Dass er mindestens 95 Tage für die GROOVE arbeitet, verlangte seine Uni von unserem Praktikanten Simon Geiger. In dieser Zeit produzierte Simon für uns ganze 84 Beiträge. Es ist also kaum ein Tag vergangen, an dem er auf unserer Seite nicht präsent war. Dabei beackerte er gleich eine ganze Reihe von Ressorts. Im News-Segment dominierte natürlich der Struggle der Szene mit Corona. Dennoch wurde bei Nachrichten zu einem neuen Sample-Pack von Legowelt oder einer neuen Ableton-Version Simons Leidenschaft für Musiktechnologie und Studiotechnik deutlich, der er in seinem Gesellenstück, einem zweiteiligen Interview mit Musiker und Mastering-Ingenieur Pole, frönen konnte.
In diesem Rahmen erkundete er die Spannung in Poles Biographie zwischen seinem Eintauchen in den Berliner Underground der 1990er Jahre und Mastering-Jobs für Popgrößen wie Martin Gore. Mit der Zeit erweis sich das feinfühlige und sprachgewandte Beschreiben von Musik als besonderes Talent von Simon, das er in diversen Trackpremieren und Reviews auslebte, die in den 84 Beiträgen noch gar nicht erfasst sind. Da überrascht es kaum, dass ihm bei seinem Platten-der-Woche-Roundtable zum Abschluss seines Praktikums eine Auswahl von Releases gelungen ist, bei der die Spannung nicht abreißt. Wir wünschen Simon alles Gute für seine Zukunft – und euch viel Spaß mit den Platten der Woche.
Gesloten Cirkel – BM7 (Bad Manners)
„Yes of Course”
Simon: Diesen Track neulich in den DJ-Charts von Marcel Dettmann entdeckt.
Alexis: Gesloten Cirkel ist zu Recht ein beliebter Electro-Act, auch diese EP auf Marcel Dettmanns Label Bad Manners macht gleich gute Laune. Sie beginnt mit einem überraschend durchlässigen Groove samt poppiger Hook und Vocal.
Max: Flugs das eigene Label gepusht. Aber wieso auch nicht, Gesloten Cirkel immer stark.
Alexis: Eine oldschoolige Unkompliziertheit erinnert an Künstler wie I-F oder Unit Moebius.
Simon: Das Drumpattern ist einerseits simpel und doch extrem groovy.
Max: Einigermaßen unnötige Rand-Info: Gesloten Cirkel hat sich nach einer Aussage I-Fs benannt, in der er den ganzen Dance-Music-Kosmos als geschlossenen Kreis bezeichnet.
Alexis: Für Edge sorgt dann eine rumpelnde Bassline, die immer ein wenig aus ihrem Frequenzkanal rausspringt.
„IFMMTV”
Max: Wird etwas zu unrecht immer wieder auf seinen Überhit „Submit X” reduziert.
Max: Das klingt am Anfang eh nach „Space Invaders Are Smoking Grass”.
Alexis: Jetzt wird’s noch I-F-iger. Fast eine Hommage an diesen Track.
Max: Absolut.
Simon: Noch mehr Old-School-Feeling dank dem Vocoder-Effekt.
Max: Aber weniger Electroclash.
Max: Viel Raum zwischen der 1 und 2, zwischen der 3 und der 4.
Alexis: Schön, weil es nicht darin erstarrt Hommage zu sein, sondern frei und jammig ist.
Max: Gesloten Cirkel auch der Act für Underground-Fantum schlechthin.
Simon: Schöne Stimmung, könnte ein epischer Closer einer langen Nacht sein.
Max: Wie gemacht für die Panorama Bar.
Alexis: Sie lassen die Bassfigur laufen mit kleinen Veränderungen, dann kommt ein atmosphärisches Pad dazu, das angenehm unaufdringlich ist, das aus der Ferne in den Track schallt.
Max: Ist das nicht nur ein Typ?
Alexis: Keine Ahnung. Fill us in, Simon.
Simon: Ist nur ein Typ, ja. Aber viel über GC ist nicht bekannt.
„Fakedfam”
Max: Ein Titel, der die Missstände in der Techno-Family offenlegt? Während Pandemie-Zeiten usw.? Schwingt wuchtig, das bewegt sich alles just an der Grenze zwischen Electro und Techno. Die Abstände zwischen den Schlägen nie gleichmäßig. Und jetzt auch noch Acid.
