Für die Karriere von Newcomern hat sich ein Muster etabliert: Ein Label wird über Soundcloud oder eine ähnliche Seite auf einen Künstler aufmerksam. Wenn seine Veröffentlichungen dort erfolgreich sind, vermittelt ihn das Label an die Booking-Agentur, die mit dem Label bereits Events organisiert. In kürzester Zeit verdient der Musiker so bis zu 1500 Euro pro Auftritt. Da die großen Agenturen nicht alle Aufgaben übernehmen, kommt oft bald ein Manager und/oder Promoter dazu. Ein Manager soll auch verhindern, dass der Künstler von der Agentur, die zum Teil mehrere hundert Musiker vertritt, vernachlässigt wird. Früher wurden ein paar Magazine und Radiosender mit Promos bemustert, heute müssen die Socialmedia-Kanäle und zahllose Blogs und Onlinemedien bedient werden. Insofern sind auch Promoter wichtiger geworden. Junge Musiker arbeiten heute oft in Strukturen, die früher Musikern erst nach Jahren, zum Teil Jahrzehnten zur Verfügung standen.
In ähnlich vorbestimmten Bahnen bewegen sich die DJs an der Spitze: Wenn ein DJ anfängt eigene Partys auf Ibiza zu machen, sehen sich viele andere über kurz oder lang dazu veranlasst mitzuziehen. Billing-Positionen, wer spielt auf welchem Festival auf welcher Bühne, die Größe des Privat-Jets – all das spielt für das DJ-Ego eine Rolle. Ein Top-DJ verdient extrem viel – die Spielzüge gibt dennoch oft das System vor.
Heute kontrollieren die großen DJs (und ihre Booking-Agenturen) die Szene, weil ein großes Event nicht ohne sie funktionieren kann. Insofern liegt es nahe, dass sich die DJs unabhängig machen. Der DJ veranstaltet seine eigenen Partys. Er kontrolliert nicht mehr nur die eigene Musik, sondern das ganze Line-up, die Dekoration, Tänzer, Getränke und so weiter. Er emanzipiert sich von dem Gastronomen, zu dessen Inventar er ursprünglich gehörte. Gleichzeitig befördert er sich vom Dienstleister zum Unternehmer. Er ist nicht mehr der bestbezahlte Angestellte, sondern der Boss von allem. Künstlerischer Emanzipationsakt und ökonomischer Schachzug überschneiden sich dabei. Das macht für DJs mehr Sinn als für andere Musiker: Sie sind per se Moderatoren, Kuratoren, Vermittler, Gastgeber. Sven Väth hat das vorgemacht, Chris Liebing, Loco Dice, Luciano oder Jamie Jones machen es nach.
Allerdings entsteht durch den DJ als Unternehmer auch sozialer Sprengstoff in der Szene. Der veranstaltende DJ tritt gegenüber den anderen DJs, die er bucht, zugleich als Kollege und als Auftraggeber auf. Er sagt: Ich biete dir mit meiner Party auf Ibiza eine super Plattform. Ich pushe dich. Der gebuchte DJ könnte es aber auch so sehen: Ich hab’ dich gepusht, indem ich auf deiner Party gespielt habe. Auch das führt dazu, dass jeder seine eigene Party machen will.