Illustration der kommenden Veranstaltung von Bewegungsfreiheit

Bewegungsfreiheit, ein Party-Kollektiv aus Berlin, lädt am 10. Juli zu einer Soli-Party ein – diesmal im digitalen Format. Zwei DJ-Sets von Lux und Mareena umrahmen einen Kulturteil. Dieser besteht bei der kommenden Veranstaltung aus einer Podiumsdiskussion verschiedener Initiativen und der Vorstellung von Supportgruppen per Video. Unter den Teilnehmenden sind Vertreter*innen von Help4People, Neukölln Hilft, Among Us, Ohlauer Supportgruppe, Schlafplatzorga, Borderless Collective und das Anti-Deportation Café. Die Party soll auch eine Spendenkampagne von Bewegungsfreiheit unterstützen und das gesammelte Geld Help4People sowie dessen Partnerinitiativen gespendet werden. Sebastian Grap, Gründungsmitglied der Bewegungsfreiheit und Clubkulturaktivist, spricht im Interview über die Anliegen des Kollektivs und die kommende Streaming-Veranstaltung.

Hallo Sebastian, unter dem Namen Bewegungsfreiheit ist euer Kollektiv schon seit mehreren Jahren in Berlin aktiv. Wie habt ihr euch denn zusammengefunden? 

Die Bewegungsfreiheit ist im Sommer 2014 im Zuge der Oranienplatz-Proteste entstanden. In den Jahren zuvor hatte sich in Kreuzberg eine Protestbewegung gebildet, deren Ziel es war, auf die Situation von Asylsuchenden und Non-Citizens aufmerksam zu machen und für ihre Rechte einzutreten.

Nach der Räumung des Oranienplatzes und der Gerhart-Hauptmann-Schule brauchten viele Leute Unterstützung. So entstand während einer Mahnwache-Schicht auf dem Oranienplatz die Idee, eine Soliparty für die Betroffenen zu veranstalten.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Soli-Party-Reihe daraus zu machen?

Die erste Veranstaltung fand niedrigschwellig in der Bar Zum Böhmischen Dorf in Neukölln statt. Diese war ein voller Erfolg. Daraus wuchs die Motivation, regelmäßiger in den uns nahen Clubs zu veranstalten. Ein Grund war auch, dass die mediale Aufmerksamkeit für die in Berlin angekommenen Menschen mit und ohne Papiere mit der Zeit nachgelassen hat. Die Probleme der Geflüchteten im Alltag und mit Behörden sind aber geblieben.

Unsere Vernetzung mit ihnen und ihren Support-Strukturen ist inzwischen sehr eng. Dabei leisten unsere Partys einen wichtigen finanziellen Beitrag für sie. Wir haben mittlerweile einen Rhythmus von drei bis vier Veranstaltungen pro Jahr. Unsere Gruppe wuchs organisch aus dem erweiterten Freundeskreis, wobei politischer Aktivismus und Affinität zur Clubkultur bei uns Hand in Hand gehen.

Was ist das Konzept einer Soli-Party für euch? 

Man muss zuallererst dazu sagen, dass der Großteil der aktiven Mitglieder weiß ist. Wir sehen daher unsere Aufgabe darin, mehr als nur eine reine Charity-Veranstaltung durchzuführen. Wir wollen Menschen mit Fluchtgeschichte und die Support-Initiativen aktiv einbinden – ihnen eine Plattform für Öffentlichkeit, Kulturbeiträge und auch musikalische Acts bieten.

Unser grundlegendes Konzept besteht aus einem Kulturteil, zu dem wir in den frühen Abendstunden einladen, und dem anschließenden fließenden Übergang in das nächtliche Programm. Kulturbeiträge können dabei Infoabende, Podiumsdiskussionen, Filme, Theater, Konzerte, Küfas [Küche für Alle] und anderes sein.

Musikalisch orientieren wir uns an unseren eigenen Vorlieben, wobei wir auch viel von befreundeten DJs und Acts unterstützt werden, wie der STAUB, Mother’s Finest und Warning. Beim Line-up achten wir aber immer darauf, gehaltvolle Artists zu buchen und ein qualitativ hochwertiges Programm zusammenzustellen. Alle Acts bekommen eine kleine, symbolische Aufwandsentschädigung. Wir selbst machen das komplett ehrenamtlich.

Wie übersetzt ihr euer Konzept digital in die Corona-Zeit?

Da unsere geplanten Veranstaltungen im Watergate und ://about blank aus bekannten Gründen weggebrochen sind, haben wir eine Spendenkampagne aufgesetzt, die wir mit einem digitalen Stream pushen wollen. Dabei bleiben wir unserem Konzept treu und mischen einen Kulturteil mit DJ-Sets. Sieben Initiativen und Menschen, die teils seit Jahren um Bleiberecht kämpfen, kommen zu Wort. Hört ihnen zu, denn sie haben einiges zu sagen!

Lux und Mareena werden den Stream musikalisch untermalen. Ihre Sets haben wir auf dem MDF-Floor des ://about blank, das uns schon seit Langem unterstützt, aufgenommen und gefilmt. Wir sind sehr happy mit den Ergebnissen.

Gibt es einen besonderen thematischen Schwerpunkt bei der kommenden Veranstaltung?

Uns haben sich vor allem folgende Fragen gestellt: Wie können wir unter den aktuellen Bedingungen aktivistisch bleiben? Wie können wir kleinen Graswurzel-Organisationen Öffentlichkeit geben für ihre langjährige Arbeit, die derzeit noch weniger Gehör findet? Wie können wir unseren Spendenaufruf möglichst weit aus unserer Bubble streuen?

Die Antwort darauf findet sich in unserem Streaming-Format wieder, welches wir dank der Unterstützung von einigen Freund*innen aus der Filmbranche umsetzen konnten.

Vorheriger ArtikelWatergate: Club veranstaltet virtuelle Party „Yes We’re Open“
Nächster ArtikelCharts From The Past: Matthias Tanzmann (Mai/Juni 2005)