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Bella Boo: „Werd ein Nerd, das macht echt Spaß!”

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Bella Boo (Fotos: Studio Barnhus)

Im November 2019 veröffentlichte die schwedische DJ und Produzentin Bella Boo alias Gabriella Borbély ihr Debut-Album Once Upon A Passion auf dem Stockholmer Imprint Studio Barnhus. Auf neun Tracks verbindet die Künstlerin darin scheinbar mühelos fließenden House mit warmen Jazz- und Soul-Elementen. In der GROOVE wurde Once Upon A Passion zum Album des Monats gekürt, später tauchte es in den Jahresbestenlisten diverser Magazine und Blogs auf. Logisch, dass wir uns mit Bella Boo zum Interview verabredet haben. Wir wollten mehr wissen – über ihre Inspiration, den Produktionsprozess zwischen London und Stockholm und warum sie sich selbst für einen Musiknerd hält.

Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs ist Bella in Los Angeles, es ist Vormittag und die Sonne ist gerade erst richtig aufgegangen. Am anderen Ende der Leitung bricht in Berlin bereits der Abend an. Wir begrüßen uns und sie weiht mich in ihre derzeitigen Pläne ein: Es wird neue Musik produziert. Mit dem Arbeitsvisum für die USA hat es zwar nicht geklappt, aber für die Arbeit im Studio reicht das aus. Danach soll es über Neujahr zurück in die Heimat nach Stockholm gehen. Dort will sie in ihrem nagelneuen Studio direkt weiter produzieren. Man merkt sofort, dass Bella mehr als bloß produktiv ist – 2018 brachte sie die Fire EP raus, 2019 folgte Supervillain ‎und nur kurze Zeit später das Debut-Album.

Auf die Frage nach der Entstehung von Once Upon A Passion entgegnet Bella, dass das eigentlich alles ziemlich schnell ging: „Im April stand fest, dass ich ein Album machen möchte. Ich wollte das wirklich sehr und fing an viele, viele Tracks zu produzieren. Am Ende hatte ich etwa 30 Stücke.” Zuvor hatte sie die Kündigung für ihr altes Studio erhalten und es blieben nur sechs Monate, um das Album komplett fertig zu stellen. Sie entschied sich, diesen Auszug als Ende einer Ära anzunehmen und konzentrierte sich auf das Produzieren und die Zeit mit ihrer Tochter. Gemeinsam mit Studio Barnhus-Co-Gründer Axel Boman besprach Bella, welche Tracks am besten auf das Album passen würden. „Ich wollte, dass die Platte meinen eigenen Musikgeschmack widerspiegelt, alle meine musikalischen Facetten. Mir macht es riesig Spaß, House und Techno aufzulegen, aber ich höre beispielsweise auch Rap. Deshalb fand ich die Idee spannend, unterschiedliche Genres und Vibes auf dem Album zu vereinen.” Dieser Ansatz drückt wie eine musikalische Blaupause durch das Album. Das Spektrum reicht von flächigen Synthballaden bis zu groovenden Clubtracks. Bereits im Juni gingen die Lieder in den Mixdown. Ziemlich smooth, wie Bella rückblickend befindet.

„Ich bin etwas besessen geworden zu der Zeit. Weil ich es so liebe, Musik zu machen. Im Prinzip will ich die ganze Zeit an Tracks arbeiten. Wenn ich könnte, würde ich nur im Studio abhängen!”

