„Manchmal sitze ich hier im Studio, habe die Fenster offen und denke so: ‚Oh krass, voll die Details in der Musik. Mit Zügen und so.‘ Dann schaue ich raus und sehe: Da fährt gerade eine Bahn vorbei.“ Wir lachen. Wir sitzen in Mikes Studio in Berlin-Lichtenberg. Mit von einem Akustiker entwickelten Diffusoren an den Wänden und der Decke und einem großen, in einen Tisch eingelassenen Mixer wirkt das Studio alles andere als provisorisch. Die zahllosen Synthesizer und Effektgeräte haben auch ihren Platz in Tischen oder Racks und werden über eine Patchbay nach Bedarf verkabelt. Ableton Live funktioniert als Mehrspurrekorder, die Sounds kommen aus der Hardware.
„Ich habe es mir schön gemacht“, sagt Mike. „Wenn das so steht, kann ich hier Tage und Wochen verbringen. Manchmal komme ich auch nur her, um Musik zu hören. Wenn ich etwas mache, ist der Weg zum Track das Ziel. Rumsitzen, irgendwo ein bisschen rumdrehen. Dann kommt da so ein Rauschen. Da geht dir dann einer ab. Dann lege ich die ganzen Effekte auf das Pult.“
So zurückhaltend sich Mike auf dem Festival gab, so offen ist er hier. Er erklärt mir seine Produktionskette, klickt sich durch die Folder veröffentlichter und unveröffentlichter Musik. Für jedes Jahr gibt es einen Ordner. Dann öffnet er ein Stück aus seinem anstehenden Debütalbum. Alle Spuren, aus denen der Track besteht, sind übereinander aufgelistet. Dabei kann ein Element aus einer ganzen Reihe von Einzelteilen zusammengesetzt sein. Mike klickt auf eine Kickdrum-Spur und ganze fünf Layer öffnen sich: „Da habe ich mich abgequält. Alle Layer machen verschiedene Sachen.“ Er muted alle Tracks und schaltet sie nacheinander wieder an. So erklingt zunächst eine Bassdrum, dann ein Kratzgeräusch, das in einem Echo verhallt, dann eine hellere, weichere Drum, eine Akzentuierung des Kratzgeräusches und zuletzt ein tiefer, metallischer Hall.
„Normalerweise mache ich das nicht. Aber das sollte halt schieben“, lacht er. Das Album Anxious nimmt die epische Qualität der letzten beiden Rødhåd-Maxis auf und entwickelt sie jenseits von Techno und Ambient weiter, in Richtung Breakbeats und Soundtracks. „Mir war das wichtig, dass es nicht so ein Auf-die-Fresse-Album wird.“ Seinen Bedarf nach Clubtechno stillen die Wochenenden. So repräsentiert das Album stärker, was ihn im Studio beschäftigt. Oft schichtet er 20 Spuren übereinander, ohne dass eine einzige Kickdrum dabei ist. Dennoch entwickelt die LP einen großen Druck. Im Januar und Februar dieses Jahres hat sich Mike ganz im Studio eingeschlossen. „Ich wollte, dass es einen zeitlichen Ausschnitt gibt. Was für ein Moment war das? Wie war da gerade so der Vibe?“ Ein konkreter Ausgangspunkt für das Album war ein amerikanischer Trashfilm aus den Achtzigerjahren.
„Die Menschen sind unterdrückt, werden von einer höheren Macht kontrolliert. Also dieses ganz klassische, dystopische Ding. Wie alt war ich, als ich das entdeckt habe? Vielleicht zwölf. Das war für mich der Aha-Effekt. Das hat mich so fasziniert, mit den Untergrundkämpfern, die Guten gegen die Bösen. Das sind Themen, die auch gerade wieder aktuell sind. Desinformation über das Internet. Überwachung. Da wurde vor zwei Wochen dieses neue Überwachungsgesetz durchgeknallt. Oder nimm Google und stell dir vor, das wäre ein Tool gewesen, das den Nazis zur Verfügung gestanden hätte! Es ist erschreckend, wie nah wir da dran sind. Und doch sind wir machtlos.“