Sedef Adasi (Foto: Julius Ertelt)
Sedef Adasi machte sich mit ihren facettenreichen DJ-Sets, die von Techno bis Pop eine große Bandbreite an Genres abdecken, sowie ihrer Partyreihe HAMAM Nights einen Namen in der elektronischen Musikszene. Anfang Juni veröffentlichte die Augsburgerin ihre Debüt-EP Fantasy Zone auf Public Possession. Auch ihre türkischen Wurzeln ließ die Augsburgerin in die Tracks mit einfließen. Im Interview verriet die Künstlerin unserer Autorin Franziska Nistler, wie VIVA Club Rotations sowie gebrannte CDs sie zum Auflegen brachten, auf was für eine Feier-Erfahrung man sich bei HAMAM Nights freuen darf und was es mit ihren Habibis und Habibtis auf sich hat.
Im schwarzen Kapuzenpullover lächelt Sedef Adasi verlegen in die Kamera, während sie mit dem ebenfalls schwarzen Ledersessel vor- und zurückwippt. „Eigentlich war es gar nicht geplant, dass ich Musik mache”, steigt sie lachend in das Gespräch ein. Angefangen hat alles mit ersten Auflege-Versuchen auf privaten Partys, in Schuhläden oder auf dem Abiball. „Ich habe damals nicht vielen Menschen erzählt, dass ich auflege, aber witzigerweise hat eine Freundin mich im Store gesehen, als sie ihre Schuhe zurückgeben wollte, und daraufhin lud sie mich ein, bei ihrer Party Rabauke/Rabaukin zu spielen.” Heute ist Sedef europaweit aktive DJ und neuerdings auch Recording Artist. Ihr ganz besonderes Baby ist aber ihre Partyreihe HAMAM Nights im City Club Augsburg, mit der sie einen Raum für Diversität und Queerness schaffen möchte. Dabei stehen vor allem das Miteinander und der Spaß an elektronischer Musik an erster Stelle. „Meine Intention ist es nicht Geld zu machen, ich will einfach geile DJs in die Stadt bringen.”
„Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich abends heimlich im Wohnzimmer Club Rotations auf VIVA geschaut habe.”
Schon als kleines Kind sammelte Adasi CDs sowie Kassetten, die von Pop bis hin zu türkischer Musik reichten. Zudem hörte sie gemeinsam mit ihren drei älteren Schwestern viel R’n’B und Hip Hop, darunter Künstler*innen wie Madonna, Depeche Mode und Timbaland. Auch mit der Anlage ihrer Eltern spielte sie gerne. Immer wieder legte sie verschiedene Discs ein und warf sie wieder aus. Bereits mit neun Jahren war die Augsburgerin fasziniert von elektronischer Musik und Fernsehsendungen über Techno-Veranstaltungen wie die Loveparade. „Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich abends heimlich im Wohnzimmer Club Rotations auf VIVA geschaut habe.”
Später legte Adasi selbst Hand an und versuchte mit Audacity und Windows Media Player, CDs in MP3-Dateien auf ihrem Computer umzuwandeln. Bald brannte sie CDs für ihre ganze Familie und ihren Freundeskreis. „Wenn die Leute gesagt haben, ‚Hey, wir brauchen eine neue CD für unser Auto’, dann war ich eben die Ansprechpartnerin dafür.” Die Erinnerungen an ihre ersten elektronischen Einflüsse sprudeln nur so aus ihr heraus. Dabei bleibt Adasi durchweg freundlich und höflich – eine Attitüde, die man ihr abkauft.
Mit dem Audioeditor Audacity wollte Adasi einen nahtlosen Übergang zwischen den einzelnen Songs schaffen. Um die Pausen zwischen den Tracks zu vermeiden, fing sie an, die Tonspuren zurechtzuschneiden. Zuvor versuchte sie dies mit zwei geöffneten YouTube-Tabs, bei denen sie zeitgleich verschiedene Tracks ablaufen ließ. Mit 14 Jahren schnipselte sie dann mit Magix Music Maker ihre ersten Samples zusammen. Immer wieder versuchte Adasi auch eigene Musik zu machen, indem sie Vocals aus verschiedenen Liedern mit einem Beat unterlegte. Ihre Spielereien nahm sie jedoch zunächst nicht ernst, da sie zum damaligen Zeitpunkt dachte, dass man, um Musik professionell aufnehmen zu können, ein teures und hochwertiges Studio bräuchte. „Ich habe nie vorgehabt, Musik zu releasen, und hab mich auch gar nicht getraut, wirklich daran zu arbeiten oder einen Track fertig zu machen.”
„Ich finde, als Künstler*in oder Promoter*in in unserer Szene hast du auch eine gewisse Verantwortung, etwas zu bewegen.”