Simon: Mein Favorit, sehr dichtes, lebendiges und basslastiges Drum-Pattern. So noch nie gehört.
Max: Bzw.: Nie Four-To-The-Floor. Und dann aber doch immer wieder die große Katharsis dabei, schön. Geht in seinen Gegensätzen auf, Acid-Stepper auf der einen, Schönheit auf der anderen Seite.
Simon: Sehr schöne Details mit den Tonhöhen-Modulationen.
Alexis: Jetzt ein wüster, marschierender Breakbeat-Track, dessen Derbheit verspielte, zwitschernde Klänge brechen. Das I-Tüpfelchen ist eine klassische Acid-Figur, ausgelöst durch ein Sci-Fi-Pad, das aber nicht die Absolution erteilt, sondern angenehm fremdartig bleibt. Ethereal, wie Actress sagen würde.
Max: Absolut ethereal. Alle Tracks bislang eher kurz, oder? Auch eine Qualität Gesloten Cirkels, nimmt man das schon erwähnte „Submit X” als Bezugsgröße.
Alexis: Nein, gar nicht kurz.
Max: Die anderen doch schon, oder?
Alexis: Zwischen fünf und sieben Minuten.
Max: Krass, dann vergingen die einfach extrem schnell.
„Shadow of the Rat”
Max: Ok, die ersten Drei, auf die ich mich bezog, sind aber auch nicht sonderlich lang! Wie auch immer, „Shadow of the Rat” bislang am einschlägigsten für den Floor.
Simon: Das Tempo nimmt wieder zu, Acid bleibt mit heruntergedrehtem Filter erstmal bestehen.
Alexis: Das ist die Dub-Techno-Nummer der Platte, die sich nicht im Gewaber verliert. In den Dubs treffen verschiedene Klangfarben aufeinander, Bass und Hooks klingen überraschend housy und sonnig, das Drumming organisch.
Max: Jetzt konkretisiert sich die Snare plötzlich noch, rattert alles solide durch und wirkt stimmig.
Max: Das assoziierst du mit Dub Techno?
Simon: Das Rauschen im Hintergrund fügt sich richtig schön zwischen die fetzige Acid Line und die kurzen Vocal-Shots.
Max: Ich find’s in der Produktion eher Lo-Fi, dennoch funktional.
„Prisonriot”
Max: Ok, da entwickelt sich die Spannung aus der Hi-Hat, die anstachelt.
Simon: Mit dem Kompressor total „überfahren”. Atmet richtig schön.
Max: „Überfahren” oder überfahren?
Simon: Überfahren. 🙂
Alexis: Dennoch die Nummer, die sich mir am wenigsten erschließt.
Max: Na ja, den „Prisonriot” versinnbildlichen Sirenen. Insgesamt die ganze EP eher etwas unheimlich in der Farbgebung.
Alexis: Dennoch: Eine tolle EP, an der einfach alles stimmt. Die schönen, subtil-poppigen Melodien, die spannungsvolle Komposition mit viel Austausch zwischen den einzelnen Elementen, die Lo-Fi-Produktion, die dennoch ansprechend klingt. Und ganz besonders der organische Duktus, der ein wenig wirkt, als würde man einer Band zuhören.
Max: Gehe da mit.
Simon: Erzeugt gleich eine ganz andere Stimmung als die anderen Tracks. Sehr düster und direkt.
Simon: „Als würde man einer Band zuhören” – genau! Es klingt alles sehr analog.
Max: Und dabei ist es nur ein enigmatischer Russe im Maschinenfuhrpark.
Giordano – Into Your Mind (Sävy)
„Into Your Mind”
Alexis: Mir sind die Tracks für ihren erfrischenden Breakbeat-Sound aufgefallen, der nicht verbiestert daher kommt, sondern verspielt und auf hintergründige Weise jazzy.
Max: Schöne Breaks jedenfalls, die satt klingen.
Max: Verbiestert muss ich in mein Rezensions-Vokabular mit aufnehmen.
Simon: das Sounddesign hat mich hier aber gleich von Anfang an gepackt.
Max: Was sich auf Melodie-Ebene abspielt, finde ich sehr innovativ. Habe das Gefühl, die Hook, wenn man sie denn so nennen kann, habe ich noch nirgends so gehört. Dann grobkörniger Noise dazu, das würde im Club funktionieren.
