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Mein Plattenschrank: Barbara Preisinger

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Ihre Leidenschaft für spielerischen, positiv gestimmten House, ihre Bescheidenheit und ihre Ausdauer machen Barbara Preisinger zu einer der wichtigsten Berliner DJs. Dabei ist ihre Münchner Zeit in den 1990er Jahren mindestens ebenso wichtig wie ihre Labelarbeit. 

Von 1999 bis 2010 führte Preisinger gemeinsam mit Stefan Betke aka Pole das Label ~scape, das Post-Minimal-Künstler:innen wie Deadbeat, Kit Clayton oder Jan Jelinek ein Zuhause bot. Seit 2009 betreibt sie Slices of Life, welches mit Veröffentlichungen von Betke, Mike Huckaby, Baaz, John Tejada, The Mole, Dana Ruh oder Losoul organisch klingende und abwechslungsreiche Clubmusik präsentiert.

Als DJ deckt sie verschiedene Stile ab. Während zu Beginn minimaler Ambient und experimentelle Elektronik ihren Weg bestimmten, haben sich im Laufe der Jahre ihre musikalischen Vorlieben als DJ kontinuierlich zu groovigem House weiterentwickelt. Die Offenheit und Entdeckungsfreude, die sich in ihren musikalischen Vorlieben als DJ finden lassen, zeigen sich auch in ihrem Plattenschrank. 

Bei diesen sechs Tracks und Platten richtet Preisinger ihren Blick auf ihre prägenden Einflüsse. Im Gespräch erzählt sie GROOVE-Autorin Laura Baumgardt von ihren einschneidenden Wendepunkten und neu entfachten Leidenschaften.

Talking Heads – Fear of Music (Sire Records, 1979)

Ich bin im Münchener Umland aufgewachsen. Meine Eltern haben alles Mögliche gehört. Meine Brüder standen dafür auf Supertramp, Genesis und ACDC. Damit bin ich groß geworden. Mit 14 bin ich auf eine neue Schule gegangen. Dort habe ich ein nettes Mädchen kennengelernt, sie wurde auch meine neue beste Freundin. Irgendwann kam sie mit einer Platte zu mir und meinte: „Das ist total cool und viel besser als der Scheiß, den du so hörst.” Fear of Music von den Talking Heads war die erste Musik, die nicht Rock’n’Roll oder dieses Mainstream-Pop-Zeug war. Es war einfach ausgefallen und abgehoben und darauf bin ich sofort eingestiegen. Mit der Platte begann ich auch mal in einen Plattenladen zu gehen und nach bestimmter Musik zu fragen. Das war für mich der Wendepunkt, sich mit ganz anderer Musik zu beschäftigen. 

The Normal – Warm Leatherette/T.V.O.D. (Mute,1978)

Später, als ich endlich ausgehen durfte, war ich öfters im Café Größenwahn in München. Dort habe ich viel Musik gehört, die ich vorher nicht kannte. Eines Abends lief eine Platte, die mich total umgehauen hat. Ich bin sofort zum DJ gerannt und habe ihn gefragt, was das ist. Er sagte: „Warm Leatherette” von The Normal. Es hat ungefähr ein Jahr gedauert, bis ich die Platte bekommen habe, aber: Dass Musik mit so wenigen Mitteln auskommt und einen dennoch packt und mitreißt, fand ich als Teenager großartig. Hinzu kommt diese ultracoole Stimme und der Text. Das ist eine Platte, die mir immer wieder in Erinnerung kommt. Anfang der 2000er Jahre hatte ich das Vergnügen, Daniel Miller persönlich kennenzulernen. Somit schloss sich der Kreis zur heutigen Zeit. 

War das dein Einstieg in abstraktere elektronische Musik?

Absolut. Ich habe dann auch weiter geforscht und bin bei anderen Musiker:innen, wie zum Beispiel Throbbing Gristle und Coil gelandet.

DBX – Losing Control (Accelerate,1994)

Rückblickend ist es von „Warm Leatherette” zu „Losing Control” kein weiter Weg. Dazwischen hat für mich aber eine große musikalische Entwicklung stattgefunden – von Punkrock über Hardcore Punk bis hin zu Techno. So richtig gekickt hat es im Ultraschall in München. Für eine gewisse Zeit war ich fast jedes Wochenende dort und konnte viel über Musik lernen. Eines Morgens stand ich auf der Tanzfläche, ich habe sogar noch ein Bild vor Augen: Es war nicht mehr voll, der Nebel waberte und dann kam „Losing Control”. Das war ein Wow-Moment für mich. Das war sehr anders als das, was ich die Monate zuvor gehört hatte und mein Einstieg in Minimal Techno. Auch Daniel Bell habe ich ungefähr 1999 persönlich kennengelernt. Wir sind mittlerweile gute Freunde, haben auch gemeinsam aufgelegt. 

Wie hast du die Musik auf dieser Platte wahrgenommen?

Bell hat es geschafft, mit ganz wenigen Mitteln etwas zu sagen und einen Raum zu schaffen. Der Track ist sehr reduziert, besteht nur aus einer Bass Drum, High Hats, einem Synthie-Sound und dem eingängigen Vocal. Das ist aber alles richtig gesetzt und auch der Sound wirkt so massiv im Club, dass es mich total mitgerissen hat. 

