Peder Mannerfelt in seinem Studio (Alle Fotos: Studio Peder Mannerfelt)
Der Schwede Peder Mannerfelt ist schwer zu fassen: Ursprünglich begann er seine Karriere als Tontechniker im schwedischen Ableger der Murlyn Music Group Studios. Gleichzeitig feilte er da schon unter seinem Alias The Subliminal Kid an einer sehr eigenständigen, bisweilen sperrigen Interpretation von House, bis ihn Paul Purgas von Emptyset dazu ermutigte, seine technoiden Elektronik-Studien unter seinem bürgerlichen Namen zu veröffentlichen.
Gleichzeitig arbeitet er zusammen mit Malcom Pardon in seinem Langzeitprojekt Roll the Dice an der Erschaffung von Ambient-Klanglandschaften. Auf seinen letzten Veröffentlichen macht Peder Mannerfelt Techno, der je nach persönlicher Stimmung durchaus furchteinflößend wirken kann: Denn oft fertigt er spröde Prozessgebilde, die wie Maschinen klingen, denen man sich als Mensch besser nicht nähern sollte, weil man zwischen ihren scharfkantigen, automechanischen Bewegungen zerquetscht werden könnte. Grund genug für uns, den Musiker in seinem Schaffensraum zu besuchen.
Wo die langjährige Kooperation mit Malcom Pardon ihren Ursprung hat, erklärt sich sofort, wenn man die zum Studiokomplex umgebaute Fabriketage betritt: Denn Mannerfelt hat sie zusammen mit ihm und dem schwedischen DJ Joel Mull zu einem komfortablen Multi-Studio-Komplex umgebaut: Alle Räume sind akustisch voneinander entkoppelt und es stehen eine gemeinsam genutzt Recording-Booth und ein großzügig bemessener Gemeinschaftsbereich zur Verfügung. Im kleinsten der vier Studios hat sich Mannerfelt eingerichtet und berichtet, dass er erst kürzlich seinen iMac in Rente geschickt und den frei gewordenen Platz mit einer hübschen Sammlung von Kakteen dekoriert hat. Ohne jede Wehmut gibt er zu Protokoll, dass er über die Jahre zu einem überzeugten Laptop-Musiker geworden sei.
90er Jahre Schweden-Techno
Entsprechend ist auch die Mixarbeit vollständig in den Rechner gewandert. Mit zwei Ausnahmen: Gehe es um verzerrte Techno-Drums im Stil des schwedischen Labels Drumcode, sende er das Schlagwerk immer noch gerne durch einen uralten – gebraucht oft für wenige Euro zu bekommenden – Boss-BX-12-Mixer. Bei Live-Drums kommt immer noch sein altes Mischpult A/5 von Tore Seem zum Einsatz, das in den Achtzigern mal als Rundfunkkonsole in Benutzung war. „Die Firma stellt eigentlich hauptsächlich Waffen her, deshalb ist das Teil wie ein Panzer gebaut – das ist alles solider Stahl”, berichtet Mannerfelt.
Von da aus geht das Signal in eine vorbildlich verkabelte Patchbay, um dann, digitalisiert von einem erstklassigen Apogee-Symphony-I/O-Wandler, den Weg in den Rechner zu finden. Abgehört wird bei ihm wechselweise über ein paar kleine Genelec-Monitore und über den Klassiker unter den Studiomonitoren, die Yamaha NS-10. „Die Genelecs sind irgendwie mehr groovy und machen beim Produzieren mehr Spaß. Wenn es dann aber ans Mixen geht, bevorzuge ich den ehrlichen, flachen, fast schon rohen Klang der Yamahas”, sagt Mannerfelt. Und da sich die Monitore schon seit den Anfangstagen seiner Musikerkarriere im Einsatz befinden und entsprechend schon einiges mitgemacht haben, sehen sie deutlich ramponiert aus, woran er sich kein bisschen stört: „Ich mag das – sie sind wie ein Paar Jeans, denen man ansieht, dass sie schon ewig getragen wurden.”
Aus der Rappelkiste
Wichtige Komponente im Rack: Der Distressor, ein legendärer Kompressor von Empirical Labs, über den Mannerfelt eigentlich alle Klänge seines Modularsystems aufnimmt. Der Schwede ist überzeugt, dass er das ideale Werkzeug ist, um das manchmal etwas schroffe Dynamik-Verhalten der modularen Verschaltungen aufzufangen. Ein weiteres essenzielles Werkzeug ist sein altes AMS-RMX-16-Hallgerät. Mannerfelt, der mit einer hohen, etwas tonlosen Stimme spricht, schwärmt: „Es ist noch voll mit Chips, und allein schon die Möglichkeit, hier diesen Knopf [er dreht am zentralen Parameter-Potenziometer] im manuellen Zugriff zu haben, unterscheidet es von jedem Plug-In.”
