Alex Neri – Peaceful Warriors (Slow Life)
Sommerhit! Die BPM-Frequenz ist der Hitze angepasst, die Klanggestaltung mutet auf Outdoor-Anlagen zugeschnitten an. Und Alex Neri schenkt Herzchen-Vibes. Der Titeltrack windet sich wie eine Doppel-Liane durch die Blätterdächer, dazu wird gepfiffen, werden funky Beats gewuppt. „Cosmic Rain” als psychotroper Track schaukelt hin und her und verströmt eine angenehme Schwüle. Die A-Seite gibt sich stärker Club-orientiert. „Redeem” ist ein wunderschöner Deep-House-Track, und „Riding Light” ist so sehr Handtaschen-House (X- und Frauen- und Männer-Handtaschen!), dass ich schon die Blasen von meinen Stöckelschuhen spüren kann. Play! Dance! Peace! Christoph Braun
Disordered Rhythm Metronomy – Down (Perlon)
Sie werden einfach nur abgehangen haben, um sich tief in ihren Maschinen zu verirren. Sie, das sind Ricardo Villalobos und Edward, die gemeinsam als Disordered Rhythm Metronomy an die Öffentlichkeit gehen. Ihre erste EP nennt sich schlicht Down und erscheint auf Perlon, jener Villalobos-Homebase, für die er nur exzeptionelle Arbeiten abliefert. Die A-Seite „Vormlock” stampft im typischen Villalobos-Groove, humpelnd, aber dennoch voller Funk und mit einer unwiderstehlichen Illusions-Peitsche irgendwo zwischen Bassdrum, Hi-Hat-Voodoo und Trip-Rhythmik. Edward impft all dem eine neue, psychedelische Ebene ein, in der nicht nur verdrogte Synthsounds zirpen, sondern nun auch kleine Giegling-Melodien, sanft, minimal und nie zu lang erklingend. Am Ende verwandelt sich der epische Track, dessen pulsierender, aus der Hüfte geschossener Drive jede Party berauscht, in das für Villalobos-Tunes so typische auslullende Ende, dessen Jazz moderner ist als vieles, das heute das Jazz-Etikett trägt. Auf der B-Seite geht dann die Sonne auf. Und das unter dem Namen „Down”. Der ebenfalls weitschweifige Tune schwebt federleicht, wird kurz von zwei erdenden Breaks gespalten und lässt zittrige Hi-Hats jazzig zu Vogelzwitschern, lichtdurchfluteten Synthlines und dezenten Orgel-Chords tanzen. Ein Housetune für die besinnlichen, ruhigen Momente der Nacht, in denen vereinigte Innigkeit das individuelle Tanzen an den Rand drängt, um auf der Tanzfläche Gemeinschaftsmomente zu erschaffen, die einem kollektiven Aufwachen gleichkommen. Zudem hat „Down” ebenfalls viel Jazz. Diesmal auf ganzer Länge dank eines durchgehenden Hi-Hat-Zaubers, dessen Magie an das schwerelose Spiel eines Elvin Jones erinnert. Eine EP, die das Rad nicht neu erfindet, es aber so tunet, dass der Trip ein neuer wird. Minimal perfekt inszeniert und trotzdem nicht berechnend. Schaffen leider nur die Wenigsten. Was vielleicht daran liegt, dass sich nur die Wenigsten tief in ihren Maschinen verirren. Hoffentlich hängen Ricardo Villalobos und Edward noch öfters im Studio ab und kreieren gestörte akustische Impulse, die in gleichmäßigen Zeitintervallen ein konstantes Tempo aushauchen! Michael Leuffen
Hörbeispiele findet ihr bei den einschlägigen Onlinehändlern.
