Fotos: Privat (Holger Klein)
„Auf die Residents kann man sich verlassen, persönlich und inhaltlich. Sie kennen den Club, die Gäste, die Anlage, und sie sind ein Grundpfeiler der musikalischen Identität eines Clubs, also ebenso wichtig wie die Architektur, der Raumklang oder die Gestaltung“, sagte einst Nick Höppner in der Groove. Mit unserem monatlichen Resident Podcast wollen wir ihnen den gebührenden Respekt zukommen lassen.
Aufmerksamen Groove-Abonnent*innen wird der Name Holger Klein ein Begriff sein: Als Autor ist er seit circa immer schon eine der Säulen, auf der dieses Magazin ruht. Klein ist der Rezensent, den die Redaktion für Releases wie eine große 3-Chairs-Werkschau auf der Schnellwahltaste hat, der hier mit einem Squarepusher und dort mit einem Ian Pooley ausführliche Gespräche über ihren Werdegang führt und dennoch nebenbei das Ohr nah am Puls der Zeit hält, um Storys wie die der aufstrebenden Produzentin und DJ Luz1e zu erzählen.
Einigen wird er allerdings auch unter dem Namen Groover Klein als fachkundiger und vielseitiger DJ bekannt, der Rave-Geschichten nicht auf-, sondern selbst geschrieben hat. Als Dirk “D-Man” Mantei im Jahr 1990 in Mannheim den Club milk! eröffnete, fand sich Klein dort schnell hinter den Decks wieder und bildete bald im Verbund mit Bassface Sascha das hauseigene Resident-Team. Über drei Jahre hinweg wuchs das Mannheimer Venue zum “gallischen Dorf, ziemlich ungestüm, gepflegt asozial, aber mit großem Herzen” an, wie Klein es heute ausdrückt, dann aber ist auch für ihn gut ein Jahr nach Verkauf des Ladens im Jahr 1992 Schluss.
Die Jahre 1990 bis 1993 stellten nicht allein für Klein und das milk! eine kurze, aber prägende Zeit dar, in der sich die damals formierende und in allen Richtungen ausprobierende Rave-Szene merklich professionalisierte. Zurück bleibt bei vielen die Erinnerungen ans milk! als Institution für Breakbeat und Jungle, ein Gegengewicht gegen die damals schon dominanten Grooves von Techno und House. Doch ist das, wie auch Groover Kleins Mix für den Resident Podcast beweist, nur die halbe Wahrheit. Und weil Klein selbst kein Nostalgiker ist, handelt es bei dem auch keineswegs um eine Zeitkapsel, sondern ein Flow von zeitlosen und also immer noch freshen Tracks, die eine fiktive Nacht im milk! nachstellen – der Ausdruck eines Spirits, der bestens, soll heißen gar nicht gealtert ist.
Du hast vor einigen Jahren auf Facebook in einer kleinen Serie über Dance-Tracks geschrieben, die dich geprägt haben, unter anderem wie du zum Beispiel im Jahr 1988 in London zum ersten Mal “Baby Wants to Ride” gehört hast. Gab es in Sachen Clubmusik aber eine definitive Initialzündung für dich, einen Moment, in dem es zum ersten Mal “klick” gemacht hat?
Schwer zu sagen, das hat sich so eingeschlichen. Der Moment in London mit „Baby Wants to Ride“, gespielt von Mark Moore, war es jedenfalls nicht. Da hatte es längst geklickt. Als Teenager habe ich erst mal völlig unterschiedliche Musik gehört. Was mich sicherlich aber sehr geprägt hat, das war der frühe Electro-Hip-Hop-Sound. Freunde schenkten mir mal die Street Sounds Electro-LP-Box zum Geburtstag. Mann, war ich stolz. Der 80s-Electro-Hip-Hop-Sound war eh groß in Mannheim, wir waren ja US-Garnisonsstadt. Beim Deutsch-Amerikanischen Volksfest im Benjamin Franklin Village, völliger Pflichttermin zweimal im Jahr, war das der Autoscooter-Soundtrack. Außerdem spielten wegen der vielen GIs regelmäßig so Acts wie die Dazz Band bei uns in der Stadt, wo ich dann gerne hin ging. Genauso müsste ich jetzt aber „Blue Monday“ von New Order, Pet Shop Boys oder Achtziger-Pop-Platten wie das zweite Scritti Politti-Album nennen, die Platte lehnte sich beim längst sehr elektronischen US-R’n’B-/Funk-Sound an, das war für mich dann auch ein wichtiges Thema. Oder Heaven 17! Genauso hatten aber auch Sachen wie Aztec Camera, The Smiths, The Style Council oder This Mortal Coil einen großen Platz in meinem Herzen erobert. Nur einer meiner letztlich eher indiemäßig orientierten Freunde konnte nachvollziehen, dass ich zu Konzerten von Sister Sledge ging, der war dann mein ständiger Begleiter. Letztlich kam ich also eher über Pop, US-R&B oder Funk zu House als über Kraftwerk oder gar EBM.