Bella Boo

In Bezug auf die kreative Inspiration für Once Upon A Passion wirkt es zunächst, als ob Bellas Leben, ihr Umfeld und die gesammelten Erfahrungen ausschlaggebend sind. Das lassen zumindest Titel wie „Tuesday” oder „Girlfriend” erahnen. Laut Bella steht an erster Stelle allerdings stets die Musik – sie ist das Mittel, der Zweck und ihr Antrieb: „Ich bin etwas besessen geworden zu der Zeit. Weil ich es so liebe, Musik zu machen. Im Prinzip will ich die ganze Zeit an Tracks arbeiten. Wenn ich könnte, würde ich nur im Studio abhängen!” Die Leidenschaft für das Produzieren und die Herausforderung, ein komplettes musikalisches Werk zu kreieren, führten sie so zum Titel Once Upon A Passion. Dazu kamen persönliche Einflüsse, wie sie erläutert: „Ich denke, das Album erzählt auch meine Lebensgeschichte. Aber ich bin nicht sicher, ob ich schon bereit bin, das zu realisieren.” Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Naja, eigentlich schon. Es beschreibt meine Gefühle, die ich zu der Zeit hatte, als das Album entstand. Ich verbrachte viel Zeit alleine. Es handelt aber gleichzeitig von großer Freude und Glück.” Dieser positive Vibe zieht sich durch das komplette Album und vermittelt ein Gefühl großer Zuversicht. Tracks wie der luftige „Can’t Leave You Like This” oder der zurückgelehnte „Way Chill” unterstreichen diesen Eindruck.

Foto: Bella Boo (Märta Thisner)

Bella empfindet das Album selbst als sehr entspannt. „Ich wollte, dass man die Platte zu Hause hören kann, im Auto oder auf dem Weg zur Arbeit, in der U-Bahn.” Der Genre-Mix entstand auf Grund ihres musikalischen Hintergrundes und ihres Workflows: „Wenn ich einige Slow-Jams gemacht habe, will ich die Woche danach wieder etwas Härteres produzieren. Wenn ich einen bestimmten Stil verfolge, möchte ich den nicht länger als eine Woche machen, sonst wird mir langweilig. Dann will ich was Neues ausprobieren.” Das Label Studio Barnhus hat Bella anscheinend genau diese Freiheit gegeben. Sie bekräftigt, dass die Gründer von Studio Barnhus, Kornél Kovács, Petter Nordkvist und Axel Boman verstehen, dass die Veröffentlichung eigener Musik ein ziemlich sensibles Thema sein kann. Sie boten stets Feedback und Unterstützung an. Außerdem leben alle vier in Stockholm, sind auf einer Wellenlänge und verstehen sich super. „Es gibt nicht viele Labels, die diesen seltsamen Mix aus Musik veröffentlichen würden. Aber Studio Barnhus ist da irgendwie verspielter und offener.”

„Ich wohne seit langer Zeit in Stockholm und gehe schon lange in die Clubs. Das gibt mir das Gefühl, dass ich mich nicht beweisen oder in einen bestimmten Stil passen muss. Ich fühle mich hier irgendwie frei.”

Bella Boo

Stockholm ist ein wichtiger Faktor für die Produzentin. Hier ist ihre Familie, ihr Label und das neue Studio. 50 Prozent der Platte entstanden in der schwedischen Hauptstadt, die anderen 50 in London, wo sie das Release vorbereitete und die Songs schrieb. Und auch wenn Stockholm im Vergleich zu London oder Los Angeles weitaus kleiner und kompakter ist, weiß Bella um dessen Vorzüge: „Ich wohne seit langer Zeit in Stockholm und gehe schon lange in die Clubs. Das gibt mir das Gefühl, dass ich mich nicht beweisen oder in einen bestimmten Stil passen muss. Ich fühle mich hier irgendwie frei.” Diese gelassene Haltung überträgt sich auf ihre Produktionen, in denen sie vollkommen instinktiv agiert.

Für das neue Album kamen so Kooperationen mit ganz unterschiedlichen Künstler*innen zustande. Da wäre ihre Freundin und Rapperin GNUČČI, mit der sie für den Track „Hotel Europe” kooperierte. Das Stück ist eine verträumte House-Nummer, die von einer klaren Kick getragen wird. Darüber haben sich Synthschleier und twistende Vocals gelegt. GNUČČI ist ein wichtiger Bestandteil von Bellas musikalischem Werdegang, die beiden tourten vor ein paar Jahren gemeinsam. Außerdem sei sie ein großartiges Vorbild, wenn es darum gehe, ehrliche Kunst zu machen, so Bella. Für die Downtempo-Nummer „Way Chill”, die im Loop mit organischer Percussion, Synth-Chords und rauen Vocals dahindriftet, arbeitete Bella mit dem kalifornischen Rapper Def Sound. Sie schickten sich einige Trackentwürfe hin und her, bis beide komplett zufrieden waren. Eigentlich hatte Def Sound noch weitere Hooks und Verse verfasst, dann aber schickte ihm Bella Boo ihre reduzierte Version und er war begeistert. Zuletzt ist auch Axel Boman auf einigen Tracks vertreten, beispielsweise auf „Do The Right Thing”.

