Doch wie könnte eine Synergie aus Musik und Videospiel aussehen? Die Antwort lag für Mizuguchi in einer Mischung aus abstrakter Umgebung und Synchronisation von Musik und Handlung am Controller. Der Schlüssel bestand in der Erkenntnis, dass jede von Sequenzern gesteuerte Musik auch auf andere Befehlseingaben reagieren könnte. Das Tempo ließe sich im Idealfall graduell steigern und damit der Level-Fortschritt akustisch untermalen. „Ich habe DJs immer als eine Art Stimmungsdesigner gesehen“, sagt Mizuguchi auf die Frage nach den ersten Einflüssen. „Sie können unsere Gefühle steuern und genau beobachten, wie das Publikum die Musik absorbiert und dann auf ein höheres Level hebt. Videospiele funktionieren im Prinzip genauso und das wollte ich in eine Spielmechanik bringen.“
In Rez steuert man eine schwebende Figur durch verschiedene Abschnitte, die einen beim Durchflug mit diversen Objekten konfrontiert. Einmal markiert und abgeschossen lösen diese Einzeltöne wie Snares und Drums aus, die dann im Spielfluss zum eigenen Track werden. Die Kandinsky-Referenz findet sich im Namen Projekt-K wieder, die im Spiel den Datenkomplex einer künstlichen Intelligenz namens Eden beschreibt. Die Musik stammt von Ken Ishii, Coldcut, Adam Freeland, Keiichi Sugiyama oder Oval und ist selbst heute noch zeitlos, da sie nie in einem festen Soundkontext verortet wurde.
Das Spiel erschien in einer HD-Version noch mal für Xbox-360, für die Mizuguchi dann mit Child Of Eden ein weiteres Musikspiel erdachte, das mit dem Kinect-System die Bewegungserkennung nutzte. Für die Handheld-Konsole von Sony entwickelte er mit seiner Entwicklungsfirma Q Entertainment 2004 auf der PSP den Tetris-Klon Lumines, das ebenfalls das Konzept der Musiksynergie in diesem Format umsetzte. Als Sony 2015 dann seine Version einer Brille für Virtual-Reality-Spiele ankündigte, stand für das Musikspiel aus der Jahrtausendwende das wohl wichtigste und konsequenteste Revival an. War die schwebende Figur des Hackers im Flug nach Eden nicht schon immer in einem virtuellen Raum unterwegs gewesen?
Rez Infinity ist für die PlayStation VR um ein weiteres Level namens „Area X“ erweitert worden und in Zusammenarbeit mit Studenten der Universität von Keio entwickelte Mizuguchi den „Synesthesia Suit“, an dem nun 26 Vibratoren und diverse LED-Lampen eine Art Ganzköpererlebnis des Spiels ermöglichten. Dabei zeigt dies nur zu genau, welch Unikat Rez als Hybrid aus Spiel und elektronischer Musik ist. Hat Tetsuya Mizuguchi selbst eine Erklärung für den zeitlosen Erfolg seiner Idee? „Rez ist hoffentlich mehr als nur ein Spiel. Es erzeugt eine neue Erfahrung und seine ganz eigene Fantasiewelt, während andere Spiele versuchen, lediglich die Realität abzubilden.“