Thomas Meinecke im HAU (Foto: Barbara Braun)
Thomas Meinecke ist Schriftsteller, Musiker, DJ – und bis vor kurzem auch Radiomacher. Bekannt wurde er in den 1980ern mit der bayrischen Postpunk-Band F.S.K., die sich in einem zeituntypischen Duktus mit den verschiedensten Pop-Themen auseinandersetzte und im Laufe ihres 40-jährigen Bestehens auch ein Album mit Detroit-Held Anthony Shakir aufnahm. Prominent wurde Meinecke aber als Schriftsteller. Meinecke gehört zu den wenigen deutschen Pop-Schriftsteller*innen, die der Musik und den mit ihr verbundenen expliziten und impliziten Politiken gerecht werden.
Mit Hellblau schrieb er einen Roman, der unter anderem von Drexciya und dem Afrofuturismus handelt. Sein Schreiben fußt auf einem unerschöpflichen Musikwissen, das in seiner Veranstaltungsreihe Plattenspieler im Berliner HAU ebenso zum Ausdruck kommt wie in der Zündfunk-Sendung Nachtmix, aus deren Moderationsteam er nun nach fast 40 Jahren ausscheidet. GROOVE-Autor Lutz Vössing hat sich mit Thomas Meinecke über dessen Leidenschaft für das Radio unterhalten. Er wollte wissen, wie dieses Medium von nun an in seinem übrigen Output wirken wird und wie es um die Zukunft des Radios bestellt ist.
Nach fast 40 Jahren ist nun Schluss mit deinem Nachtmix im Zündfunk. Kannst du uns sagen wieso?
Thomas Meinecke: Ganz einfach: aus Altersgründen! Nicht, weil ich es nicht mehr schaffen würde, die Treppen zum Studio hoch zu kommen oder den schweren Tonarm zu heben. Aber ich bin 65 Jahre alt und immer nur freier Mitarbeiter gewesen. Nach einer gewissen Zeit des Freier-Mitarbeiter-Seins bekommt man einen Status als fester freier Mitarbeiter. Das impliziert, dass Sozialleistungen gezahlt wurden. Deshalb bin ich jetzt mit 65 im Ruhestand.
Deine letzte Sendung war genauso wie die anderen Sendungen aufgebaut. Warum keine große Abschlussgala?
Weil das Wort Abschlussgala eigentlich schon genau das impliziert, was ich schrecklich fände. Ich will mich nicht feiern. Ich will mich auch nicht feiern lassen. Ich hab diese Sendung als Fan gemacht, als Nerd vielleicht sogar.
Inwiefern als Nerd?
Vor allem beim Techno, wenn einem nicht mehr gesagt wird, wer hinter der Musik steht. Das macht natürlich den Nerd erst recht neugierig. Man will wissen, unter welchem Namen diese*r oder jene*r Produzierende*r hier und dort auftauchen. Ich weiß noch genau, wie mich Kolleg*innen teilweise gerügt haben dafür, dass ich 12-inches mit DJ-Rampe, von A bis Z, alle zwölf Minuten, durchgespielt habe. Die sagen: Als DJ kann ich doch schön über die letzten Minuten die nächste Platte hineinlaufen lassen. Ich bin ja auch Club-DJ. Und da lasse ich sogar gerne zwei Platten vier Minuten gleichzeitig laufen. Aber als Radio-DJ war ich Fan für Fans. Ich hab mich eigentlich als Dienstleister verstanden. Früher habe ich sogar die Bestellnummern der Platten auf Künstler-eigenen Labels buchstabiert. Und ich hab sie wirklich von A bis Z gespielt. Das hat mir total Spaß gemacht.
Das Radio war für dich also eine Leidenschaft. Was für eine Beziehung hattest du zu deinen Hörer*innen?
Mir war natürlich bewusst, dass ich im Radiostudio für andere Leute da draußen sende, die ich natürlich nicht sehe. Aber ich fand auch immer dieses Versenden schön. Anders als bei den Listen, die da ja dann ewig stehen. Und auch, wenn ich mittlerweile hauptsächlich als Romanautor unterwegs bin, ist für mich Musik aller möglichen Arten das Leitmedium im Leben.
Wird das, was du bisher im Radio ausgelebt hast, nun in der Literatur stattfinden?
Ich hab’ ja immer schon viel Musik in die Literatur einfließen lassen. Musik ist in meinen Texten von großer Bedeutung, in meinem Roman Hellblau hab’ ich mich hauptsächlich mit Techno beschäftigt. Drexciya und überhaupt Detroit Techno spielen da eine große Rolle. Das wird sich auch weiter niederschlagen.
Was bedeutet das Ende dieses Formats für dich?
Manchmal sind bestimmte Genres oder Sparten einfach vorbei. Wie der Printjournalismus. So streitet sich auch der Rundfunk mit der Printpresse und allem anderen, was da draußen ist, um den Platz im Internet. Es gibt jetzt die sogenannte Trimedialität: Dass Nachrichten, Fernsehen und Radio von denselben Leuten gemacht werden. Da findet eine komplette Umstrukturierung statt.
Dieses Genre der Talking Heads im spätabendlichen Radio, die oder der Platten auflegt und dazu was sagt, das wird es immer weniger geben. Ich denke, dass das Radio, wie ich es kennengelernt habe, mehr oder weniger aussterben wird. Schließlich gibt es heute doch Playlists. Oder Podcasts. Aber das ist was anderes! insofern finde ich jetzt den Moment aufzuhören, gar nicht so schmerzhaft. Es ist aber schade, dass diese – in meinen Augen wichtige – Vermittlerfunktion verloren geht. Die habe ich immer sehr gemocht. Ich hab auch immer die GROOVE sehr gern gelesen. Sie war für mich mit ihren krediblen Leuten ein Gatekeeper. Und das kann das Radio auch.
Die letzte Folge von Thomas Meineckes Nachtmix könnt ihr hier hören.