Als vor drei Jahren der erste landesweite Record Store Day (RSD) in Deutschland, Österreich und der Schweiz stattfand, waren wir noch Feuer und Flamme. Ein Aktionstag zu Ehren des schwarzen Goldes, der den kleinen und unabhängigen Plattenläden hilft? Ein großartige Idee, dachten wir. Doch innerhalb von 36 Monaten hat sich der Wind gedreht und die kritischen Stimmen häufen sich. Der unerwartete Hype um das einst vom Aussterben bedrohte Medium Schallplatte führt nicht nur dazu, dass sich die Menge der hergestellten Scheiben seit 2007 vervierfacht hat und selbst große Ketten wie Saturn wieder Vinyl ins Sortiment aufnehmen, sondern bringt bringt auch zahlreiche Probleme mit sich – nicht nur, aber gerade für die Produzenten und Vertreiber von elektronischer Musik. Es wäre falsch, die Schuld daran alleine dem Record Store Day in die Schuhe zu schieben, doch an seinem Beispiel lassen sich die Symptome der verzwickten Lage hervorragend ablesen. Hier sind fünf Gründe, warum es am kommenden Samstag, den 18. April 2015, keine schlechte Idee ist, die Warteschlangen vor dem Plattendealer des Vertrauens zu meiden.

 

1. Die Masse der Reissues blockiert die Presswerke

Ein kurzer Blick auf die Liste der zum RSD erscheinenden Sondereditionen genügt, um festzustellen: Bei der großen Mehrheit handelt es sich um Neuflagen bereits längst erschienener Titel. Das Phänomen ist nicht nur auf den Aktionstag begrenzt. Reissues tragen den Aufschwung der Vinyl-Verkäufe zu einem entscheidenden Anteil mit. In Großbritannien werden seit Montag erstmals offizielle Vinyl-Verkaufcharts erstellt, zum Auftakt wurden die Album-Charts für das erste Quartal 2015 veröffentlicht. In den Top Ten fanden sich gleich zwei Alben von Led Zeppelin, einer Band, die 1982 ihre letzte neue Platte herausbrachte.

Das Problem dabei ist: Die Produktionskapazitäten für Schallplatten sind stark begrenzt. In ganz Europa existiert nur noch eine Handvoll größerer Presswerke, die Maschinen sind alt und werden nicht mehr hergestellt, Ersatzteile sind rar und der Herstellungsprozess ist kompliziert. Ein guter Teil dieser Kapazitäten wird durch die Herstellung von Reissues blockiert, neue und spannende Musik bleibt zunehmend außen vor. Zum Teil müssen Labels auf die Veröffentlichung neuer Schallplatten bis zu vier Monate warten, wie der ehemalige De:Bug-Redakteur Thaddeus Herrmann in seiner lesenswerten Analyse „Auf Kante gepresst” für Das Filter berichtet.

2. Zum Record Store Day erscheinen immer weniger elektronische Releases

Im vergangenen Jahr taten wir uns noch schwer, die Groove-relevanten offiziellen RSD-Releases auf nur 15 Empfehlungen einzugrenzen. In diesem Jahr finden sich auf der 438 Einträge umfassenden RSD-Liste gerade einmal rund 25 Platten, die wir auch im Magazin besprechen würden. Nicht mitgezählt sind dabei die inoffiziellen Veröffentlichungen, die zum Record Store Day erscheinen.

Die Zahlen, die den Aufschwung des Schallplatten-Geschäfts belegen, zeigen, dass der Trend nicht von den Fans elektronischer Musik ausgelöst wurde, sondern dass andere Zielgruppen Vinyl gerade als Medium für sich (wieder-) entdecken. Es ist per se nichts Schlechtes, dass Platten wieder von einer breiteren Masse gekauft und gehört werden. Aber, wie Stefan Goldmann in seinem Groove-Artikel „Vinylstau” feststellt, die zunehmende Nachfrage in der Vinylproduktion macht vor allem kleinen House- und Technolabels, die nur kleine Auflagen pressen lassen und diese auch als wichtige Promotionmaßnahme sehen, das Leben schwer.

3. Die Major-Labels haben die ehemalige Independent-Idee des Aktionstages längst gekapert

Universal, Sony und Warner – alle drei großen Major-Labels sind inzwischen offizielle Partner des Record Store Days, der sich rühmt als Initiative der kleinen unabhängigen Plattenläden entstanden zu sein. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass gerade jene Labels, die das Format bereits einmal für tot erklärt und damit das Plattenlädensterben des vergangenen Jahrzehnts mit eingeleitet haben, nun den RSD als Werbeplattform für ihre neuen Deluxe-Vinyl-Editionen nutzen.

4. Die Preise der Sondereditionen sind übertrieben

Viele der Veröffentlichungen zum RSD sind aufwändig gestaltete, oft streng limitierte Sonderausgaben: Farbiges Vinyl oder Dreifach-LPs mit Klappcover sind keine Seltenheit. Eines der eher bizarren Highlights ist in diesem Jahr eine goldfarbene 7-Inch-Single des 2014 verstorbenen Dubstep-Poeten The Spaceape in einer mit Blattgold geprägten Hülle.

Für diese Special Editions wird natürlich ein höherer Preis als für „normale” Platten abgerufen. Die Neuauflage einer 7-Inch-Single von Soulsänger Marvin Gaye etwa soll stolze 17,95 Euro kosten. Und selbst ganz profan verpackte Scheiben werden am RSD teurer verkauft als sonst. Auch wenn die Plattenläden sicher für diesen Tag ein wenig an ihren Margen drehen, profitieren von den RSD-Editionen am meisten die Labels.

5. Jeder Tag sollte Record Store Day sein

Lange Schlangen, Instore-Gigs und Special Editions bescheren vielen Plattenläden am RSD Rekordumsätze. Wer seinen Vinyl-Händler aber dauerhaft unterstützen will, der sollte auch im restlichen Jahr regelmäßig einmal vorbeischauen.

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