In Tiflis hat sich, seiner geografischen und prekären wirtschaftlichen Lage zum Trotz, eine der weltweit besten Szenen für elektronische Musik entwickelt. Hier treffen kenntnisreiche Booker und Clubs mit gutem Sound in aufregender Architektur auf ein leidenschaftliches und gut informiertes Publikum. Unter DJs ist Georgiens Hauptstadt längst kein Geheimtipp mehr. Und auch internationale Medien haben bereits berichtet. Eine Mini-Doku auf YouTube wurde über eine Viertelmillion Mal angeschaut und der englische Guardian kontrastierte die aufstrebende Clubszene der Stadt mit den wenig positiven Entwicklungen in London. Was die Szene in Tiflis so besonders macht, ist, dass elektronische Tanzmusik hier – ähnlich wie etwa in Berlin, Leipzig oder Dresden zu Beginn der 90er-Jahre – „den Soundtrack für sozialen Wandel darstellt“, wie Will Lynch, Redakteur von Resident Advisor, im vergangenen Jahr in einer Reportage schrieb.
In einem Land, das sich nach wie vor im Umbruch zwischen sowjetischem Erbe und westlicher Moderne befindet und das seit 2012 von Russland zugewandten Traditionalisten regiert wird, steht die junge Technogeneration für Fortschritt, Toleranz und Nähe zu Europa. Die Clubs sind dabei mehr als nur Symbole westlicher Werte. In einer Gesellschaft, in der orthodoxe Priester auf offener Straße Schwule angreifen und wo die Null-Toleranz-Politik der Regierung Drogenkonsum mit Haftstrafen belegt, sind sie tatsächlich sichere Orte, an denen eine alternative Realität gelebt werden kann.
Zu den ersten Clubs, in denen in Tiflis Menschen ganz gleich ihres sozialen Status oder ihrer sexuellen Orientierung zusammenkommen konnten, gehört das Cafe Gallery. Im ersten Stock eines alten Gebäudes an der Hauptverkehrsstraße Rustaweli gelegen, hat das Cafe Gallery seit sieben Jahren rund um die Uhr geöffnet. Unter der Woche ist es ein ruhiges Cafe, am Wochenende finden hier ausgelassene Afterhours statt. Fast genauso alt ist das Mtkvarze, in einem ehemaligen Fischrestaurant gelegen. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf House, regelmäßig legen hier etwa die Residents der Panorama Bar neben lokalen DJs wie Ash auf. Der bekannteste Club der Stadt ist das BassianiK, das an den ehemaligen Berliner Club Stattbad und das Berghain gleichermaßen erinnert. Spektakulär in einem ehemaligen Schwimmbecken unterhalb des Fußballstadions von Dinamo Tiflis gelegen, hat sich hier 2014 Tato Getia mit Freunden seinen Traum von einem Technoclub erfüllt.
Getia, der erst Mitte 20 ist, kam vor zehn Jahren durch die Tracks von Sleeparchive zu der Musik und erlebte seine ersten Technopartys als Student in Warschau. Als sie als Partyveranstalter realisierten, dass es auf Dauer günstiger war, eine Anlage zu kaufen als für jede Veranstaltung neu zu mieten, nahmen sie einen Bankkredit auf und gründeten das Bassiani. Der Club ist bis in die Details wie den Akustikpanelen an der Decke, der auf Augenhöhe zum Publikum installierten DJ-Booth und der spärlichen, aber wirkungsvoll inszenierten Beleuchtung professionell durchdacht, wirkt mit seiner mächtigen Betonarchitektur aber dennoch roh und kraftvoll.
Im Bassiani, das das anspruchsvollste internationale Booking der Stadt hat, finden auch zweimal im Monat Residents-Only-Nächte mit lokalen DJs wie HVL, Zesknel oder Zitto – die auch beim ersten georgischen Boiler Room im Frühjahr zu hören waren – statt, es gibt eine regelmäßige Party für die LGBTQ-Gemeinde und mit der Spacehall einen neuen, gleich nebenan gelegenen Raum für Konzerte von Bands wie Psychic TV. Eine Besonderheit ist das Registrierungssystem des Clubs. Den Gästen wird empfohlen, sich online anzumelden, was nur unter Angabe eines Facebook-Kontos möglich ist. „Damit soll sichergestellt werden, dass keine aggressiven oder homophoben Besucher zu uns kommen“, so Clubbetreiber Getia.