Diese Woche liefert uns Matthew Herbert in den Office Charts einen gewaltigen Neunziger-Flashback, Lo Hype und Ford Foster beglücken den Floor und Inga Mauer steuert sperrige Stolperer bei. Und nach diesem Zungenbrecher sorgt der Brite Bruce dann auch noch für nächtliches Kopfzerbrechen.
5. Ford Foster – Managed Expectations (Midnight Shift)
Wir starten die Runde mit Ford Foster, dessen House- und Techno-Platten vor ein paar Jahren einen ordentlichen Getto-Einschlag hatten. Mit Managed Expectations, seiner ersten EP nach zweijähriger Pause, bewegt sich der Produzent aus Leeds nun in Acid-Techno-Gefilden. Highlight der EP ist das Stück „Decisions“, sowohl in der No-Vox, als auch im Mike-Dunn-Remix. Bei Mike Dunn blubbert eine Acid-Line unablässig über bouncig stampfende Perskussions und Stressmacher-Pads, während Foster in der No-Vox-Variante seinem Faible für schräge Sounds freien Lauf lässt. Dabei heraus kommt ein euphorisch-aufgedrehter Techno-Track mit dreckige Drums, in dem aufgeregte Synths auf ein unbeschwertes Piano-Arpeggio treffen. (Elke Schlögl)
4. Inga Mauer – shtum 012 (shtum)
Inga Mauers Radiosendung für Cómeme ließ viel erhoffen, ihr Debüt auf dem Hivern-Discs-Ableger HVNX übertraf noch die Erwartungen. Ihre Beitrag zu Uncanny Valleys shtum-Serie zeigt sich indes floorfreundlicher. Zwischen hypnotischer Rhythmusarbeit („Dysto- pia“), düster-trancigen Chords („Dno“) und Mauers ätherischen Flüstervocals („Silences“) sowie einem sperrigen Stolperer („My Flights Without You“) entspannt Mauer einen stilistischen Mikrokosmos, der seinen Big Bang in verschwitzten Kellergewölben erlebte. Eine starke EP, mit welcher Mauer allürenlos ihre eigene Nische eröffnet. (Kristoffer Cornils)
3. Jamie Lidell / Matthew Herbert – ACJ94 (Accidental Jnr)
Sentimentalität ist keine Kernkategorie von Musikkritik, aber beim Hören von „When I Come Back Round“ kann einem schon ein wenig warm ums Erinnerungsherz werden. Matthew Herbert hat aus einer Liveaufnahme von Jamie Lidell beim Radiosender KEXP ein Stück generiert, das mehr Neunziger-Gefühl transportiert als alle Baukastensystemergebnisse der jüngeren Zeit. Was eigentlich keine Leistung ist, hier aber unleugbar anrührt. Auf der B- Seite kommt mit „Megaphone“ ein für Herberts heutiges Schaffen typischer, eher härterer Clubtrack, dem leider genau diese emotionale Kraft fehlt. (Mathias Schaffhäuser)
2. Lo Hype – Simplex Six (Ibadan)
Lo Hype ist das Projekt von Deep-House-DJ Katsuya Sano und dem ehemaligen Reggae-Saxophonisten und Produzenten Shin Sasama, die beide aus Tokyo kommen und in Berlin ihre neue Base gefunden haben. Mit Simplex Six liefern die beiden ihre zweite EP, bei der auch – wie auch schon bei EP Nummer eins, Jerome Sydenham seine Finger im Spiel hat. Der Eröffnungstrack zuckelt unter einem fordernden „Baby let me love you“ und jammernde Synthies noch unruhig vor sich hin. Anschließend beseitigt ein Jerome Sydenham-Remix jedoch sämtliche Unklarheiten: „All Alive“ überrollt jeden Floor mit seiner mächtigen Bassline und macht mit seinem funky Groove ordentlich Spaß. Richtig fett ist auch der Track „Route 50“, den Sydenham und Lo Hype in Teamarbeit beisteuern: Kompromisslos stampfend, dabei schön groovend und dank verhallter Vocals und stehendem Pad ziemlich hypnotisch. Titeltrack „Simplex Six“ bildet dann den etwas verspulten Abschluss der EP. (Elke Schlögl)
1. Bruce – Before You Sleep / In Line / Sweat (Hemlock)
„I feel sometimes the importance of melancholy is disregarded in favour of big basslines“, kritisierte Produzent Bruce den Mangel an Emotion in der elektronischen Clubmusik. Seine Lösung: „To nail it both!“ Und das gelingt dem jungen Produzenten aus Bristol auch ganz ausgezeichnet. In den vergangenen Jahren legte Larry McCarthy alias Bruce einige starke Releases vor, die sowohl produktionstechnisch als auch emotional genau wissen, was sie sagen wollen. Etwa die traurig schöne Break-up-EP The Trouble With Wilderness auf Idle Hands, oder die ausgelassene Clubgranate I’m Alright Mate auf Timedance. Mit seiner neuesten EP zielt Bruce wieder auf den Kopf: „Before You Sleep“ ist der Soundtrack einer schlaflosen Nacht. Die Kick simuliert den Herzschlag, zahlreiche heimtückische, kleine Sounds bilden das Kopfrattern nach, gegen das die tröstenden Akkorde nicht ankommen. Der rasselnde Perkussion-Track „In Line“ schüttelt dann die nächtliche Schwere ab, während es mit dem lauernden „Sweat“ wieder ans Gedankenwälzen geht. (Elke Schlögl)