Was hat dich letztlich zum DJ gemacht?
Nicht lange nach dem Abi fing ich an, in einem Plattenladen zu arbeiten, bei WOM. Der Rest ergab sich eher zufällig. Okay nicht ganz. Es gab frühe Indizien. Ich hing oft bei einem Freund ab, dessen Vater so ein geiles Revox-Tapedeck hatte. Wir haben damit ohne Übergänge lückenlose Mixtapes gemacht, insofern war schon recht früh ein Interesse da. Über den Plattenladen kam ich bald zu meinem ersten DJ-Job: Der Indie-Dienstag in einem kleinen Kellerclub war neu zu besetzen. Ich bekam den Job. Zwischen Dinosaur Jr., The Stooges, Happy Mondays, Paul Oakenfold- und Andrew-Weatherall-Remixen war bei mir alles möglich.
Das milk! wurde im Jahr 1990 von Dirk Mantei eröffnet, der schon in den Jahren zuvor als Partyveranstalter aktiv war. Frankfurt war zu der Zeit bereits eine Clubstadt, die Heidelberger Szene beispielsweise aber gerade noch im Findungsprozess. Wieso bot gerade Mannheim so früh schon einen so fruchtbaren Boden für die Szene?
Auch wenn Heidelberg und Mannheim sehr unterschiedlichen Städte waren und sind, konnte man die Akteure nicht wirklich trennen, die Vororte gehen ja praktisch auch ineinander über. Als Heidelberger hatte der D-Man, also Dirk Mantei, bereits in den Achtzigern im Hard Rock Club in Mannheim aufgelegt, das war ein in der Punk- und New Wave-Szene überregional bekannter Laden. Außerdem: Wenn man ausgehen wollte, hatte man in Heidelberg schlechte Karten. Da war sehr früh Feierabend, in Mannheim ging es immerhin bis um fünf Uhr. Wir hatten die Amis, ein ganz gutes Angebot an Plattenläden, auch schon lange einen DJ-Plattenladen. Aber die erste Acid-House-Clubnacht namens Planet Bass hat Dirk sonntags im Heidelberger Normal veranstaltet, bereits 1988. Der Sommer 1990 war dann für das damalige Mannheim sehr wichtig, da gab es eine Reihe von Warehouse-Partys, die von Dirk und Gregor „G.O.D.“ Dietz in Zusammenarbeit mit einem Verein namens Industrietempel veranstaltet wurden. Das war eine sehr eindrucksvolle und großartige Zeit. Sonntags gab es auch einen Mega-Teadance namens Hot Lemonade, benannt nach einem Track von A Guy Called Gerald. Der war auch von den beiden veranstaltet. Gregor war damals der mit Abstand prägendste und bekannteste DJ der ganzen Region, leider verstarb er im Jahr 2005 schon viel zu früh.
Gemeinsam mit Bassface Sascha hast du das ursprüngliche und später erweiterte milk!-DJ-Team gebildet. Wie habt ihr zueinander beziehungsweise zum Club gefunden?