Fractions – Nite NRG (Monnom Black)
Zwei in Prag lebenden Russen – das Duo Fractions – klatschen euch vier Mainroom-Acid-Trancetechno-Albtraum-Bretter an den Schädel, die kurz vor Schranz rangieren. Im Titeltrack der EP Nite NRG klingen die Hi-Hats und Snares leicht breakig, vorhersehbar schrammelt der den Cutoff abwechselnd öffnende und schließende Arpeggio-Sägezahn-Loop dahin, als wäre er ein Preset der Sample-basierten MC-303-Groovebox von 1996. Der 909-Nachbau donnert ebenfalls nicht ganz geschmackssicher in die „This Is Quadrophonia”-Kommerz-Fläche, die im Stereobild voll aufgerissen wird, um den wirklich mehr als totgenudelten Amen-Break im Pausen-Break zu verwursten. Das ist ein Sound, für den sich so mancher 50-jährige Musikproduzent 25 Jahre nach der Hardtrance-Sackgasse womöglich schämen könnte. Kulturkonservatismus hin oder her, „Do You Believe” klingt exakt nach der Massenvernichtungswaffe von BRDDR-Rotterdam-Midlands-Musikproduzenten der Postmauerfall-Generation, die den herrlich verspielten Detroiter Techno-Funk im Kontext der Stadion-, Flugterminal-, Loveparade-Rave-Kommerz-Massen – mit 100.000+ im Gleichschritt stampfender XTC-Provinz-Touristen („Fährts schon?”) – plattgetrampelt hat. Diesen Krach hörte der abgestumpfte, heteronormierte Glatzen-Workout-Technokörper auf Speed – oben ohne oder im Meister-Proper-T-Shirt (Vetement-Meme-Baiting um 1995) –, omnipresent im aufgetuneten Proll-Schlitten, auf der Mayday im Ruhrpott, dem Zürcher Union Move bis hin zum Flughafen Riem in München. Und weil dieses 1990er Lokalkolorit auf Youtube medial relativ gut dokumentiert ist, haben Fractions womöglich auch eine ganz gute Vorstellung davon, wie diese Prügel-Musik damals tatsächlich klang. Als Hommage sind die Tracks durchaus gut nachgestellt. Mirko Hecktor
Rhyw – Loom High (Fever AM)
Das achte Release auf Fever AM, dem Label, das Rhyw zusammen mit Mor Elian betreibt, klingt mal nach digitalem Techno-Dancehall, dann auch wieder nach Micro House und Minimal. Alle Klänge werden wild transponiert, kurz geloopt oder zeitgedehnt. Das funktioniert bei „It Was All Happening” und „Loom High” ganz gut. Rhyw bemüht sich um ein transzendentes Sounddesign. Wirklich hypnotisch sind jedoch nur die digitalen, metrisch exakten Loops aller editierten Komponenten in der Ableton Live DAW. Gefühlt erinnert das an diese unbeschreiblichen, unverwechselbaren, seltsam hackenden und trotzdem Keta-psychedelischen Bar 25/Kater-nach-vorne-gleichzeitig-hinkenden-Grooves. Ihr kennt doch diese typische, verwirrende Ableton-Verspulung, diese schnell/langsam Wahrnehmung, bei der die Loops Fahrt aufnehmen und trotzdem nirgendwohin steuern, oder? Leider geraten die Sounds der Tracks in ihrer Bearbeitung oft etwas zu hohl und die Frequenzgänge verschmelzen im Gefrickel nicht wirklich miteinander. Eine feinere Pegelung mit einem analogen Equalizer hätte den leicht steril gehaltenen Nummern womöglich gut getan. Da hilft auch das eingestreute Elektronikrauschen nicht wesentlich weiter („Geomest”). Und so wirkt auch der Track „Stare Me Down” etwas bemüht. Die Nähe zur glitchig, bleepigen UK Bass Music und der Berliner Minimal-Micro-Sampling-Schule sind deutlich zu hören. Letztere wird seit mindestens einem Jahr wieder Floor-tauglich aus der Schublade gezogen. Damit liegen Rhyw und Fever AM nah am deconstructed-Bussiness-Puls der totgesagten Technoclub-Zeit. Mirko Hecktor
Rings Around Saturn – PS003 (Pure Space)
Der Australier Rory McPike alias Rings Around Saturn mit einer Reihe weiterer Projektnamen wie zum Beispiel Dan White reist auf seiner jüngsten Platte in den Weltraum. Legt zumindest der Name des im vergangenen Jahr gestarteten Labels Pure Space nahe, zu dem McPike die dritte Katalognummer beisteuert. Seine Formel dafür lautet Electro, was ganz im Rahmen des klassischen Futurismus-Konzepts von Reisen ins All ist. „Grip” hat dabei noch mehr Funk-bedingte Bodenhaftung, auch dank der trockenen Produktion in der Tiefe, die hier und da an Bassmusik denken lässt. „Subterranean Electro” hingegen beginnt mit glasklar hallenden Synthesizern im Hintergrund langsam abzuheben, spinnt sich fort zu einem ebenfalls von elektronisch pulsierendem Funk zusammengehaltenen Geflecht, das sowohl zum bemannten Kurzflug auf der Tanzfläche als auch zum Abtauchen in die unendlichen Weiten im Inneren geeignet ist. Kurz und gut. Tim Caspar Boehme