Damals war das Musikkonzept der Cocoon-Partys neu für Ibiza. Das war eine kleine Nische im Underground. Heute ist die Art von House- und Techno-Sound, die ihr geprägt habt, hier …

… Mainstream! (lacht) Es gibt wohl keinen Ort auf der Welt, außer vielleicht Berlin, wo dieser Sound so den Ton angibt. Wobei das aber auch überbewertet wird. Es gibt zwar ein Riesenangebot mit Partys, die unseren Sound spielen, aber es gibt Partys, die ein viel breiteres Publikum ansprechen. Wenn Avicii auflegt, dann kommen die Kids auch hier in Massen. Die Engländer haben für Ibiza auch ganz andere Travel-Packages. Aus Birmingham kannst du für weniger als 50 Pfund mit Ryan Air nach Ibiza fliegen. Aus Deutschland ist das viel teurer.

Johannes Goller: Der Erfolg von EDM hat auch ein neues Publikum nach Ibiza gebracht. Avicii, die Swedish House Mafia-DJs, Deadmau5 und wie sie alle heißen, das findet ja auch alles auf der Insel statt. Da stehen 10.000 Leute im Club. Und deren Publikum kennt einen Sven Väth, Jamie Jones oder Ricardo Villalobos gar nicht.

„Was machen die eigentlich hier?“

Sven Väth steht auf und holt seinem Sohn ein Eis aus der Küche. Zurück kommt er mit einem schweren Bildband. Freunde haben ihn für Väth zusammengestellt. Zu sehen sind Fotos von den Cocoon-Nächten im Amnesia und den After-Hour-Feiern am Strand der vergangenen zehn Jahre. Auf vielen der Bilder DJ-Freunde, die sich in den Armen liegen. Mit dabei auch Luciano, Richie Hawtin, Loco Dice und Marco Carolo. Fast wehmütig blickt Väth auf die Fotos. „Tja, da waren noch alle zusammen“, sagt er leise.

Ihr seid mit Cocoon Pioniere für europäisch geprägten Techno und House auf Ibiza gewesen. Aber das bringt auch mit sich, dass den Bonus des Neuen jetzt andere Partys, wie Richie Hawtin mit Enter oder Jamie Jones mit Paradise haben.

Sicher ist das eine Herausforderung für uns. Diese Saison stand für uns deshalb auch vor allem unter dem Motto back to the roots, back to the nature. Unser Marketing ist sehr zurückhaltend, wir legen den Fokus auf lange Sets und wollen damit ausdrücken: Die Party ist der Chef! Ich wollte auch diesen balearischen Vibe den Leuten näher bringen. Und nicht gleich – dash dash – loslegen. Das vermisse ich auf der Insel. Uns ist die Qualität wichtiger als die Quantität. Viele der neuen Veranstaltungen füllen ihre Partys mit Dumpingpreisen oder kostenlosem Eintritt, damit sie einen vollen Laden vorzeigen können. Zum einen können wir uns das gar nicht leisten, zum anderen wollen wir uns auch gar nicht unter Wert verkaufen.

 

Sven Väth (Foto: Daniel Woeller)

 

Die Partys, die euch heute Konkurrenz machen, werden von DJs veranstaltet, die noch vor wenigen Jahren zur festen Cocoon-Familie gehörten. Schmerzt das?

Der erste, der ging, war der Luciano, dann folgte Richie (Hawtin), der Marco (Carola) und der Dice (Loco Dice). Mir war schon bewusst, dass wenn wir so einen Erfolg mit unserer Musik auf Ibiza haben, andere Clubs darauf aufmerksam werden und meinen Headlinern Angebote machen. Über viele Jahre konnten wir das zusammenhalten, aber irgendwann halt nicht mehr. Zum Teil kommen da auch fast unmoralisch hohe Angebote. Aber diese Entwicklung bringt das Pioniersein halt mit sich. Was mich daran stört, ist, dass dem ein oder anderen die Weitsicht fehlt, in dem was er tut. Zum Teil habe ich das Gefühl, die kennen Ibiza gar nicht. Das Potenzial, das unsere Musik hat, wird da mitunter überschätzt. Es kommen gar nicht so viele Leute nach Ibiza wie es mittlerweile Partys für diese Musik gibt – oder sie haben auch nicht das Geld dafür. Und es gibt ja auch andere Orte, wo die Leute im Sommer zum Feiern hinfliegen. Kroatien zum Beispiel. Die ganzen neuen Partys spalten ja eine Szene auch und kreieren Spannungen. Man trifft sich nicht mehr, es ist alles zersplittert und verstreut.

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