Bemerkenswert wirkt auch, wie offen die Stadt Innsbruck für das Festival ist. Solch eine Zusammenarbeit in Berlin, beispielsweise das CTM Festival im Park des Schloss Charlottenburg? Schwer denkbar. Auch finanziell müssen Stadt und Land bei einem Festivalpasspreis von 48€ bei nur rund 500 Tickets einiges ermöglicht haben. Einziger kommerzieller Sponsor war ein Modelabel, das die Eröffnungsparty mit Arpanet, Glenn Underground und Juan Atkins präsentierte. Die Nacht war als klassische Klubnacht mit DJ-Sets eine Ausnahme inmitten vieler einstündiger, ungerader Live-Sets.

Vom Format abgesehen kamen diese aus den unterschiedlichsten musikalischen Richtungen. Ein sehr passendes Line-Up angesichts des diesjährigen Mottos, „Decocooning Society“, das den Anspruch formulierte, aus gesellschaftlichen und musikalischen Gruppierungen auszubrechen. In sozialer Hinsicht jedoch blieb das Thema ambivalent: Das Publikum schien sich überwiegend aus einem regionalen Kokon zu rekrutieren und wirkte, zumindest oberflächlich gesehen, wenig divers. Über die Notwendigkeit dieser Diversität wurde unter Anderem auch in der erstmalig durchgeführten Podiumsdiskussion am Donnerstag gesprochen. Positiv gesehen macht die Regionalität das Heart of Noise zu einem familiären Treffpunkt der Innsbrucker Kulturszene.

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Die beiden Hauptveranstalter arbeiten nämlich für die pmk, ein Zusammenschluss lokaler Kulturvereine. Booker Stefan Meister erzählt, dass sie schon früher illegale Partys veranstalteten und er das Publikum gerne mit überraschend eingestreuten Hardcore- und Metal-Acts vor den Kopf stieß. Seitdem, sagt er, hätten sie das Publikum nach und nach „erzogen“. Eine plausible Erklärung dafür, wie überraschend folgsam und interessiert dieses Publikum ist. Denn wie schon in der Tram geht es mit. Ist ein Act vorbei, verlassen die Leute zuerst den Raum, doch schon beim nächsten Act ist die Tanzfläche nach spätestens 15 Minuten wieder voll – und bleibt es auch meist. Kaum ein Act schaffte es, das Publikum zu vergraulen. Selbst am äußerst experimentellen Freitag bei Godflesh – Noise-Metal-Legenden, die Trommelfälle strapazieren – nicken auch Nicht-Fans in den hinteren Reihen brav mit. Später am Abend eine weitere Legende: Alec Empire als The Destroyer. Drum’n’Bass wird zerfetzt und gesprengt. Das Publikum liebt es.

Nach den vier Abenden ist zu merken, dass das Heart of Noise es tatsächlich geschafft hat: Der Kokon ist in musikalischer Hinsicht zumindest für eine Weile aufgerissen. Ambient zum auf-dem-Boden-Liegen wie von Tomoko Sauvages außergewöhnlichen Wasserexperimenten zeigt sich in trauter Eintracht mit Headbanger-Noise und dekonstruiertem, dennoch zum Tanz auffordernden Footwork, wie Jlin ihn ins Treibhaus braucht. Oder aber es werden gleich mehrere Gegensätze in einem Set vereint, wie BRRTKLLR es in der pittoresken Tramfahrt vormachte. Im Herzen des Krachs fließt eben alles zusammen.

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