Foto: Garth von Glehn (Presse)
Sho Madjozi geht es um nicht weniger als die Versöhnung der südafrikanischen Gesellschaft: In ihren Songs bringt Madjozi Schwarz und Weiß, afrikanische und westliche, ethnische und moderne Aspekte zusammen. Unser Autor Philipp Weichenrieder hat die Rapperin und Producerin getroffen, um diesen komplexen Mix auseinanderzuklamüsern, der auch hierzulande in DJ-Sets zwischen Hardcore Continuum und Techno Wellen schlägt.
Der Raum ist brechend voll, als Sho Madjozi auf die Bühne kommt. Zu pumpenden, düsteren Gqom-Beats zeigt sie zusammen mit zwei Tänzern die ersten Schritte ihrer Show, das Publikum rastet aus. Da hat die Musikerin und Rapperin noch nicht mal ihr erstes „Iyaaa“ ins Mikro gerufen, das sie zu ihrem Markenzeichen gemacht hat. Ihr Auftritt im Januar beim CTM-Festival in Berlin hat gezeigt, dass ihre Musik zwischen Gqom, Manyalo, Shangaan Electro und Rap über ihren Wohnort, dem südafrikanischen Johannesburg, hinaus ankommt.
Als Sho Madjozi 2017 auf dem Track „Dumi HiPhone“ auf Englisch und Xitsonga rappt, schlägt sie damit in südafrikanischen Medien Wellen, die sie von da an als Tsonga-Rapperin sehen. Xitsonga wird von der Bantu-Gesellschaft der Tsonga gesprochen, die in Südafrika eine Minderheit ist und von denen ungefähr die Hälfte in der nördlichen Provinz Limpopo lebt. Die Sprache ist aber nicht das einzig interessante an „Dumi HiPhone“. Bei dem Track trifft das Clubmusik-Genre Gqom auf Rap. Gqom tauchte um 2011 in den Townships der südafrikanischen Küstenstadt Durban auf und kam 2014 auch in Europa an (in Groove #160 berichtete Florian Sievers ausführlich über Gqom). Inzwischen ist der Sound mit seinen Beats zwischen Breaks und 4/4-Kicks häufiger in Repertoires von DJs zu hören, die eine Spanne zwischen Hardcore Continuum und Techno abdecken. Diese Beliebtheit vor allem von instrumentalem Gqom wie von DJ Lag oder Rudeboyz in Europa wirke sich aber kaum auf den Ruf der Produzenten in Südafrika aus, erklärt Sho Madjozi. „In Südafrika gibt es Gqom-Superstars, die keinen einzigen ihrer Beats selbst produzieren. Sie kaufen sie ein – wenn sie überhaupt dafür bezahlen. Manchmal nehmen sie sie einfach von jungen Produzenten, ohne ihnen Credits dafür zu geben.“
Der verbindende Faden
Ihr Weg zu Musik führte über Worte. Eigentlich wollte sie für den südafrikanischen Rapper Okmalumkoolkat Lyrics schreiben. Der ließ sie ihre Texte aber selbst rappen. Es folgten drei Kollabos mit ihm, erst auf Rap-Beats, dann auf Gqom-Instrumentals. Bei Gqom Wave, wie dieser Hybrid genannt wird, verschwimmen die Grenzen zwischen Rap und Dance ähnlich wie bei UK Garage oder Grime. „Huku“, Sho Madjozis erster Solo-Track, wurde 2018 zum Hit. Wieder überraschte sie mit der Wahl der Sprache. Dieses Mal rappt sie nicht auf Tsonga oder Englisch, sondern auf Kiswahili.
Diese Hybridität ist nichts, was sich Madjozi nachträglich angeeignet hat. Sie wurde als Maya Wegerif in der Provinz Limpopo als Kind eines weißen Vaters und einer Schwarzen Mutter geboren. Später lebte sie in Tansania, im Senegal und in den USA, wo sie Afrikastudien und Kreatives Schreiben studierte. Auf die Bühne trat sie als Erstes als Dichterin: Maya The Poet. In ihrer Lyrik trafen innere Gefühlswelten und äußere Auseinandersetzungen aufeinander. In einem ihrer Texte, „Why You Talk So White?“, schildert sie die Komplexität von Blackness durch eine Begegnung einer Schwarzen US-Amerikanerin mit einer Schwarzen Afrikanerin im New Yorker Stadtteil Harlem. Von der Frage ausgehend, warum die Afrikanerin so weiß spreche, reflektiert das Gedicht die Bedeutung von Sprache, die damit verknüpfte Geschichte des Kolonialismus und der Sklaverei und den gegenwärtigen Rassismus.
