Aiken – Stratum EP (Symbolism)

Aiken - Stratum EP (Symbolism)

Techno ist seit jeher nicht nur Musik der Tänzer*innen, sondern auch der Ingenieure. Aiken alias Alfonso López aus Madrid verdingt sich wochentags als Engineer in einer Firma für erneuerbare Energien. Nebenher – oder im Hauptberuf, je nachdem – lebt er ein feines, aber nicht überschwängliches DJ-Leben, führt sein eigenes Label Timeline und produziert dazu seit acht Jahren Techno; unter anderem für Labels wie Semantica und Non Series. Für Ben Sims Symbolism legt er nun mathematisch-vertrackten, gleichsam feingliedrigen Techno vor. „Stratum”, der titelgebende Opener, gibt den Auftakt mit subtiler Kick und fiebrigen Bells. Hier fliegen perkussive Momente durch den Raum und beugen das Zeit-Kontinuum. „Outline” ist da mehr outspoken; tackert schön auf den Achteln, während die Bass-Key-Linie mit Reverb schon fast dubby daherkommt und im Hintergrund ein nervöser Shuffle treibt. Das ist alles hochkonzentriert und entbehrt keiner Konstruktion. Passend dazu zeigt sich die B-Seite mit „Flange” als scheinbar minimale Tanznummer, um dann freizudrehen und nachrangige, aber nicht unwichtige Bleeps einzusetzen. Dazu noch paar Tricks aus der TR-8 und man kann tatsächlich von einem nicen Underground Resistance-Tribute-Track sprechen. Zum Schluss lässt „Recurrence” nochmal ins UFO blicken: Von vorne bis hinten eben Techno-Sound vom Reißbrett – ohne Karohemd-Alarm. Lars Fleischmann

Beau Wanzer – S/T (Brew)

Beau-Wanzer-S-T-Brew

Die erste Veröffentlichung von Beau Wanzer auf dem Amsterdamer Label Brew ist eine besondere transatlantische Vermählung. Der Chicagoer Beau, bislang verantwortlich für Lo-Fi-Acid-Trips der angenehm unangenehmen Sorte, verpflanzt seinen morbiden Charme auf drei treibende Industrial Techno-Stücke. Stellten sich die Nackenhaare bei seinen bisherigen Platten schleichend ob des disharmonischen Synthesizer-Nebels auf, geht es hier direkt mit 180 durch die Geisterbahn. Straight pumpen die Basslines bei „Flesh Flush” und „Take Your Trash Out”, unheilvoll laufen die Synth-Arpeggios bei „Morning Pain” ins Leere. Die übliche Verstörung allenthalben, nur eben in tanzbar. Steffen Kolberg

CYRK – Dreamscience (Time Zero)

CYRK - Dreamscience (Time Zero)

Sammy Goossens und Pascal Hetzel alias CYRK haben in den letzten Monaten einige bemerkenswerte Spuren in der erweiterten Elektronika-Welt hinterlassen – unter anderem ihre hervorragende EP Superior Things auf Vakant und Veröffentlichungen auf Rawax und Souvenir – um nur einige zu nennen. Ihre neue EP Dreamscience erscheint nun auf ihrem eigenen Label Time Zero und ist stark geprägt von verspieltem Electro in Detroit-Tradition, verbindet diesen aber mit IDM-Elementen, einem Hauch zeitgenössischen Technos und immer einer Spur mehr, einer wohltemperierten Dosis Abgedrehtheit. Nicht ihrer selbst willen, im Gegenteil, ganz und gar der Kunst willen. Alle Stücke auf Dreamscience lassen einen spüren, dass hier keine Meterware produziert wird, kein Malen-nach-Zahlen stattfindet, sondern Lust und Hingabe das Musikmachen befeuern. Mathias Schaffhäuser

Jerome Hill – Eat The Evidence EP (Dext)

Jerome Hill - Eat The Evidence EP (Dext)

Jerome Hill ist seit Mitte der Neunziger in der Londoner Underground-Techno- und Rave-Szene aktiv, und doch agierte der Mann als DJ, Labelmacher und Produzent lange Zeit weitgehend unter dem Radar des internationalen Publikums. Dass sich dies änderte, liegt nicht zuletzt an seinen Labels Don’t und Super Rhythm Trax. Im Frühjahr dieses Jahres sorgte er dann mit seinem Remix des Nightwave-Tracks „Psychic Tonic” für einigen Wirbel, nun hat der Engländer seine erste eigene EP auf Dext. Wie seit eh und je arbeitet sich Jerome Hill an Acid und hartem Techno mit Straßen-Attitüde ab. Meist nur ein oder zwei Straßenecken entfernt, lungert das UK-Rave-Erbe rum, hier zu hören auf „The Wist” mit Bleeps, Breakbeats und diesem Sample aus „Total Confusion”. Das Highlight unter den vier Stücken dieser EP ist aber eindeutig „Mob Rule”. Schnelle B-Boy-Breaks treffen auf eine Bassdrum mit Gabber-Wumms, stramme Hi-Hats geben die Richtung vor. Holger Klein

Toma Kami – Oscillate Tracks 004 (Oscillate Tracks)

Toma Kami - Oscillate Tracks 004 (Oscillate Tracks)

Oscillate Tracks feiert ersten Geburtstag, Toma Kami pustet die Kerze aus. Scheiß auf Schwarzwälder Kirschtorte von Bofrost; wenn der Franzose im Club die Subwoofer entlüftet, stoßen wir auf dem Dancefloor mit zwei Flaschen Mate an – is eh schon wieder früh, was willste machen. Licht an, raus ausm Club, noch Bock auf Afterhour? Neue Platte von Kami am Teller, Basslines Marke Minimal, die Kicks stabil unter der Gürtellinie. Während der analoge Synth noch braucht, zerbröselt’s die erste Seite in ihre Einzelteile. Scheppert da nicht jemand auf einer Mülltonne rum? Egal, der Synth ist warm und lässt gerade die Sonne aufgehen. Oder ist das die Lichtlampe von Ikea? Blendet jedenfalls derb wie C-Klasse-Fahrer auf der Überholspur. Also wieder aus, Platte gedreht. Das nächste Ding, das klingt, als hätte Beatrice Dillon mit Vin Sol an Tracks rumgebaut, die so ein Sparfuchs wie Kami anschließend wieder auseinanderzwirbelt, weil da immer noch zwei Hi-Hats zu viel rumzischeln. Also nochmal den Querbalken rausgerissen, dort ein Pfeilfer weniger in den Boden gerammt – am Ende steht das Gerippe von drei Tracks – und funktioniert trotzdem. In dem Sinn: Happy Birthday, alles Gute, Oscillate und Kami. Christoph Benkeser

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