Dirk Mantei bot mir Ende 1990 den Donnerstag im milk! an. Das sollte so ein am UK-Rave-/Indie-Dance-Sound orientierter Abend werden. Wurde es auch, funktionierte leider nur ein paar Monate lang einigermaßen. An den Wochenenden lief es erst super. Die Freitage waren eher Techno, Rob Gordon von Warp, ein Freund des Hauses, legte da einmal auf. Die Samstage waren eher House und sonstige Clubsounds, wenn ich mich richtig erinnere. Gregor und Dirk waren da federführend. Also das Jahr 1990 war echt gut. Einen sonntäglichen Teadance gab es auch, da spielte Ende 1990 sogar mal Phil Asher. Doch dann kackte alles ab. Wer Techno wollte, fuhr freitags ins Omen nach Frankfurt, war ja nicht weit. Ich übernahm schließlich im nächsten Jahr den Samstag, als Lückenfüller. Es war monatelang immer leer, spät in der Nacht schauten ein paar Leute vorbei, die waren aber auf der Durchreise nach Frankfurt. Ziel: Dorian Gray. Dort ging es ja bis zum Sonntagmittag. Als die nach kurzer Zeit wieder weg waren, spielte ich wieder den wenigen Leuten ganz leger neue Platten vor. Da ich sehr vom UK-Rave-Sound begeistert war, liefen da bereits frühe Proto-Breakbeat-Platten von Shades Of Rhythm oder Shut Up And Dance. Im Sommer kam Sascha dazu. Ihn kannte ich nicht zuletzt durch meinen Job im Plattenladen, bei WOM, bei uns kauften fast alle DJs der erweiterten Region ein. Wegen des ausbleibenden Erfolges begannen wir damit, nicht einfach stumpf einen regelmäßigen Clubabend zu machen, sondern Partys zu veranstalten mit wechselnder Deko und dem psychedelischem Chillout-Raum von Boris Eden 123 samt Guarana-Bar. Guarana-Drinks, oh Mann, die waren sehr speziell. Diese Special Events liefen dann super. Es war, glaube ich, die erste Party dieser Art, da kam auch Move D mal vorbei und legte noch sehr eklektisch auf, viel nicht-elektronisches Zeug. Er brachte irre viele Leute aus Heidelberg mit, die Hütte war voll, irgendwer hatte Geburtstag. Wir wiederholten diese Event-Formel, jedes Mal funktionierte es. An den normalen Abenden waren Sascha und ich wieder eher unter uns. Aber wir verstanden, dass wir definitiv was anderes machen mussten als die Frankfurter. Ich ging zwar gerne ins Omen, war aber eh schon ziemlich UK-fixiert und war damit nicht so richtig auf Frankfurter Linie. So entwickelte sich langsam unser eigener Sound. Wenn Techno, dann eher US-Techno, sonst gerne House, bei mir liebend gerne mit Pianos, sonst auch viel so Proto-UK-Hardcore. Irgendwann war Dirk Mantei für einige Monate in San Francisco, von da an wurde es etwas kollektivistisch. Wir steckten die Köpfe zusammen. Vor allem Soley Susever will ich da nennen, ohne sie wäre das milk! niemals was geworden. Anfang 1992, nachdem ein Engländer namens Nils Hess aufgelegt hatte, er war ein Freund von Soley, war plötzlich jede Woche die Hütte voll. 1992 war dann unser Summer of Love, mit irre guten, nicht legalen Open Air Partys. Da blieb samstags der Laden auch einfach mal zu oder nur der Form halber geöffnet. Das milk! war ja ein Abschreibungsobjekt von zwei großen Gastro-Unternehmern, daher irgendwie eine autonome, etwas anarchische Zone, die eigentlich nur eine abgewirtschaftete 80s-Disse war.
Euer kollektiv ausgerichtete Ansatz ist aus heutiger Sicht eher ungewöhnlich und schon damals zeichnete sich das Superstar-DJ-Zeitalter und der Personenkult um mindestens einen DJ aus dem näheren Umkreis zumindest ansatzweise bereits ab. War es euch ein bewusstes Anliegen, dem entgegenzuwirken?
Irgendwie schon. Der Laden war unser Wohnzimmer, was wir machten war von der Crew für die Crew. “Posse” sagte man damals, klingt heute komisch. Manchmal hatten wir Gast-DJs. Wenn die irgendwie befreundet waren, lief das gut. Wenn nicht, auch mal nicht so gut. Wir hatten das aber auch nicht wirklich nötig, die Posse wollte sich ja vor allem selbst feiern. Wir hatten schließlich unsere eigenen Anthems. Und die Leute fuhren zum Teil jedes Wochenende mehr als 200 Kilometer, um mit uns zu feiern. Manche zogen dann pragmatischerweise gleich nach Mannheim. Viel Budget für irgendwelche externen größeren Namen hatten wir eh nicht. Denn wer dazugehörte, zahlte meist keinen Eintritt. Und es gehörten ja viele Leute dazu. Außerdem gingen viel zu viele Drinks umsonst raus. Lieber als irgendwen zu buchen, gaben wir Leuten von uns die Gelegenheit aufzulegen, so zum Beispiel dem damals noch sehr jungen Sebastian „Seebase“ Dresel.