Adasis erster Rave ließ die Augsburgerin dann gänzlich in die Welt der elektronischen Musik eintauchen. Von da an fokussierte sie sich hauptsächlich auf elektronische Tanzmusik, blieb jedoch ihrer Offenheit für verschiedene Genres sowie musikalischen Einflüssen aus ihrer Kindheit treu. „Bis heute baue ich gerne auch poppige Sachen sowie 80s- oder 90s-Vibes und alte Hits in meine Sets mit ein. Das macht mich einfach aus.” Der Wunsch, nicht nur aufzulegen, sondern auch eine eigene Veranstaltung zu planen, kam der DJ nach und nach. In Augsburg gab es zu der Zeit zwar die beliebten Rabauke/Rabaukin-Partys, jedoch konnten diese aufgrund von hohen Kosten sowie zeitlichem Aufwand nur ein- bis zweimal im Jahr stattfinden.
„Es war sehr schade, dass man immer nur auf ein Wochenende wartet und hinfiebert. Zudem konnte ich mich in Augsburg neben den Rabauke/Rabaukin-Partys mit keiner anderen Veranstaltung identifizieren. Mit HAMAM Nights wollte ich dann einfach zusätzlich ein bisschen Farbe in die Stadt bringen.” Ungefähr ein Jahr nahm sich die Künstlerin Zeit, um sich darüber im Klaren zu werden, was für einen Space sie in Augsburg schaffen möchte und welche Message ihre Veranstaltungsreihe ausstrahlen und verbreiten soll. „Ich finde, als Künstler*in oder Promoter*in in unserer Szene hast du auch eine gewisse Verantwortung, etwas zu bewegen.”
Dabei erzählt Adasi auch von ihren Unsicherheiten und Zweifeln, die während der Planung ihrer Partyreihe aufkamen. Sie erklärt, dass viele Organisator*innen in Augsburg bereits seit zehn oder 20 Jahren Partys veranstalten, die auf großen Anklang stoßen. Zudem macht die Künstlerin sich Gedanken darüber, wie sie mit ihrer Party ein bestimmtes Feeling transportieren kann, damit die Augsburger*innen sich auch auf den Abend freuen. Es kostete sie viel Mut, HAMAM ins Leben zu rufen, ohne zu wissen, wie die Partygänger*innen in Augsburg die Veranstaltung annehmen würden. „Das Publikum hier ist sehr picky. Du musst eben etwas bieten und auch interessant sein, damit die Leute kommen.”
„Es war am Anfang ein Mysterium, weil keiner wusste, was HAMAM Nights ist. Ich habe es niemandem erzählt – selbst meine Freund*innen wussten nichts davon.”
Die Namensfindung ging wiederum sehr spontan vonstatten, als sie eines Abends im City Club in Augsburg feierte. Sie wusste aber, dass sie keinen herkömmlichen englischen Begriff im Namen haben, sondern ihre türkische Kultur mit einbringen will. „Da es im City Club recht klein ist, war es sehr heiß, und dann hat ein Typ auf dem Dancefloor zu mir gesagt, dass es hier wie im Hamam sei. Das ist ein türkisches Dampfbad, in dem man sich auch massieren lassen kann. Generell ist es einfach eine Wohlfühloase, und das passt eben total zu meiner Party. Ich möchte, dass die Leute sich wohlfühlen, dass sie sich sicher fühlen, dass sie Spaß und eine gewisse Experience haben.”
Anschließend erstellte die Künstlerin einen Instagram-Account, auf dem sie Bilder postete, die Menschen verschiedener Körpertypen, Geschlechter, Sexualitäten und Ethnien abbilden. Auf dem Account wurden und werden unter anderem Themen wie Homo- und Transsexualität sowie gesellschaftliche Schönheitsideale angesprochen. Adasi wollte damit etwas ganz Neues für ihre Heimatstadt schaffen, was so in dieser Form in Augsburg noch fehlte. „Es war am Anfang ein Mysterium, weil keiner wusste, was HAMAM Nights ist. Ich habe es niemandem erzählt – selbst meine Freund*innen wussten nichts davon.”
Mit HAMAM möchte Sedef Adasi viele verschiedene Kulturen zusammenbringen. „Diese Separation, diese Coolness und Attitude haben in Clubs in Augsburg oft eine Rolle gespielt. Nach dem Motto ‚Ich kenne dich eigentlich, aber heute kenne ich dich nicht, weil ich zu unsicher bin und deshalb nicht Hallo sagen kann.’ Das ist irgendwie ein Zusammenspiel aus Unsicherheiten, welche auch einen Raum prägen, und das will ich nicht in meinem Raum haben.” Deswegen führte sie bei ihrer Partyreihe ein, jede Person, die sie nicht kannte, aber schon einmal gesehen hatte, mit Habibi oder Habibti anzusprechen. Das Zusammenführen soll auch auf einzelne Individuen und Genres übergreifen. Jeder und jede, der oder die bei HAMAM ist, ist ein Teil der Crew. Nicht nur die Offenheit und Diversität machen Adasis Partys so besonders, auch verschiedene Rituale sorgen dafür, dass sich Gäst*innen wohl und sicher fühlen.