Dasselbe gelte auch für seine beiden analogen Tape-Delays: Das Roland RE-301 Chorus Echo und ein Maestro Echoplex. Besonders letzteres schätze er wegen der vielen Unberechenbarkeiten, die sich in dieser Form am Rechner nicht erzeugen lassen, und nennt es liebevoll seine „Rappelkiste”. Allerdings sei das Gerät auch extrem wartungsintensiv: „Es gibt da einen alten Tape-Echo-Guru, der eine Stunde von Stockholm entfernt lebt, den ich damit regelmäßig besuche. Das Lustige ist, dass er überhaupt kein Verständnis dafür hat, warum die ganzen Musiker*innen so an diesen Bandechos hängen. Er selber hat ein digitales Delay-Pedal entwickelt und sagt jedes Mal, wenn ich da bin: ‚Hier, das Ding klingt viel besser, ist zuverlässig und hat Presets – was willst Du immer mit diesem alten, gammeligen Bandecho?!’”
Modularsystem als Effektboard
Die linke Hälfte seines zwar kleinen, akustisch aber ausgesprochen gut klingenden Arbeitsraums bildet ein Schrank, in dem sich allerlei Bodeneffekte in friedlicher Eintracht mit diversen Klangerzeugern stapeln (darunter: Roland TR-606, Boss DR-110 und – der nach Ansicht des Autors etwas unterschätzte – Arturia Microfreak). Darauf thront ein Modularsystem, das mit einer schönen Sammlung von Komponenten, darunter der Trigger Riot von Tiptop Audio, das Panharmonium von Rossum und das Mimeophon von Make Noise, bestückt ist.
Tatsächlich nutzt Mannerfelt sein Modularsystem, zusammen mit seinem raren EMS Synth A, vornehmlich als Effektsektion, um damit seinen Tracks, die zwischenzeitlich fast ausschließlich in Ableton Live entstehen, nachträglich ein gewisses Maß an Granularität und Unberechenbarkeit mit auf den Weg zu geben. Immer im Einsatz sind dabei die kostenlos erhältlichen CV Tools von Ableton, eine überaus nützliche Sammlung von zehn Max-for-Live-Effekten, mit denen sich über ein normales Audio-Interface diverse Steuerspannungen ausgeben lassen, um damit Modularsysteme synchron mit der DAW zu betreiben.
„Um ehrlich zu sein, macht der ganze Outboard-Kram vielleicht gerade noch 15 Prozent meiner Stücke aus – der Kern passiert in Ableton”, sagt der 38-Jährige. Tatsächlich habe er sich in den letzten Jahren zu einem vollwertigen Laptop-Musiker entwickelt, der sich sogar mit den internen Lautsprechern seines Macbooks angefreundet hat und darauf produziert: „Im Studio bewerte ich eigentlich nur noch das Low-End und korrigiere da ein paar Sachen, falls erforderlich, ansonsten bin ich mobil und genieße es tatsächlich sehr, bei jeder Gelegenheit arbeiten zu können.”
Gefragt, woher er die Inspiration für seine Stücke bezieht, entgegnet Mannerfelt trocken, dass sein Grundparadigma fast immer der Versuch ist, Musik zu kopieren, die er gut findet: „Ich höre etwas und denke: das will ich auch machen. Und dann fange ich an und spüre, wo es mich hinführt. Ab da ist dann alles offen, und es kann passieren, dass ich Techno machen will und bei Ambient ende – und umgekehrt.”
Die Interpretation des Publikums
Wenn es um die Live-Umsetzung seiner Musik geht, ist Mannerfelt ein überzeugter Anwender des QuNeo von Keith McMillen. Einem Controller, der nunmehr schon fast sechs Jahre auf dem Markt ist und mit seinen insgesamt 16 mehrfarbig beleuchteten, multifunktionalen Touch-Pads eine Vielzahl von Kontrollmöglichkeiten auf engstem Raum bietet. Mannerfelt verbindet eine Hassliebe mit dem Gerät: Sein Aktuelles sei das nunmehr Dritte, da die vorherigen alle kaputtgegangen seien. Nach dem zweiten Totalausfall hätte er versucht, ohne zu performen, hatte dann aber wieder eins gekauft, da er bei keinem anderen Controller das Gefühl hat, ihn wirklich instrumental spielen zu können. Und Live-Sets und DJing haben bei Mannerfelt einen elementaren Stellenwert. Er schwärmt: „Du bekommst ja eine direkte Anwort vom Publikum, dieses direkte Feedback ist irgendwie eine magische Sache – du machst ein Stück, machst dir dabei viele Gedanken, aber in dem Moment, in dem du es rauslässt, ist es völlig offen für das, was die Leute da hinein interpretieren. Auch und besonders, weil ich selbst ja ebenfalls keine abschließende Antwort auf meine Musik habe.”