Ab ungefähr dem Jahr 1992 wurde das milk! vor allem als Keimzelle von Breakbeats und die aufkeimende Jungle- beziehungsweise Drum’n’Bass-Musik bekannt. Die Platten dazu wurden zwar auch über Labels wie Force Inc. in Frankfurt verlegt, kamen in erster Linie aber aus dem UK und Gast-DJs aus unter anderem der Sheffielder Szene waren häufiger im milk! zu sehen. Wie gestaltete sich der Austausch mit der britischen Szene?
Über Rob Gordon und Nils Hess. Nils machte 1992 mal Bryan Gee klar, später V Recordings. Er spielte bei uns noch ein Set, das 50:50 European Techno und Breakbeats war. Aber eigentlich waren wir echt nicht wirklich vernetzt. Wir hatten einen guten Plattenladen, Humpty Records aus Heidelberg. Die fuhren regelmäßig nach London und kauften Platten ein. So hatten wir eine ganze Reihe ziemlich singulärer Hits, die heute bei Discogs in Einzelfällen die Tendenz 0 want, 0 have aufweisen.
Tatsächlich aber habt ihr im Kernterm eine eher “universalistische Sicht von Rave” verfolgt, wie du es später ausgedrückt hast, und euch nicht auf Breakbeats und Jungle beschränkt. Stört es dich, dass ihr und euer Sound im Nachhinein in diese Schublade gesteckt werdet?
Einerseits ja, andererseits nein. Wir waren damals stolz darauf, dass wir etwas machten, das andere in Deutschland nicht machten. Wir haben die Sache auch wiederum ganz anders umgesetzt als die Engländer. Zu den besten Zeiten war das milk! aber niemals nur ein Breakbeat-Schuppen. Als der Club im September 1990 eröffnet wurde, waren wir ja noch in der Bleep-Ära. Insofern stört mich das manchmal schon. Die Abende fingen an mit gechillter Rave-Romantik, US-House oder Detroit Techno. Nu Groove war ein total wichtiges Label, was unseren Soundtrack anging. Wir spielten auch Proto-Trance und frühen Progressive House. So viel Ehrlichkeit muss sein. Die Peaktime gehörte dann Breakbeat oder Tracks von Kevin Saunderson oder Underground Resistance. Um fünf war regulär Feierabend. Wer gehen wollte, wollte bitte gehen. Die Tür wurde schließlich abgeschlossen. Mit gehangen, mit gefangen. Dann ging es meist eher US-House-lastig weiter.
Gemeinsam mit Bassface Sascha hattest du auch eine Residency im XS in Frankfurt inne, die Veranstaltungen waren sehr programmatisch betitelt: Bassbin. Wie würdest du die Unterschiede zwischen diesen Nächten und euren Sets im milk! beschreiben?
Ins XS übertrugen wir die universalistische Grundidee zunächst in Teilen, aber das war nicht wirklich der Plan von Mark Spoon und Alex Azary, die den Club betrieben. Bald gab es vermehrt UK-Bookings, DJ Hype oder LTJ Bukem zum Beispiel. Aus dem Hardcore-Breakbeat-Sound wurde immer mehr etwas eigenes, Jungle/Drum’n’Bass schälte sich langsam heraus. Es zeichnete sich ab, dass man eben nicht mehr alles mit allem kombinieren kann. Im Frühjahr 1994 war ich dann konsequenterweise raus. Ich liebe bis heute noch Drum’n’Bass, aber ein Drum’n’Bass-DJ wollte ich wirklich niemals sein.
Das Jahr 1992 war das wohl erfolgreichste für das milk!: Es wurde von der Raveline und der Groove zum Club des Jahres gewählt und die Loveparade mit einem eigenen Wagen befahren – und du warst mittendrin. Im selben Jahr wurde der Club allerdings auch verkauft. Wie hast du diesen Wendepunkt erlebt?
