Was außerdem auffällt, ist die vorhandene musikalische Offenheit: Ob bei dem doch auch fordernden Live-Set am frühen Abend auf dem von drei LED-Wänden eingerahmten Hof-Floor von Electric Indigo oder den ersten, beatlosen 15 Minuten von Monolake auf dem Techno-Floor – die Leute hören mit offenen Ohren hin und quittieren jeden prägnanten Sound- und Rhythmuswechsel mit zustimmenden Jauchzern. Man merkt, dass das Publikum zum einen froh ist, dass ihnen etwas geboten wird. Von der übersättigten Coolness manch Berliner Veranstaltung ist man hier meilenweit entfernt. Zum anderen werden zwar Four-to-the-Floor-Sets dankbar angenommen, es wird aber auch Acts wie Plaid, ukrainischen Disco Funk-DJs wie Jazzmate oder dem Oldschool-Electro der Detroiter Aux88 ebenso viel Aufmerksamkeit zuteil – Nastia und die restlichen Veranstalter haben durchaus das Bestreben, ihr Publikum auf subtile Weise zu erziehen bzw. nicht immer nur das zu liefern, was auch mit geringstem Widerstand konsumierbar wäre. Vorbildlich!

Das Festival lief vom frühen Samstagabend bis 6 Uhr am Montagmorgen – ab sonntags früh verlagerte sich die Party auf den sehr schönen, aus Holz gebauten Außenbereich, in dem zuerst Special Request Piano House und Breakbeats und im Laufe des Tages Acts wie Mayaan Nidam und Thomas Melchior afterhour-geeigneten Sound spielten. Auch in diesen entrückten Stunden war die Stimmung – selbst für frisch Hinzukommende – extrem entspannt, feierfreundlich und respektvoll. Auffällig: die Tänzer richteten sich hier nicht nach dem DJ aus, sondern waren sich selbst zugewandt, die Party fand also miteinander statt – so wie es eigentlich auch sein soll. Über Politik möchte hier niemand reden, schon gar nicht in diesem weichgezeichneten Zustand, auch wenn spätestens nach ein paar Minuten Gespräch jeder ein paar deutliche Worte über Putin formulierte und immer wieder betont wurde, wie wichtig so ein freier Ort für die Leute in Kiew sei.

Der aber – kein Wunder – durchaus bedroht ist: in 2015 war das Closer Ziel mehrerer Drogen-Razzien, dem Club drohte die Schließung. Anfang 2016 gewannen die Betreiber einen Prozess, der die Unrechtmäßigkeit der Einsätze verhandelte – und thematisierten danach öffentlich die Korrumpierbarkeit der örtlichen Polizei. Seitdem kann das Closer für’s erste seinen Betrieb weiterführen und einmal im Jahr ein Festival planen, das man zu einem der erfreulichsten Partys in der Größenordnung zählen darf – nicht nur in diesem östlichen Teil Euopas.

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