Weil Reform Club wie ein Statement daherkam, gab es auch einige, die spekulierten, du könntest nach dem Album nichts mehr hinzufügen wollen oder irgendwie einen draufsetzen. Kannst du
das nachvollziehen?
Diese Frage erklärt vielleicht einen der Gründe, warum ich mich aus der Szene zurückgezogen habe. Ich hatte nicht geplant, eine fünfjährige Pause zu machen. Nach der Fertigstellung von Reform Club war ich mir nicht mal sicher, ob es jemals ein weiteres Album geben wird. Ich hatte das Gefühl, darauf kann nichts mehr folgen, weil es einige persönliche Geschichten der damaligen Zeit einfangen konnte.
Was hat dich bewogen, doch noch ein weiteres Album zu machen?
Eine ungeplante und spontane Kette von Ereignissen haben dazu geführt. Vor über 19 Monaten fragte mich Marcel [van der Weilen, Labelmanager vonDelsin, Anm. d. Verf.], ob er mir irgendwie helfen könnte, um den Stein für ein neues Release ins Rollen zu bringen. Seit Reform Club hatte ich immer mal wieder Tracks geschickt, aber nichts Bedeutendes. Wir haben dann eine EP zusammengestellt, die eigentlich dieses Jahr erscheinen sollte. Aber irgendwas hat mich gestört und ich fühlte, dass die EP nicht wirklich repräsentativ für mich war. Richtig los ging es dann durch einen Moment vom Juli dieses Jahres. Ich fuhr wieder mit meiner Familie und wir hörten Musik. Jeder war mal dran, etwas zu spielen. Ich erinnere mich besonders an eine Stelle, wo auf „WTF“ von Missy Elliot einige Tracks von Aphex Twins Druqks folgten. Ich hatte diese Tracks lange nicht mehr gehört und diese Kombination gab mir dieses komische Hochgefühl, diese exhilaration, die man von Musik bekommen kann. Deswegen auch der Albumtitel Exhilarator.
Sind die Stücke für das Album allesamt neue Tracks?
Alle Tracks wurden nach Reform Club geschrieben. Aber es hängt davon ab, was man als „neu“ bezeichnet. „Peace Of Mind“ habe ich bereits 1997 geschrieben, es wurde jedoch erst 2003 veröffentlicht. Aber die neuen Stücke sind alle ungehört und wurden noch nicht released. Exhilarator ist für mich ein Skizzenbuch aus Arbeiten, die über einen langen Zeitraum entstanden sind. Als Paket haben sie für mich erst vor Kurzem wirklich Sinn ergeben. Alles in allem hat es wahrscheinlich vier Jahre gebraucht.
Wegen der Zeitspanne gibt es sicherlich kein zentrales Konzept für das neue Album. Was haben für dich aber die Stücke auf Exhilarator gemein?
Es geht um Intuition. Darum, seinen eigenen Weg im Leben zu gehen, seinem Bauchgefühl zu vertrauen, egal was um dich herum geschieht. Wie in einem Notizbuch gibt es hier auch mehrere individuelle Erzählungen und Momente, wie etwa die Freude, meinen Sohn großzuziehen. Ihn aufwachsen zu sehen und zu beobachten, wie sich seine Persönlichkeit entwickelt, ist eine wirklich inspirierende Erfahrung. Es gibt auch einige Samples von ihm auf der Platte so wie bei „Sunshine“, das ein Sample von Harry beim Spielen im Park integriert.
Klingt so, als wäre das Album eine Hommage an deinen Sohn?
Es gibt auch Momente auf dem Album, die eine komplett andere Stimmung reflektieren. Bei meiner Mutter wurde vor über einem Jahr Krebs diagnostiziert. Es war ein schwieriges Jahr für die Familie, die sie in ihrem Kampf bis zum heutigen Tag unterstützt. Das soll jetzt aber nicht rüberkommen wie so eine schluchzende X-Factor-Story, aber ich denke, all das war ein Katalysator für einen kreativen Kick. Eine andere Referenz auf dem Album ist noch unsere Interkonnektivität als Wesen auf einer unterbewussten Ebene – unsere „morphischen Felder“, wie es Rupert Sheldrake [britischer Autor und Biologe, Anm. d. Verf.] beschreiben würde. Das ist ein Thema, das mich schon lange vor der Produktion des Albums interessiert hat. Es ist ein fasziniertes Konzept, auch wenn seine Ideen von der Wissenschaft weitestgehend diskreditiert werden. Aber vieles von dem, was er schreibt, habe ich selbst aus erster Hand erlebt. Von den fast telepathischen Verbindungen zu meinem Sohn und meiner Mutter bis zu dem Gefühl zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, etwas Bestimmtes zu machen. Wie ein Album zum Beispiel.