei jeder erfolgreichen Clubnacht. Auf dem Rückweg nach Hause sehen wir lange Warteschlangen vor dem Watergate und dem Club der Visionäre. Die Leute sind bereit, haben auf diesen Moment gewartet.

Nach zwei sehr schwierigen Jahren richtet sich die Clubszene langsam wieder auf. Die kommenden Wochenenden sind komplett durchgeplant mit verschiedensten Events. Jedoch hält die Debatte, ob durch die 2G-Regel Personen ausgegrenzt werden, weiter an. Aus Sicht der Clubbetreiber*innen, Künstler*innen und natürlich der vielen Menschen, die sich wieder auf Partys freuten, war das erste Clubwochenende ohne Maske ein voller Erfolg und macht Lust auf mehr. Die lange Pause schien wie weggeblasen und letzte Zweifel waren spätestens nach den ersten Minuten von dem Glücksgefühl, endlich wieder eng gedrängt in einer Menge schwitzender Menschen zu tanzen, übertrumpft.

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