Armonics – Starlight Keeper (Funnuvojere)
Gutes aus Italien zu hören, ist dieser Tage ganz besonders erfreulich. So etwa die jüngsten Clubbeiträge des Produzenten Francesco Strippoli aus Bari, der unter dem Namen Armonics veröffentlicht. In guter italienischer Tradition pflegt Strippoli eine Vorliebe für Disco, was selbstredend Italo-Disco einschließt. Mithin lässt er dicke Beats auf noch dickere Synthesizer treffen. Geradlinig, ohne unnötige Schnörkel, aber nuanciert genug aufgebaut, um Körper und Geist einigermaßen gleichberechtigt anzusprechen. Ein gut temperiertes Acid-Schaumbad darf zwischendurch ebenfalls sein. Die Energie muss einfach rein in die Rille und wieder raus an die Luft. Egal wo. Tanzen kann man schließlich auch zu Hause. Tim Caspar Boehme
Blackdown – The Hunger EP (Keysound Recordings)
Eine Weltraum-Shooter-Oper wie die neue EP in der Rollage-Serie von Blackdown hat die Welt noch nicht gehört. Der Dubstep-Pionier Martin Clark, seit den mittleren Nullerjahren Betreiber des Labels Keysound, schießt mit dem knapp zehnminütigen Track „All in 1 (Hunger x Cycle x Info x Headback)” im Verlauf der Spieldauer wirklich alles ab, was ihm in die Quere kommt. Eigentlich besteht dieser so unfassbar gute wie brachiale Track aus vier Parts, die auf dieser EP alle auch noch mal für sich alleine stehen dürfen. „Hunger” konstruiert zunächst mit schwebenden Synthesizer-Klängen eine dystopische Unendlichkeit, bis plötzlich Bässe ins Spiel kommen, die in ihrer Rigorosität etwas von Optical-Platten haben. Mit „The Cycle” kommt dann ein steppender Techno-Beat ins Spiel, flankiert von einer mächtigen Dub-Bassline. Immer wieder sind Laserkanonen und sonstiges schweres Geschütz zu vernehmen. Im Verlauf von „The Information” und „Headback Lift Off” spitzt sich das Geschehen gefährlich zu. Was eine irre gute Platte! Holger Klein
Chekov – Aerated (Peach Discs)
Der in Leeds beheimatete Produzent Chekov veröffentlichte mit Rotlicht 2017 sein rhythmisch vielseitiges Debüt auf Peach Discs, dem Label von Shanti Celeste und Gramrcy. Zwischendurch beteiligte er sich an einer Split-Ep mit rRoxymore und seinem Landsmann Bruce und steuerte mit einem Edit des 1987er Songs „Voice Of Command” vom kanadischen Industrial-Kollektiv Varoshi Fame den vielleicht besten Tune zu Lena Willikens Dekmantel Selectors-Kompilation bei. Nun Aerated, sein zweites Lebenszeichen auf Peach Discs. Im Gegensatz zum Vorgänger steht diesmal die Melodie im Vordergrund seiner fünf Tracks. Auch Dub ist als durchgehender Einfluss spürbar. Die ausgeruhten Stücke „Blanked Out” und „SMP” sowie der digitale Bonus „Swerl (33’D)” tanzen gelassen und spenden spielerische Entspannung – mit und ohne Beat. Demgegenüber tobt sich ein Track wie der mit verfremdeter Dub-Sirene verzierte „Flote” ungewöhnlich rhythmisch verzwickt aus. Nur „Swerl” präsentiert trotz feingliedriger Soundlandschaft eher herkömmlichen House von begrenzter Haltbarkeit. Michael Leuffen
Øyvind Morken – Lullaby To A Never Ending Sunset (Full Pupp)
Der Osloer Produzent und DJ Øyvind Morken ist schon seit einigen Jahren ein Protegée von Prins Thomas, auf dessen Label Full Pupp er mit schöner Regelmäßig- und Zuverlässigkeit wirklich liefert, wenn er sich nicht gerade um sein Feierabend-Label Moonlighting kümmert. Auch auf seiner neuen EP mit dem etwas wehmütigen Titel Lullaby to a Never Ending Sunset liefert der Norweger wieder ab. Frappierend gut passt sich die Stimmung der vier Stücke dieser Platte an an den diesjährigen Frühling, der so anders ist als alle Frühlinge zuvor. Der Opener „Lazerstrålen” gibt sich mit Disco-Laserbeams und dezenter Jamie-Principle-Chicago-House-Thematik sonnig, doch in die Zeitlupen-Electro-Wohligkeit des Titeltracks „Lullaby to a Never Ending Sunset” mischt sich jede Menge Melancholie – wie sich das eben für einen Abschied gehört. Ein wunderbar verwaschen klingendes House-Stück in Old-School-Klamotten ist „The Dead Don’t Dance”, doch das Beste auf dieser EP kommt zum Schluss. So desillusioniert der Titel „Broken Dreams and an Empty Bank Account” auch klingen mag, die Musik Øyvind Morkens nimmt auf diesem Track etliche hochinteressante Abzweigungen. Der Anlass für die auf dieser Platte gezeichnete Abschiedsstimmung war übrigens, dass Morken vor etwa einem Jahr seine professionelle Musikkarriere der Familie zuliebe aufgab. Holger Klein
Roll The Dice + Various Artists – Assimilarity (The New Black)
Sechs Richtige, keine Millionen, immerhin Musik. Die Schwedenbombe Roll The Dice, bestehend aus Peder Mannerfelt und Malcolm Pardon, hat in den letzten drei Jahren die Studiotüren offen gelassen und mit anderen Künstler*innen den Soundtrack fürs nächste Atonal vernascht. Pär Grindvik durfte ein paar alte Tangerine-Dream-Platten aus den 70ern mitbringen, Nine Inch Nail Alessandro Cortini vercheckte seine Gerätschaften nach Schweden. Und weil die Party zum damaligen Zeitpunkt schon wieder arg in Richtung Salami-Jause beim kollektivem Knöpfchendrehen zu driften drohte, luden Mannerfeld und Pardon auch richtig gute Musikerinnen zu sich ein. Sophia Loizou karrte mit den Jungs den alten PacMan-Kasten ins Studio, die US-Amerikanerin Cameron Mesirow alias Glasser brachte nicht nur ihre Maschinen zum Singen und die Göteborger Sängerin Sarah Assbring legte beim Kammerpop-Ausflug nach Stockholm ihren Volvo tiefer. Alles super, alles digital. Und damit unter der Wahrnehmungsschwelle der Vinyl-Faschos, die zumindest vorläufig aufatmen dürfen. Assimilarity erscheint auf Wax. Ach ja, weil vorhin von sechs Richtigen die Rede war: das halbe Dutzend trompetet der Fusionjazzer Goran Kajfeš voll. Runde Sache, das Ding. Christoph Benkeser