„Es gibt immer Obst und Raki-Shots, die ich in der Crowd for free verteile. An der Kasse am Eingang gibt es Kolonya, ein Zitronenwasser, mit dem sich die Leute erfrischen und desinfizieren können. Das ist ein türkischer Willkommensgruß, den ich aus meiner Kultur übernommen habe. Die Künstler*innen bekommen bei ihrer Ankunft immer eine Rose von mir. Ich hole sie persönlich ab und lass’ mir da gerne etwas einfallen. Dabei sehe ich, wie wichtig diese Interaktion ist, und wie schnell man das Eis zwischen Menschen brechen kann.”
Mit HAMAM Nights ist es Sedef Adasi auch gelungen, die Stadt Augsburg sowie kleinere Städte im Allgemeinen in den Fokus zu rücken. Einen Raum zu schaffen, in denen die Menschen sich frei fühlen und ausprobieren können. „Man weiß am Anfang eben nicht, was für eine Sexualität man hat, und durch diese Räume schafft man wieder ein gewisses Interesse und traut sich mehr. Deswegen ist es umso wichtiger, gerade in kleinen Städten solche Räume zu schaffen.”
Wie ihre Veranstaltung entwickelte sich auch Adasis Musik im Laufe der Jahre weiter. Die Einflüsse früher 80s- und 90s-Hits und die Offenheit gegenüber verschiedenen Genres bringt sie gerne in ihre Sets mit ein. Gerade diese Spontaneität ist ihr beim Auflegen besonders wichtig. „Ich kann mich da nicht in eine Richtung einordnen, und das will ich auch gar nicht.” Anfang Juni veröffentlichte Sedef Adasi ihre Debüt-EP namens Fantasy Zone auf Public Possession. Damit entführt die Augsburgerin mit türkischen Wurzeln alle Raver*innen und Musikaffinen in eine Welt voller Fantasie, in der man den Gedanken freien Lauf lassen kann. „Fantasy Zone soll das Ich, das sich abkoppelt und in die Fantasie abtaucht, widerspiegeln.”
Die Arbeit an der EP war für Adasi eine emotionale Zeit, da diese während der Pandemie entstand, in der die Künstlerin nicht wusste, wo sie steht, wie sie weiterkommen sollte und wann sie das nächste Mal wieder auftreten kann. „Ich saß dann oft Tage im Studio an einem Loop und hab’ nichts auf die Kette gebracht. Und dann hatte ich aber auch Abende, wo ich innerhalb von drei Stunden einen Track fertig gemacht habe.” Ehrlich spricht die Künstlerin darüber, wie Corona sie anfangs aus der Bahn geworfen hatte. Durch die Pandemie und die geschlossenen Clubs sehnte die DJ sich umso mehr nach Diversität, dem Dancefloor sowie nach allem Schrillen und Verrückten. In der Fantasie konnte sie jedoch frei sein und alles machen, was im realen Leben nicht möglich war. Fantasy Zone und die Musik waren der Ausweg in eine fröhliche Stimmung und der Ausdruck ihres emotionalen Empfindens.
Zu dem Namen ihrer Debüt-EP kam die Künstlerin, während sie an einem ihrer Tracks arbeitete. „Ich bin in diese Thematik eigentlich reingerutscht, als ich meinen Track ‚Mermaids on Acid’ gemacht habe. Im Track sind Wassergeräusche zu hören, und da ist mir dann für den Titel irgendwie ‚Mermaid’ in den Sinn gekommen, um auch die Verbindung zu Fantasy Zone herzustellen.” Es ist ein vielseitiges und auch persönliches Werk, welches durch ihre türkischen Wurzeln sowie die türkische Kultur beeinflusst wurde. Der Track „Gel Gidelim”, zu Deutsch „Lass uns gehen”, enthält türkische Vocals, die dem Titel eine euphorisierende und zugleich melancholische Atmosphäre verleihen.
Durch Corona konnte sich die Augsburgerin jedoch auch viel Zeit für die Musik nehmen. Diese wirkte wie eine Art Therapie auf die Künstlerin, die ihr ermöglichte, musikalisch neues Terrain zu betreten und Neues auszuprobieren. Für die Zukunft möchte Adasi mit ihrer Musik und ihrer Veranstaltung HAMAM Nights auch weiterhin Räume für Frauen und die LGBTQI+-Community in Augsburg schaffen. „Einfach, weil diese Räume hier fehlen.” Umso größer ist ihre Freude, bald wieder die Vielfalt und Queerness des Publikums in anderen Ländern spüren und genießen zu können. Sicher ist jedoch, dass Sedef Adasi, wenn sie durch Corona nie wieder in Clubs spielen könnte, jederzeit wieder in Schuhläden und Stores auflegen würde – „einfach, weil es mir eben so Spaß macht.”