Alexis: Die Hook klingt wie eine Siebziger-Jahre-Fusion-E-Gitarre. Aber nur ein kurzer Schnipsel daraus.
Max: Klingt fast wie eine durchs Effektgerät gedrehte Flöte.
Simon: Hört sich so an, als hätte man was aus Versehen durch einen Gitarren-Amp geschleift und daraus einen Track gebastelt.
Max: Zweimal Gitarre, einmal Flöte.
Simon: Passt aber auf ganz eigene Art und Weise zusammen. Das dreamy Arpeggio und die verzerrte Flöte mit den Jungle-artigen Drums.
„Catch Up”
Max: Okay, da werden die Dub-Tentakeln ausgefahren.
Simon: Jetzt ohne Amp, trotzdem wieder interessanter Sound.
Max: Ah, auch hier wieder. Wie er zu den Melodien kommt, wirkt echt unkonventionell.
Alexis: Ja, die Melodien wirken ungewöhnlich frei und improvisiert.
Simon: fühlt sich sehr menschgemacht an, aber auf einem anderen Planeten.
Alexis: Schön gesagt.
Max: Sehnsucht und Breaks, die Mischung funktioniert nicht erst seit Burial. Mars-Vibes.
Simon: Klingt auch leicht melancholisch, ja.
Max: Ungemein dicht, irgendwas ist immer im Mix, mit Stille musizieren ist Giordanos Sache nicht.
Simon: Eigentlich wiederholt sich alles, aber auch nicht.
Alexis: Stimmt, die Nummer erinnert an Burial, aber mit weniger Pathos. Er geht nicht so in den Jazz wie die Westlondoner Szene um Dego und so weiter.
Max: Die Zutaten finde ich eigentlich relativ naheliegend, was daraus entsteht, ist jedoch irgendwie anders als der Rest. „Auf hintergründige Weise jazzy”, wie du anfangs meintest.
„Sticky End”
Max: Der ist jetzt generischer als die anderen beiden, aber auch nicht verkehrt.
Simon: Sehr krass produziert, die Drums drücken richtig und das melodische Pad im Hintergrund ist filmreif.
Max: Prädikat generischer aber auch nur, weil die krassen Melodien fehlen. Ein melodramatisches Burial-Jagdhorn-Pad höre ich trotzdem.
Alexis: Stimmt, nicht ganz so stark wie A1 und A2. Wie er die Poesie aus den Loops entwickelt, ist Detroit-y.
Simon: Vor Allem der Kontrast zwischen den ruhigen Flächen und den harten Drums gefällt. Aber mir geht diese Bowling-Perkussion nicht aus dem Kopf.
Max: Wieso Bowling?
Simon: Es gibt eine bestimmte Percussion, die sich so anhört, wie wenn ein Bowling-Pin umfällt.
Max: Richtig schön jedenfalls: Das Konzept stimmt von Anfang bis Ende, die Sound-Palette erweitert sich nicht unverhältnismäßig.
„Lisbon Bridge”
Alexis: Hier auch wieder sehr schön die lyrischen Phusion-Sounds auf der einen Seite, die nur angetriggert werden. Und die abrupten, futuristischen Drums auf der anderen.
Simon: Was mir jetzt erst so richtig auffällt, seine Melodien haben immer eine Atempause zwischen den Parts, wo sich ein Ton langsam annähert und die Melodie einleitet.
Simon: Call & Answer in Perfektion.
Max: Damit ist alles gesagt, schöne, breakige EP, die nicht nur bombastisch produziert ist, sondern, und das ist ja ohnehin selten, überrascht.
Alexis: Eine schöne EP, die man überhaupt nicht einordnen kann.
Max: Wie jetzt auch am Ende die Melodie alleine steht: In den frühen 2000ern hätte man das epic genannt.
Simon: 🙂
Peder Mannerfelt – And The Band Played On (VOAM)
„Year of the Rats”
Max: Ui, der zweite Ratten-Titel heute. Absoluter Gossen-Roundtable.
Alexis: Das Ratten-Motiv hast Du wohl als Leitmotiv für Deinen Roundtable ausgewählt, Simon?
Simon: Haha, der erinnert mich stark an Blawan.
Max: Simons Faible für ausgeklügelte Produktionen manifestiert sich jedenfalls durch die Bank. Da steckt auch wieder extrem viel drin.