War irgendwie irre, aber auch ganz normal. Rave-Deutschland war ja noch weit davon entfernt, zentralisiert zu sein. In der Champions League spielte, was Clubs und Produktionen anging, damals meiner Meinung nach zunächst nur Frankfurt. Berlin war der immer stärker werdende Herausforderer. Wir in Mannheim gefielen uns in der Rolle des gallischen Dorfes, ziemlich ungestüm, gepflegt asozial, aber mit großem Herzen. Ansonsten gab es über das Land verteilt noch etliche prägenden Clubs und Szenen. Nach der Loveparade und einigen Pressefeatures fuhren immer mehr Leute immer mehr Kilometer, um zu uns zu kommen, Wochenende für Wochenende. Wir wurden natürlich zunehmend irgendwohin gebucht, ließen unsere Homebase aber ungern alleine. So landeten wir irgendwann auch auf der Mayday 3, Peaktime um fünf Uhr, lächerlichste Gage, egal. Da schlotterten meine Beine ganz schön in der Halle Weißensee, da unten Tausende. Mark Spoon, Gott habe ihn selig, war vor uns dran. Ich sagte zu ihm: “Ey, ich mach mir gleich in die Hose.” Er drückte mich mit all seiner Wucht irre fest: “Keine Sorge, ihr rockt das Ding.” Lief dann aber einigermaßen tschuggi, wie der Markus Löffel als Frankfurter gerne sagte. Na ja, außer bei befreundeten Crews wie der in Nürnberg auf dem Boot hat mir das Auflegen sonst aber nie so viel Spaß gemacht wie daheim. Zu vielen der Gigs reiste ein recht großer Mannheimer Pulk an, das hatte was von Auswärtsspielen im Fußball. Ich habe ehrlich gesagt kaum mehr eine Erinnerung daran, wo ich in den kommenden Jahren so landete, die Bookings waren mir manchmal eher egal, oder ich fühlte mich schlicht fehl am Platz. Ich blieb immer ein Typ, der eigentlich nur Resident-DJ sein wollte. Selbst Hits für den eigenen Club aufzubauen, das machte ich am liebsten. Das gab mir auch Sicherheit. Man kannte sich, man verstand sich.
Du selbst hast Ende 1993 deine Residency im milk! beendet – aus freien Stücken. Warum?
Wie du bereits erwähnt hast: Gegen Ende 1992 wurde das milk! verkauft. Das war ja auch das Ziel der Betreiber. Dirk hörte auf, Kami Alijani, unser bisheriger Türsteher, übernahm die Geschäftsführung. Abdullah, der Käufer, kam nicht aus der Szene, er war halt ein Gastrotyp, der mit diesem Laden Geld verdienen wollte und es auch musste. Ich mochte ihn eigentlich ganz gerne, aber die Konversation mit ihm war manchmal schwierig. Es machte trotzdem ein ein weiteres Jahr echt viel Spaß. Doch irgendwann hatten das milk! wie auch Rave an sich ihre Unschuld verloren. Einige Faktoren spielten zusammen, das Gefühl war Ende 1993 jedenfalls nicht mehr dasselbe. Wir wollten das Pferd nicht zu Tode reiten. Sascha und ich hörten also auf, viele andere aus der Crew klinkten sich auch aus. Das milk! existierte dann unter Leitung von Kami ein weiteres Jahr, Kumpels von uns übernahmen als DJs. Sascha und ich machten jeweils was Neues. Er machte sich einen extrem guten Namen im Drum’n’Bass-Geschäft, ich lebte vor allem meine Liebe zu House aus. Eine Karriere als reisender Profi-DJ war allerdings niemals mein Ziel.
Sowohl Breakbeat- als auch Jungle-Musik feiern nun seit einigen Jahren zwei hartnäckige Revivals, obwohl nicht wenige der Produzent*innen zu dieser Zeit nicht einmal geboren waren. Wie nimmst du diese Comebacks wahr?
Ich mag einiges davon wirklich sehr gerne. Mich stört es auch absolut nicht, dass dieses Revival langlebiger ist, als ich es erwartet hätte, wobei ich mir insgesamt schon weniger Retro-Sound wünschen würde. Doch mir gefällt es zum Teil echt extrem gut, wie der damalige Sound ins Heute übersetzt wird.
Was war die Idee hinter deinem Mix für den Groove Resident Podcast?
