Wann immer eine Materie fremdartig erscheint oder vermeintlich mit Erklärungsbedarf behaftet ist, wird die eigene Fantasie gefordert. Wie würde man Fußball erklären, wenn jemand noch nie ein Spiel gesehen hat? Warum sind Erdbeeren nicht gelb oder orange? Die Schwierigkeiten bei der Beschreibung von Musik erfahren die Groove-Leser mit jeder neuen Ausgaben und würde die Redaktion gar nach einheitlichen Farben für elektronische Musik suchen, wäre es wohl fast unmöglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Ist Techno von der Farbe eher Schwarz oder Dunkelblau? Und müsste Dubstep eigentlich kariert oder gestreift sein?
Eine mehr als interessante akustische und visuelle Interpretation hat nun der Produzent und DJ Benjamin Brunn zusammen mit Reginald Wagner und Christian Doering vom Hamburger Designbüro Korefe gesucht. Nach einem Jahr Arbeit entstand so die Vier-Vinyl-Box Colour Tracks, deren Name eigentlich auch schon das Konzept erklärt. Bei der „History of Techno in Colours“ steht jeder Track für eine Stilart, wobei Tracklänge und Größe des Farbrings auf der Picture-Disc jeweils identisch sind. Direkt auf die Farbwahl angesprochen, kann Brunn natürlich auch nur eine ganz subjektive Erklärung geben: „Es gibt Farben, die der Musik folgen und umgekehrt. Für Acid wollte ich kräftiges Grün. Deep House sehe ich als warmes Blau, weil es für mich die Musik der blauen Stunde ist. Das kühle hellere Blau schrie nach Minimal. Pink ordnete ich spontan dem Chicago House zu. Hier folgte somit die Musik der Farbe, obwohl es umgekehrt auch plausibel ist. Auch die Funktionen der Musik spiegeln sich in den Farben wieder: Ambient als zurückhaltendes Grau und Techno als hervorstechendes Gelb.“
Während ein gedrucktes Buch wie Der Klang der Familie über das einfache Geschichten erzählen einen Flug durch die Historie erlaubt, sieht Brunn sein Projekt als „Lehrbuch für diejenigen, denen Techno fremd ist.“ Dies ist optisch sicherlich besser gelungen, da Brunns eigene minimale bis euphorische Tracks doch immer noch wie aus einer Soundgeneration klingen. Doch allein dieses Klangspektrum macht deutlich, welche Freiheiten elektronische Musik bietet und zu allen möglichen Gefühlslagen ein Äquivalent aufbieten kann. Die bildlichen Erinnerungen werden hier noch nicht abgedeckt und man mag sich spontan fragen, was der in Chemnitz aufgewachsene Musiker für eine mögliche Videospur im Vinyl gewählt hätte? „Konsequenterweise hätte ich die Instrumente gezeigt, zum Beispiel wie sie gespielt werden. Vielleicht wie jemand eine TB-303 programmiert, in einem grün erleuchteten Studio. Oder Sequenzen von Techno-Tänzern mit leuchtgelben Fransenhosen.“
Colour Tracks ist bei Smallville und Hanseplatte erhältlich.
Stream: Benjamin Brunn – Colour Tracks D2 featuring Christina Wheeler