Simon: Es groovt einfach ohne Ende.
Max: Stimmt.
Alexis: Selten klingt Techno heute so ungewohnt und originell.
Max: Lohnt sich, mal auf alle Elemente genauer zu achten.
Simon: Sehr Noise-geprägt und viel Liebe im Detail, genau.
Alexis: Ein eigentümlich flacher Sound, der mit ungewöhnlichen, verwehten Sounds arbeitet, damit aber doch sehr viel Struktur erzeugt.
Simon: Alles ist auf den zentralen Groove abgestimmt, klingt aber nie langweilig oder eintönig.
Max: Spannend besonders dieses schiebende Moment, dass die Takte einleitet und dem Dub verfallen ist.
Simon: Auch eine sehr originelle Basseinteilung auf der Kickdrum, die auf dieser Anlage aber leider nur dumpf klingt.
Max: Tja, eine PA ist das in der Redaktion nur im weitesten Sinn. Phasenweise fast etwas überladen, aber ich find’s stark.
Alexis: Der eigentlich Groove besteht aus einer kurzen Percussion-Figur, die vom rhythmischen Design der Soundscapes gepusht wird. Sneaky!
„Toms For Life”
Max: Ok, relativ geradliniger Jam im Stile Matrixxmans.
Simon: Warum nicht „Snare For Life”, denkt man sich erst.
Alexis: Stimmt, aber nicht so krachledern wie Matrixxman.
Max: Haha, diese pejorativen Adjektive immer. Ich finde Matrixxmans Jams super.
Alexis: Haha.
Max: Wüste Filter-Spielereien auch am Start.
Simon: Die Elemente wieder krass in Bewegung und nie statisch, da steckt mindestens genauso viel Arbeit in der Automation wie in der eigentlichen Produktion an sich.
Max: Überzeugt mich auch weitestgehend. Wow. Jetzt wird’s tieffrequent.
Alexis: Das hier gibt sich nicht als dezidiert krass zu erkennen, es ist ein verspielter Drum-Jam, die en passant einen irren Drive entwickelt. Sneaky!
Max: Erneut sneaky.
Simon: Entwickelt sich ziemlich stark gegen Ende mit diesem Noise-Gewitter.
„Squarewave to Heaven”
Simon: Auf jeden Fall mein Favorit, was Tracktitel angeht.
Max: 😀 Ja.
Alexis: Aber mal ein Versuch, nicht alles abzufeiern: Ist Peder nicht ein heimlicher Progrocker?
Max: Sehr unvorhersehbar sind sämtliche Tracks.
Alexis: Sneaky, ohne Frage. Aber proggy.
Max: Haha, wäre das denn eine Beleidigung? Bin heute erst an einem Mogwai-Plakat vorbeispaziert. Obwohl das ja Postrock ist. Aber ich rudere schon zurück. Ist zu gut, um daran rumzumäkeln. Alles stählern, alles bleiern, aber liebevoll orchestriertes Chaos.
Simon: Der Track fokussiert sich wieder mehr auf die einzelnen Elemente und ist zurückhaltender, was Automation und verrückte Filter-Fahrten angeht.
Alexis: Das ist Techno, aber es scheißt auf die ganze 909-Ästhetik, auf die klassischen Synths.
Max: Von mir aus auch proggy, aber die Nummer ist ja irre. Erinnert mich an Schmob Records in besten Tagen.
Alexis: Haha.
Simon: Das Sounddesign ist beeindruckend.
Max: Vollmundig!
Simon: Wer würde den jetzt nicht auch gern im Club hören wollen.
Max: Da erübrigt sich das Schreiben tatsächlich, sollte man gehört haben.
„Hudson Lament”
Max: Groove-Ausflug ins Blank 2019, da war Mannerfelt super.
Alexis: Stimmt, aber als Producer ist er noch stärker denn als DJ.
Simon: Das Im Studio mit ihm war auch super.
Max: Okay, jetzt eerie. Das ist der Soundtrack zu einem einigermaßen trashigen Alien-Film aus den Neunzigern.
Alexis: Sehr treffend, läuft irgendwie interessant aus dem Klangraum.
Max: Wieso nicht die Konvention ad acta legen und die Ambient-Nummer hintenran schieben.
„Sail On Silverboy”
Alexis: Jetzt nochmal ein kurzer experimenteller Track.