Für das Album verwendete Bella eine Mischung aus Synthesizern, Samples und echten Instrumenten. Neben dem Trompeter Nils Jansson und einem Piano, dass sie seit ihrer Kindheit spielt, verrät uns Bella ein paar weitere Soundquellen. Da wäre zum einen ihr Syncussion: „Ich weiß nicht, ob du das kennst, aber das Teil kann ganz schön wilde Sounds machen. Ich benutze es beispielsweise für die Bassline auf ‘She’s Back’ oder als Top-Loop oder sogar als Trommel. Du kannst es für alle möglichen Sounds verwenden.” Andere Synths aus ihrer Sammlung bringen Elemente wie weißes Rauschen und Wärme in die Produktion, zum Beispiel ihr Casio-Synthesizer. „Ich mag den Sound, der ist sehr kindlich und spielzeughaft. Gleichzeitig fügt es der Produktion einen Vintage-Charme hinzu.”

„Ich finde es absolut beeindruckend, wenn Leute mit wenigen Instrumenten und Sounds tolle Musik machen können.”

Bella Boo

Einer der Tracks, die aus dem Album herausstechen, ist ohne Frage „Girlfriend” – ein elektronisch angehauchter Pop-Hit. Der Titel lief in der GROOVE-Redaktion rauf und runter. Das Stück erinnert an Songs von Lana Del Rey oder Lykke Li. Wie Bella beschreibt, wollte sie die Produktion französisch klingen lassen und die Lyrics sollten etwas salty sein. Der Gesang stammt von den Geschwistern Miranda und Elektra Kilbey (Say Lou Lou). „Ich denke, mit ‘Girlfriend’ ist es ähnlich wie mit ‘Stars’ oder ‘She’s Back’. Es sind nicht so viele Ebenen vorhanden, nicht zu viele Sounds. Ich finde es sehr interessant, nicht so viele Elemente zu verwenden und es trotzdem spannend klingen zu lassen.” Ihr Lieblingstrack „Stars” entstand so als Jam in wenigen Stunden. Am Ende entfernte sie den Drum-Rhythmus komplett und es blieben Synths und ein Field-Recording aus Sizilien übrig. „Ich finde es absolut beeindruckend, wenn Leute mit wenigen Instrumenten und Sounds tolle Musik machen können.” Ähnlich war es auch bei dem Titel „Tuesday”. Hierfür baute sie eine Art musikalische Collage, für die sie unterschiedliche Sounds zusammenwarf und verknüpfte – definitiv etwas, das sie öfter machen möchte.

Schlussendlich schildert Bella ihren Ausblick auf die nächsten musikalischen Etappen. „Ich möchte weiterhin viel Musik machen! Ich habe schon ein weiteres Album mit einem Freund fertig, das wir bald rausbringen. Ja, ich möchte weiter arbeiten, aber auch ehrlich mit mir sein. Es soll sich nicht alles nur auf die Business-Seite konzentrieren. Da habe ich bereits Erfahrungen gemacht, die ich nicht so toll fand. Die Zusammenarbeit mit Freunden unter guten Vibes war perfekt und ich will definitiv weiter produzieren!” Außerdem gibt sie eine Empfehlung für aufstrebende Künstler*innen weiter: „Ich denke, es beginnt alles mit der Arbeit, die du reinsteckst, den Stunden, die du investierst. Für mich persönlich sollte die Musik zuerst sprechen. Deshalb sind die Stunden im Studio die wichtigsten. Mein Rat ist also: Werd ein Nerd, das macht echt Spaß!”

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