Auch wenn sie von der Lyrik zur Musik gewechselt ist, bleiben diese Themen präsent. Sieht man das Musikvideo zu „Dumi HiPhone“, fällt die dargestellte Vielfalt auf – auch dadurch, dass in Szenen entweder nur Schwarze oder Weiße Menschen mit ihr zusammen zu sehen sind. Die Folgen der rassistischen Segregation der Apartheid, die bis 1994 die Schwarze Bevölkerung unterdrückte, prägen das Leben in Südafrika bis heute. „Die Interaktion zwischen Weißen und Schwarzen ist in Südafrika minimal“, erzählt die 26-Jährige. „Ich denke, die meisten Leute bleiben in ihrer eigenen ethnischen Gruppe. Im Video wollte ich einen Faden durch diese bubbles ziehen und uns miteinander verbinden. Ich bin dieser Faden, der von einer Szene zur anderen geht. Damit wollte ich zeigen, dass wir nebeneinander, aber nicht miteinander leben, dass es aber auch anders geht.“
Die beste Chance auf Veränderung
Ihr Debütalbum „Limpopo Champions League“, das Ende 2018 erschienen ist, spiegelt die persönliche Diversität von Sho Madjozi wider. Sie sieht sich selbst nicht als Gqom-Musikerin, sondern als Rapperin – wobei das eher bezeichnet, was sie tut und nicht, was sie mit ihrer Musik transportiert. Die musikalische Spanne des Albums, für das sie mit unterschiedlichen Produzenten wie pH Raw X oder T Boy Da Flame zusammengearbeitet hat, reicht von Gqom-Beats über Shangaan Electro und Pop-Musik zu Kombinationen dieser Zutaten. So bringt der Opener „Ro Rali“ (feat. Makhadzi) Gqom mit Manyalo zusammen, einer Musikrichtung aus Limpopo, die Geschwindigkeit und Melodieführung von tradierter Musik der Tsonga beschleunigt und in elektronische Musik überführt. Der leichter wirkende, hyperaktiv klingende Stil, dessen eingängige Melodien von steppenden Beats getragen werden, wirkt wie ein Kontrast zum vergleichsweise brachialen und unnachgiebigen Gqom.
Egal ob Gqom, Manyalo oder Rap – auf „Limpopo Champions League“ und bei Sho Madjozi steht Tanzbarkeit im Mittelpunkt. Bei Auftritten trägt sie oft einen Tinguvu, einen Rock aus Fäden, der beim Xibelani, einem Tanz, der vor allem in der Provinz Limpopo bekannt ist, mit der Hüfte schnell bewegt wird. Neben dem Xibelani tauchen auch immer wieder Bewegungen des Pantsula auf. Pantsula ist in den 1950er-Jahren während der Apartheid in Townships von Johannesburg entstanden. Er verbindet regionale Tänze mit Einflüssen aus Jazz, im Lauf der Zeit kamen Bewegungen aus Breakdance dazu. Im Musikvideo zu „Dumi HiPhone“, ihrem Track mit PS DJz von 2017, sieht man Leute vor einer Autowerkstatt beim Pantsula, in einer andern Szene tanzen Sho Madjozi und andere Frauen mit Tinguvus den Xibelani. Später wird sie von Menschen umtanzt, die Voguing und Pantsula kombinieren.
Sho Madjozi kreuzt kulturelle, ethnische und musikalische Grenzen, stärkt einen positiven Blick auf Vielfalt. Musik ist für sie letzten Endes kein Selbstzweck. „Ich wurde durch meine Familie mit dem Gedanken geprägt, dass die Gesellschaft verändert und verbessert werden sollte“, bemerkt sie. „Es ist kein Geheimnis, dass in Südafrika große Ungleichheit herrscht und viele in unmenschlichen Verhältnissen leben. Damit kann man nicht einverstanden sein. Egal, was ich tue, mein Ziel wird immer sein, das Leben Schwarzer Menschen in Südafrika zu verbessern. Ich will etwas ändern und es fühlt sich so an, als ob Musik gerade die beste Chance ist, die ich habe.“