Max: Das klingt nach… Rock. Jäh unterbrochenem, unsteten Rock.
Alexis: Strange fühlt es sich schon an. Jetzt ein flirrendes Riff, das, ja, ein wenig an das Gitarrensolo einer Rockplatte erinnert, das an alle Grenzen stoßen will. Funkadelic auch. Hier steht es ganz für sich.
Max: Und jetzt nach Trap. Ratatat aus Atlanta, in einer Paralleldimension.
Simon: Schön gesagt. 😀
Max: Der experimentellste Track bislang heute. Da lehne ich mich allerdings auch nicht weit aus dem Fenster, haha.
Robert Hood – Underestimated EP (M-Plant)
„Black Man’s World”
Max: Ok, könnte man sogar erkennen, dass das ein Hood ist.
Simon: Über seine Person muss man ja nicht viel schreiben.
Alexis: Diese drei Tracks sind ursprünglich 1998 erschienen, auf Robert Hoods Label M-Plant. Seine Meisterwerke Internal Empire und Minimal Nation lagen schon einige Jahre zurück. Dennoch sind es starke Tracks.
Simon: Leider noch vor meiner Zeit, aber sein Impact war riesig.
Max: Puh, da habe ich nicht viel zu schreiben. Detroit Techno, der ohne Umschweife funktioniert. Sehr clean, sehr funktional.
Simon: Schöner Rhythmus schleicht sich mit den 16tel-Percussions und der Off-Beat Clap ein.
Alexis: „Black Man’s World” hat den typischen freistehenden Hood-Groove mit der nackten Bassdrum, die von nichts flankiert oder unterstützt wird, und die typischen flirrenden Sounds. Für viel Energie sorgen die schmetternden Claps, für Überraschung die elegischen Streicher, die aus dem Nichts kommen.
Max: Jetzt noch die Gospels drauf und die Melodie noch klarer rausstellen, dann ist es nicht so weit bis zu „Never Grow Old”, dem Floorplan-Banger aus den Zehnern. Muss aber zugeben, dass es mir so lieber ist.
Simon: Das synthetische Pfeifen hält den Track am Laufen.
„Sleep is the Cousin of Death”
Max: Haha, was ein Name.
Simon: Das habe ich mir auch gedacht.
Max: Rave-Motto und ein Beleg dafür, dass das aus Hoods wilderer Phase stammt. Derzeit deshalb umso schwieriger, sich diese treibenden Grooves sitzend vor dem Laptop zu geben. Hi-Hat als Exzess-Treiber bis heute bestes Rezept.
Simon: Stimmt, 100 Prozent Dancefloor-Material. Fast hypnotisch mit der Vocal.
Alexis: Auch diese Nummer hat mit den reduzierten Stabs und den peitschenden Hi-Hats den ultrareduzierten Maschinenfunk, mit dem Hood Techno-Geschichte geschrieben hat. Einen interessanten Akzent setzt das Vocal, das im Hintergrund mitläuft.
Max: Erinnert mich an DVS1s „Black Russian”, wenn auch etwas praller im Klang.
„Hard To Kill”
Max: Wenn ich oben schon von Drum-Rezepten fantasiere: Techno ohne Snare macht nach wie vor mehr Spaß.
Alexis: Die großspurigen Sounds dieser Nummer klingen etwas europäischer und normaler. Die typische Hood’sche Spannung erzeugt er, indem er den Loop breittritt.
Max: Die Melodie bekommt plötzlich einen doppelten, leicht atonalen Boden, jetzt das Piano – schön.
Alexis: Die verstimmten und zeitlich sonderbar gesetzten Pads geben dem Track eine psychedelische Note. Sneaky!
Max: Stimmt, europäischer in dem Sinne, dass ich’s mir auch im Belgien der Neunziger vorstellen könnte.
Max: Es wird ausschließlich gesneakt.
Alexis: Genau, da hat er sich mal von dem Belgien inspirieren lassen, das ihn sonst eher abgestoßen hat.
Simon: Das Piano gibt dem sonst statischen Gerüst irgendwie eine Menschlichkeit, dann wieder die Vocals.
Max: Die auf der EP aber immer geschmeidig unterm Beat abtauchen.
Simon: Psychedelisch trifft es gut, trotz dem sauberen, maschinellen Techno im Vordergrund.
