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„Laurent Garnier habe ich zum ersten Mal 1993 erlebt, als fürs Masters Of European Noise Control nach Frankfurt in den Club XS kam. Diese Partyreihe war für Frankfurter*innen eine der ersten Möglichkeiten, internationale DJ zu hören. Klar, damals hatten wir selbst viele einflussreiche lokale DJs wie Sven Väth, Thorsten Fenslau und DJ Dag, aber der Ruf von anderen großen Acts wie Colin Faver, Laurent Garnier oder Carl Cox hat sich auch durch ihre Produktionen verbreitet. Die Ära länderübergreifender Partys fing in Frankfurt erst an. Zwar luden Clubs wie das Dorian Gray und Omen auch ab und zu Gast-DJs ein. Aber es war überhaupt nicht üblich, dass ein internationaler DJ zwei Waschkörbe voller Platten in sein Auto packte und zum Beispiel in die Hacienda zum Auflegen fuhr. Damals gab es nur ein paar DJs, die den Status hatten. Alle anderen waren Residents in den lokalen Clubs.
Von Laurent Garnier wurde mir zuerst von Freunden erzählt, dann habe ich im Plattenladen Air Embargo, wo ich arbeitete, sein damals aktuelles Release Wake Up gekauft. Ich war ein kleiner, 18-jähriger Raver, der vor einem Jahr angefangen hatte aufzulegen. In der besagten im Club XS faszinierte Laurent Garnier mich sofort mit seiner Art aufzulegen und zu performen. Vor allem fiel mir sein Mixingstil auf, weil er wirklich lange und mutige Übergänge gemacht hat: Manchmal liefen die Tracks für zweieinhalb Minuten zusammen. An den Stellen ohne Beat mixte er die Tracks mit langen Intros ineinander. Manchmal ging er unerwartet in den Mix, etwa an Stellen, an denen in beiden Tracks ganz viel passierte. Die Frankfurter DJs haben zwar auch gemixt, das war aber mehr ein unsichtbares Angleichen der Tracks. Laurent Garnier hat auch durch die Kontrolle der EQs während des Mixings bei uns allen einen großen Eindruck hinterlassen.
An diesem Mittwoch 1993 hat er für 200 Leute die gesamte Nacht lang unglaublich gut aufgelegt. Damals war ein DJ pro Nacht ein gängiges Konzept. Wenn es zwei DJs waren, teilten sie die Party auf in eine Nacht- und eine Morgenschicht. Manche Frankfurter Residents wie Sven Väth haben für gewöhnlich die ganze Nacht alleine bestritten und elf Stunden gespielt. Heutzutage findet keine Party mehr mit weniger als vier bis fünf Namen im Line-up statt.
Zum zweiten Mal kam Laurent Garnier wieder ins XS und dann waren dieses Mal aber über 1000 Gäste da. Dort waren alle, die damals in Frankfurt etwas mit Techno zu tun hatten: Roman Flügel und Jörn Elling Wuttke von Alter Ego, die Clique um den Plattenladen Delirium, Ata und Heiko M/S/O, Pascal FEOS und alle gaben Laurent Promos die er sofort spontan und ganz locker in sein Set eingebaut hat.
Ich habe Laurent Garnier erst letztes Jahr zum ersten Mal persönlich getroffen, als ich auf der Time Warp vor ihm gespielt habe. Aus diesem Grund sollten wir mit demselben Shuttle nach Mannheim fahren, da konnte ich mich mit ihm sprechen. Laurent ist ein sehr angenehmer und zurückhaltender Typ, in der Zeit war er ziemlich beschäftigt mit seinem Doku-Projekt. Er hat mir viel darüber erzählt, eine sehr spannende Sache.
Ab und zu lege ich auch seine Tracks auf. Da ist natürlich „Wake Up“, auch „Crispy Bacon“ – sein Techno-Hit – und ein geiles älteres Stück: „Rex Attitude” von der Shot In The Dark-LP.
Auch heute noch kann ich mich ziemlich gut an diesen Abend mit Laurent Garnier 1993 erinnern. Was ich dort von ihm gehört und gesehen habe, hat einen echten Eindruck auf mich als DJ gemacht. Zwar habe ich immer etwas andere Musik als Laurent gespielt, aber sein Stil, seine langen Mixings und seine Arbeit mit den EQs waren auf jeden Fall sehr prägend für mich. Wenn sich ein Track dafür eignet, versuche ich, ähnlich zu mixen. Ein Mal habe ich sogar im Robert Johnson von jemandem gehört: „Ey, du erinnerst mich an Laurent Garnier” – da musste ich voll lachen. Ich habe es als Kompliment aufgefasst und es hat mich sehr gefreut, weil er tatsächlich mein Vorbild ist.