Von Anfang an stand für mich fest: Auf eine Greatest Hits-Geschichte habe ich keinen Bock. Vor ein paar Jahren habe ich mal bei Tekknozid in der Griessmuehle ein solches Set gespielt. Das war ein komischer und gleichzeitig geiler Film, der sich da in meinem Kopf abspielte. Junge Leute mit Glowsticks, die jeden Track gefeiert haben, Zeitmaschine. Aber irgendwie sagte ich mir danach: “Okay, das hast du jetzt noch mal gemacht, schön war’s, aber das wäre damit abgehakt.” Ich bin nicht so der Typ, der gerne in Nostalgie schwelgt. Alt bin ich nun zwar, aber in dieser Hinsicht im Spirit zu altern, ist nicht so mein Ding. Ich ziehe wirklich nicht ständig alte Platten aus dem Regal und denke an früher. Für den Mix habe ich nun Platten ausgewählt, die definitiv wichtig waren, das trifft auch auf die vertretenen Labels zu. Die Musik durfte für mein persönliches Empfinden nicht durchgenudelt sein, ich musste noch Bock auf sie haben. Mir war wichtig, dass die Tracks sich heute noch gut und fresh anhören, zumindest nach meiner Wahrnehmung. Ich wollte unbedingt das breite Spektrum und die milk!-Geschichte in diesem Podcast ansatzweise transportieren. Meine Groove Resident Podcast-Folge soll also quasi die musikalische Reise einer fiktiven milk!-Nacht re-enacten. Weggelassen habe ich neben schlecht gealterten oder für mich abgenutzten Breakbeat-Hits auch durchkanonisierte US-House- oder Techno-Platten. Braucht in diesem Kontext kein Mensch.
Stream: Groover Klein – Groove Resident Podcast 19
01. The Diceman – Bad Data From Disc (Vivatonal – 1992)
02. Tuff Little Unit – Join the Future (Warp – 1991)
03. Original Clique – AZ67 (Chill – 1990)
04. Hi-Ryze – Ride the Rhythm (Brainiak – 1990)
05. Beyond – Sliver (ESP – 1993)
06. DJs Rule – Work That Sucker (Groove Kissing – 1991)
07. Warp Factor 3 – Jammin’ Soul (Dub the Jam) (ESP – 1991)
08. Rhythm Invention – Luvly (Nucleus – 1992)
09. Jaco – Show Some Love (Rhythm Invention Remix) (Warp 1992)
10. Altern8 – Brutal-8-E (Z-Trance Mix) (Network 1992)
11. Spooky – Schmoo (Schmix) (Guerilla – 1993)
12. Trans-4M – Dencity (Club Mix) (Buzz- 1992)
13. Razor Boy & Mirror Man – Cutter Mix (Rabbit City – 1990)
14. Satin Storm – Sweat (Satin Storm – 1990)
15. Rhythm On The Loose – Break of Dawn (Network – 1991)
16. Demon Boyz – Jungle Dett (Hardcore House Mix) (Tribal Bass – 1990)
17. N.R.G. – Terminator (Chill – 1991)
18. Mystic Institute – NS-581A-T (Evolution – 1993)
19. Basscult – Paradise Place (Paradise Trance Mix) (Round And Round – 1993)
20. Equinox – Synod (Vortex – 1993)
21. The Hypnotist – Death by Dub (Rising High – 1991)
22. DJ Doc Scott – Surgery (Oridinary Remix (Absolute 2 – 1991)
23. Base·X·Nefex – Reality ’92’ (Mix 1) (Bass X – 1992)
24. SL2 – Changing Trax (XL – 1992)
25. Decktition – Love Rush (Decktition – 1992)
26. Altern8 vs Evelyn King – Shame (Hardcore Mix – Network 1992)
27. +E=Exotic – Voice of the Devil (D-Zone – 1992)
28. The Criminal Minds – Baptised by Dub (White House – 1992)
29. Origination – Breakdown (Rudeboy – 1992)
30. Acen – Window in the Sky (Nino’s Broghter Day Mix) (Production House – 1993)
31. One II One – Thirty Two Pages (Reinforced – 1992)
32. Foul Play Productions – Finest Illusion (Section 5 – 1993)
32. Jump Up Crew – Ragga Bass (Labello Blanco – 1993)
33. Bad Influence – Thoughts Of An Innocent Mind (Basement Mix) (Metamorphosis – 1992)
34. Release – Drifting… (Moon Rocks On My Vinyl Mix) (Contagious – 1992)