Roman Flügel – Anima EP (Running Back)
„D.I.S.C.O (Extended Edition)”
Alexis: Mit „Garden Party” hatte Roman Flügel einen der großen Hits von 2020. Jetzt steht ein neues Album auf Running Back an. Appetit soll diese Maxi machen, die Anima EP.
Simon: Musik für draußen.
Max: Sehr kitschig, aber mag ich irgendwie.
Alexis: Kitschig finde ich den Track gar nicht. Spacey und ungewöhnlich ungebrochen für Roman Flügel dieses Stück, erinnert in seiner Naivität an Todd Terje.
Max: Fort Romeau, Innervisions, Sasha (Airdrawndagger) drängen sich bei mir auf.
Alexis: Innervisions?? Hör mal uff.
Max: Vocals klingen wie aus Limp Bizkits Version von „Behind Blue Eyes”. Aber, nochmal: Finde das Lied gut!
Simon: Ich mag die kitschigen Sommer-Vibes von Roman nach wie vor. Macht Laune.
Max: Yes.
Simon: den Roundtable könnte man fast chronologisch absteigend nach der Musikrichtung sortieren, die ich neu kennen- und lieben gelernt habe in der Zeit als Praktikant. Mit Roman Flügel bin ich gestartet, und mit Gesloten Cirkel fahr’ ich wieder zurück, wenn das irgendwie Sinn macht.
„D.I.S.C.O. Dub Mix”
Ein Hörbeispiel müsst ihr euch hier leider selbst besorgen.
Alexis: Schön, wie die Bassdrum nicht mehr zupackt, sondern kälter und steiler ist.
Max: Heißt „Dub Mix” in dem Fall, wie so oft, dass man die offensichtliche Melodie rausnimmt, um die Uni-Erstis auszuschließen?
Simon: Sehr spacig alles, viel Delay.
Max: Offenbar! Und erneut gelungen.
Alexis: Spacey, aber nicht assoziativ und selbstgefällig wie viele dieser Tracks. Nüchtern, fast unschuldig.
Max: Von unschuldig zu betont elitär ist es oft ein kurzer Weg.
Alexis: Haha, nee.
Simon: Es gibt nicht viele Elemente, aber die, die es gibt, sprechen für sich und funktionieren. Und die Tom-Eskalation ist natürlich hammer.
Alexis: Die Tom-Eskalation ist tatsächlich top.
Max: Nein, aber ich klinge zu bitter, finde auch die Nummer gut. Zieht sich aber etwas.
„Anima”
Simon: Das geht für mich schon eher in die Innervisions-Richtung.
Alexis: Finde ich gar nicht. Das ist eher der Flügel mit den eigentümlich ungreifbaren Sounds. Innervisions ist nie so reduziert, immer viel Hall und viele Layer. Das ist extrem reduziert mit wenigen spitzen Sounds, die aufflackern.
Max: Ne, die kreischenden Synths, die aber eigentlich doch ganz handzahm sind, verkörpern Innervisions schon irgendwie. Stimmt aber auch: Die „eigentümlichen Sounds” sind dabei und machen den Track durchaus interessant.
Alexis: Bei Innervsions haben die immer gleich eine Aussage, hier stehen sie für sich.
Max: Auch der Groove selbst gefällt, weil er macht, was er will.
Simon: Hat was Träumerisches, obwohl es kaum Melodien gibt.
Alexis: Die Streicher auch sehr schön, Terry Riley schwingt da mit, nicht das typische Fernsehfilm-Soundtrack-Gedöns.
Simon: An der Stelle hätte man auch gut mal die Kickdrum weglassen können. Aber dann wäre es wohl kein Roman Flügel mehr.
Alexis: Die Kickdrum weglassen – wieso sollte man das tun?
„Eating Darkness”
Max: Aha, jetzt wird’s nochmal loungy zum Ende.
Simon: Titel passt.
Max: Kuratorische Meisterleistung, der wiegt zum Ende fast in den Schlaf. Sehr warme Synths, die sich über einem gezähmten Breakbeat schmiegen.
Alexis: Jetzt ein stiller, introvertrierter Epilog mit einem vertrackten Synth-Pattern. Nach innen funky, nach außen ein Schlaflied.
Max: Einer für die Ambient-Sets im dritten Lockdown.
Alexis: Exactly.
Simon: Geht runter wie ‘ne warme Tasse Tee.