Zuletzt machte Marco Carola mit seinem Cocoon-Weggang von sich reden. Im Unterschied zu den anderen genannten DJs wurde er nicht von einem konkurrierenden Club abgeworben, sondern vom Amnesia selbst. Für Außenstehende wirkt das befremdlich.
Das ist auch der einzige unserer ehemaligen Resident-DJs, zu dem es tatsächlich keinen Kontakt mehr gibt, weil er uns seine Entscheidung noch nicht mal selbst mitgeteilt hat. Ich habe dem meine Hand gereicht, aber ich muss auch sagen, dass ich zu alt bin für Kindergarten. Ich merke, dass es Leute gibt, denen man gewisse Sachen nicht beibringen kann, von denen ich wiederholt enttäuscht wurde. Das ist für mich auch eine Frage, wie man miteinander umgeht. Wir haben viele Leute über viele Jahre mit aufgebaut, bei uns gab es nie Verträge, alles wurde per Handschlag geklärt, da kann man auch ein bisschen Anstand und Respekt erwarten. Aber damit meine ich nicht nur den Künstler, sondern auch den Club.
Die Cocoon-Partys gehören seit Jahren zu den erfolgreichsten Veranstaltungen im Amnesia. Warum gefährdet der Club diese Beziehung, indem er einem eurer Resident-DJs eine eigene Party gibt?
Tja, die Frage stellt man sich natürlich. Aber wenn man die Verantwortlichen darauf anspricht, bekommt man nur zu hören: „Ach, Sven. Du bist ein Romantiker!“ Es gibt auch neue Konzepte hier wie das Ushuaïa, die mit dem Ibiza-Spirit meiner Meinung nach gar nichts mehr zu tun haben.
Was meinst du damit?
Ich habe da ja zum Season-Opening selbst aufgelegt, aber das mach ich nicht noch einmal. Da gibt es so eine Rock’n’Roll-Bühne mit Pyrotechnik und fliegenden Artisten. Das hat mit Club nichts zu tun. Für mich stellen Hotels mit Club wie das Ushuaïa ein kopiertes Miami- oder Las Vegas-Konzept dar. Die Pool-Partys, die separaten VIP-Tische, das geht mir alles auf den Sack. Das bringt so eine komische Energie in die Partys. Da stehen Leute rum, wo ich mich frag’: „Was machen die eigentlich hier?“ Die haben mit unserer Musik doch eh nichts am Hut.
Aber den VIP-Bereich mit roter Kordel, wo man sich Tische am Abend für tausende von Euros kaufen kann, den gibt es doch auch im Amnesia und das gab es im Prinzip auch im Cocoon Club in Frankfurt.
Man muss das unterscheiden: Ein VIP-Bereich oder eine Champagner-Bar ist für mich immer willkommen. Es gibt halt Leute, die Champagner trinken und mit ihren Freunden etwas mehr Geld ausgeben wollen. Das gab es in den achtziger Jahren ja auch schon im Pacha. Da waren Schauspieler, Models, Modedesigner oder auch ältere Pärchen, die aus Madrid zu Besuch kamen. Aber wer sitzt denn heute in den VIP-Bereichen? Das sind Pusher und Hooker, Drogendealer und Prostituierte. Das hat doch mit VIP nichts zu tun, das ist doch ein ganz schlechtes Publikum! Diese Art von Gastronomie, die hier aus den USA adaptiert wird – dieses models and bottles – da kann ich drauf verzichten. Auf meinen eigenen Partys würde ich das am liebsten zu machen. Das ist kein Publikum, mit dem ich mich nicht identifizieren kann.
Terry Farley, einer der ersten englischen DJs, die House nach Ibiza brachten, meinte kürzlich, dass die VIP-Kultur der vergangenen Jahre Ibiza für alle Leute kaputt gemacht hätte, „außer für Investmentbanker und Drogendealer“.
Das ist natürlich überspitzt ausgedrückt, aber im Ansatz sehe ich das auch so. Deshalb war es für uns diese Saison auch so wichtig, einen anderen Weg zu gehen, wieder mehr lange DJ-Sets zu bringen, auf Gesichter beim Marketing zu verzichten und so weiter.
Johannes Goller: In den letzten Jahren war die Entwicklung so, dass für die Clubbetreiber sich die Partys zunehmend stärker über den Getränkeumsatz in den VIP-Bereichen finanziert haben, als über den Eintrittspreis oder den Getränkekonsum der normalen Gäste. Da werden zum Teil hunderttausende Euro an einem Tisch pro Party ausgegeben.
Sven Väth: Hinzu kommt, dass Beach Clubs wie das Blue Marlin eine eigene Klientel angezogen haben. Dort gehen dann auch die Leute hin, die die ganzen Concierge-Dienste, Private Jets und Hubschrauber und ja auch Prostitution in Anspruch nehmen.