Alle Fotos: Behringer TD-3 (Presse)

Da ist sie nun, pünktlich zum Weihnachtsgeschäft: Die 303 von Behringer, für 150 Euro – wenn das Teil gut läuft, vielleicht bald sogar noch ein bisschen weniger. Toll, toll, toll – oder etwa nicht?!

Dass die TD-3 eine ausgezeichnete Replik ist, steht außer Frage: Der Sound, die Optik und der Workflow sind authentisch und die vielen kleinen Detail-Verbesserungen (zuschaltbare Verzerrung, MIDI, USB, Programming-App) und nicht zuletzt der Budget-freundlich Preis machen sie zur vielleicht besten TB-303 ever. Besonders die zwar simple, aber dennoch effektive App (Mac/PC) zur Programmierung von Sequenzen verdient lobende Erwähnung. Denn am Gerät selber vollzieht sich die Programmierung mit der gleichen gefürchteten Unzugänglichkeit, wie schon vor 37 Jahren: Erst gilt es die Tonhöhen festzulegen, dann, in einem zweiten Schritt, die Rhythmik und Phrasierung zu definieren. Ein Workflow, der eher an Erfahrungen im Bereich der sadomasochistischen Erlebniswelt oder Sanktionen aus der griechische Mythologie erinnert, als an das dionysisch-rauschhafte Entwerfen von ekstatischen House-Baselines:

Ungeachtet dieser kleinen Hilfestellung: Die TD-3 fühlt sich an und bedient sich wie eine 303 und klingt auch so. Mission erfüllt. Und das für gerade mal vier Prozent des aktuellen Gebrauchtmarktpreises (3600 EUR) und weniger als halb so viel, wie eine Original 303 im Jahr 1982 gekostet hat (umgerechnet rund 350 EUR). Zieht man allerdings den technologischen Fortschritt der letzten 40 Jahre im Bereich der automatisierten Fertigung (Stichwort: SMD-Technik) in Betracht, ist der aktuelle Behringer-Preis gar nicht mal übermäßig günstig, sondern eben angemessen für einen einfach monophonen Synthesizer in Massenfertigung.

Überhaupt zeigen die Behringer-Entwickler ja gerade irgendwie allen, wie man die gute alte Zeit preisgünstig revivalt: Korg, Roland, Moog, Sequential – keine Legende (und deren ausgelaufene Patente) ist vor der kessen Löt-Mannschaft aus Zhongshan (Provinz: Guangdong, China) sicher. Das ist natürlich toll, denn preisgünstige, gut klingende Analogsynthesizer mit zeitgemäßen Zusatzfunktionen, die dann auch noch mit der Aura früherer Tage vor sich hin oszillieren, sind nicht nur sexy und irgendwie auch ein bisschen Punk, sondern tragen auch zur Demokratisierung der Musikproduktionsmittel bei. Apropos Demokratie: Dass die politische Führung in China vielleicht nicht immer den moralischen Zeitgeist westlicher Konsumenten trifft und man darüber vielleicht auch das persönliche Konsumverhalten feintunen könnte, sei nur am Rande erwähnt und ist nicht weiter Gegenstand dieser Betrachtung.

Behringer TD-3

Die jungen Produzent*innen der Generation Z dürften sich – wenn überhaupt – ohnehin nur noch marginal für die TB-3 interessieren, haben sie doch die Track-Entwicklung bereits vollständig in den virtuellen Raum verschoben: Aktuelle Beats werden in FL Studio gebaut, dem bestenfalls noch ein Trigger-Pad zur Seite gestellt wird – fertig ist der Trap-Producer. Spannend ist eine 303-Replik also im Wesentlichen für Zeitzeugen, weniger für Nachgeborene. Wir müssen also davon ausgehen, dass die Kids von heute das Ding eher ihren Eltern schenken, als umgekehrt: „Hier Mum, Du hast Dir in Deiner Jugend doch immer eine 303 gewünscht – viel Spaß damit, wir gehen jetzt feiern!“ 

Wie aus Branchenkreisen zu erfahren war, übertreffen die Vorbestellungen ohnehin alle Erwartungen, so dass wir an dieser Stelle einfach mal davon ausgehen können, dass sich der handliche Tischsynthesizer verkauft wie geschnitten Brot und bei jeder Liebhaberin des ikonosonischen Plastik-Geblubbers unterm Weihnachtsbaum steht – traditionsbewusst sollten dann am Heiligabend frühe Werke von DJ Pierre, Speedy J, Plastikman oder – wer es ein bisschen volkstümlich mag – Love Inc. zu hören sein:

https://www.youtube.com/watch?v=LGQjwIgDgCE

Aber dann? Die klanglichen Möglichkeiten des kleinen Mono-Synth sind auserzählt – sie wurde auf tausenden Tonträgern in jeder denkbaren Variante verewigt, mal lyrisch vor sich hin maulend, scharf zwitschernd oder staubtrocken sägend. Und wie man es auch macht – die hypnotisch-repetitive Modulationsfahrt von Larry Heards 303 bleibt ohnehin der Benchmark für den geheimnisvoll-melancholischen Charme der kleinen Plastikkiste:

Man steht mit seiner neuen, alten 303 also vor der Wahl zwischen konservatorischer Ahnenpflege – das ist okay, denn auch Bluesrock-Coverbands sind den Ohren ihrer Hörerschaft durchaus etwas Unterhaltsames – und kopflastiger Rekontextualisierung, was immer auch ein Stück weit bemüht wirkt. Wie man es auch macht, den musikhistorischen Impact der 303 in ihrer Zeit, den Spirit, die klangliche Selbstermächtigung einer Subkultur, wird man nicht reanimieren zu können. Auch wenn Behringer den Preisbereich bemerkenswerterweise wieder in Richtung Elektro-Gebrauchtgeräte-Grabbelkiste gebracht haben, dorthin also, wo die anfänglich so ungeliebte 303 ursprünglich herkam. Bestenfalls gelingt einem die geschichtsbewusste Oldtimerpflege zum Lustgewinn in der Jetztzeit:

Wissend, dass man sich also ohnehin nur noch an den den ausgefransten klanglichen Geröllfeldern einer längst vergangenen Eruption bewegt, müsste es für Techno-Musiker eigentlich geradezu zwingend erscheinen, sich mit aktuellen technologischen Entwicklungen zu beschäftigen. Die sind klanglich nämlich oft entschieden reizvoller als das, was die Roland-Ingenieure sich vor 40 Jahren als Bass-Begleitautomatik für Alleinunterhalter ausgedacht haben. Die schier unglaubliche Menge an potenten Apps, deren Konzepte von FM, über Wavetable bis zur Granularsynthese reichen, eröffnen unendliche Klangmöglichkeiten. Wer – und dafür habe ich vollstes Verständnis – den ganzen Digitalkram für leblosen Firlefanz hält, der findet nicht minder zahlreiche Konzepte in Form von neuer Hardware. Von großen Firmen wie IK Multimedia (Uno Synth) über kleinere Companies wie Modal (Craft Synth 2.0) bis hin zu den Werken der unzähligen Einzelentwickler, deren liebevollen Unikate man alle Jahre wieder auf der Superbooth bewundern kann. Oder, um Christopher Justs ironisch dahingenuscheltes Intro von „I Love The Acid Too“ zu zitieren: „Immer die 303… macht doch endlich einmal was Anderes!“

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