Rancho Relaxo Allstars — Volume 1 Higiene Mental (Disko B, 1996)

Diese Platte war rein inhaltlich ein Wendepunkt für mich. Im Ultraschall gab es einen Ambient Floor – dieser typische Chillout-Floor, den man heute kaum noch findet. Dort bin ich zunächst nur hin um mich berieseln zu lassen, aber nach und nach war ich von der Musik, die dort gespielt wurde, fasziniert. Der Ambient Floor im Ultraschall war der Auslöser, mich neben Techno auch mit experimenteller elektronischer Musik auseinanderzusetzen. Fast zeitgleich, 1995, fing ich an, bei dem Label Disko B [einschlägiges Münchner Technolabel der 1990er und 2000er, d. Red.] zu arbeiten. Dort habe ich Rancho Relaxo Allstars kennengelernt und ihre Musik verschlungen. Daraufhin habe ich mich immer weiter in die Materie gehört und viele Platten gekauft. Mitte der 90er Jahre gab es Unmengen von experimenteller Elektronik. Die Szene ist explodiert. Da konnte man sehr viel erforschen und ausprobieren. 1996 hatte ich meine ersten DJ-Gigs auf dem Ambient Floor im Ultraschall. Zum ersten Mal hatte ich Gelegenheit, Musik dieses Genres aufzulegen. 

Zu den bisherigen ausgewählten Platten stellt es einen größeren Unterschied dar. 

Aber es ist eine logische Folge. Es hat etwas Hypnotisches, es fließt. Darin konnte ich mich verlieren. 

Hast du ein Genre, das dich immer packt?

Früher wechselte das öfters –von elektronischer Musik zu Hardcore-Gitarrensound, wie zum Beispiel bei Nirvana oder Minor Threat. In den letzten Jahren ist das nicht mehr so. Eine Weile war Techno ganz groß für mich. Irgendwann fand ich es nicht mehr so spannend, dann ging es mehr in Richtung Ambient, experimentelle Elektronik und alle Seitenzweige. Das hat sich über einen längeren Zeitraum durchgezogen. Komplette Brüche gab es aber nie. Es sind eher Stränge, die kontinuierlich weiterlaufen, dann wird der eine Strang vielleicht etwas schwächer, aber er fällt nicht komplett weg. 

Pole – Tanzen  (Kiff SM, 1998)

Die Platte war ein großer Wendepunkt. Stefan [Betke, Anm.] habe ich 1997 während meiner Arbeit bei Disko B kennengelernt. Er hat damals als Engineer bei Dubplates & Mastering für Disko B gearbeitet, hatte aber auch schon sein Projekt Pole. Zum ersten Mal sind wir uns aber im Stammheim in Kassel begegnet. Richtig zusammengekommen sind wir schließlich im Ultraschall im November 1997 – da hat es gefunkt. (lacht) Er hatte die Dubplate von Tanzen im Mastering vorab geschnitten und mir zum Geburtstag geschenkt. Ich war der glücklichste Mensch auf Erden. Das war nicht nur ein persönlicher Meilenstein, weil wir dann zusammengekommen sind, ich nach Berlin gezogen bin, wir geheiratet haben und seitdem alles gemeinsam machen – es war für mich auch ein musikalischer Wendepunkt. 

Warum?

Ich habe endlich angefangen, mich mit Dub-Elektronik zu beschäftigen. Ich kannte bereits Basic Channel, aber den Reggae-Einfluss fand ich zu dem Zeitpunkt nicht gut. Erst mit der Platte habe ich einen Zugang zu Dub gefunden. Manchmal braucht man erst mal einen Kick, um sich näher mit Sachen zu beschäftigen. Es ist also eine sehr wichtige Platte für mich – sowohl persönlich als auch musikalisch. 

Moodymann  — The Day We Lost The Soul (KDJ, 1995)

Anfang der 2000er-Jahre habe ich regelmäßig im WMF-Club in Berlin aufgelegt. In der Lounge des WMFs baute sich der Abend meistens auf – beginnend mit Ambient und zu späterer Stunde House, immer entspannt und groovig. Dort habe ich auch angefangen, mich mehr für House zu interessieren. Ich fand aber immer die minimalen Tracks spannend. Das WMF zog einige Male um und irgendwann verschwand der Lounge-Bereich. Damit war ich gezwungen, darüber nachzudenken, ob ich mit dem Auflegen aufhöre oder mich mehr in Richtung Dancefloor bewege. 

Wie bist du dann auf diese Platte gestoßen?

2007 erzählte ich Daniel Bell von meinen Überlegungen, mit dem Auflegen aufzuhören. Er meinte aber sofort, dass ich das nicht machen könne. Schließlich hatte er bereits den Plan, eine Reihe im Club der Visionäre zu veranstalten. Die Reihe „Deeper Still” wurde 2008 ins Leben gerufen. Das waren Daniel Bell, ich und weitere Gast-DJs, die jede Woche eingeladen wurden. Das haben wir sieben Wochen durchgezogen und das hat meine Sicht auf House komplett umgekrempelt. Ich habe in der Zeit sehr viele Platten gekauft, ich wollte ja immer was Neues am Start haben. 

Inwiefern sticht Moodymann heraus? 

Moodymann war ein Aha-Erlebnis. Die Platte ist schon älter, ich habe Deep-House aus den 1990er-Jahren aber erst durch unsere Nächte im Club der Visionäre richtig zu schätzen gelernt. Ein Erlebnis mit der Platte bleibt mir in Erinnerung: Es war schon früher Morgen, der ganze Raum war schön am Grooven. Dann meinte Daniel: „Jetzt wird der Laden explodieren.” Er legte die Platte auf – und es passierte wirklich.

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