Ob die aktuelle Ambient-Renaissance auch etwas damit zu tun hat, dass selbst Genre-Urvater Brian Eno kürzlich wieder ein Album auf Warp veröffentlich hat, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Fakt ist aber: Ambient ist zurück, und zwar in Form von spannenden Künstleralben und Compilations. Klar, Pop Ambient 2011 ist hier ein eher offensichtlicher Kandidat und war sowieso überfällig. Die regelmäßig von Kompakt-Kopf Wolfgang Voigt zusammengestellte Reihe brilliert einmal mehr mit flächig fließender Kopfmusik zwischen GAS‘schen Hallräumen und minimalistischer Neo-Kammermusik. Den Anfang macht das „Bernsteinzimmer“, ein Track von Raster-Notons Carsten Nikolai und Alva Noto, der mit seiner dunklen, von Streichern getragenen Atmosphäre und den expressiven Vocals von Blixa Bargeld fast schon einen gewissen Gothic-Charme versprüht. Marsen Jules‘ schüchterne Klaviertupfer nehmen dem Ganzen aber wieder die Schwere, und es folgen dröhnender Ambient (Triola alias Jörg Burger, Crato), repetitive Glöckchen-Kontemplationen von Bhutan Tiger Rescue, meditativ im Raum stehende Flächen von Jürgen Paape oder wunderbar fluoreszierende Elfengesänge von BVDUB („Make The Pain Go Away“) und Jens-Uwe Beyer alias Popnoname.
Etwas weniger auf dem Plan als die aktuelle Ausgabe von Pop Ambient hatte man allerdings Landscapes Of The Future, eine Ambient-Zusammenstellung des erst zwei Jahre jungen argentinischen Techno-Labels Greener. Fokussiert auf argentinische Elektroniker – nur Jacek Sienkiewicz fällt etwas aus der Reihe – fühlt man sich mit dieser Sammlung durchaus an Elektronische Musik aus Buenos Aires erinnert, die erste CD auf Traum Schallplatten. Auch wenn es mit Gustavo Lamas nur eine namentliche Überschneidung gibt, sind Parallelen im Sound durchaus vorhanden. Während Lamas, Sienkiewicz und Label-Kopf Andrés Zacco die Hallräume weit aufmachen und einen um den gefühlt hundertsten GAS-Verweis nicht herumkommen lassen, verzaubert Nico Purmans „Mauer Park“ mit narkotisierenden Zeitlupen-Sounds und Leonel Castilo mit Dub-Derivaten. Besondere Begeisterung kommt bei den flirrend blubbernden Epen von Jonas Kopp und Franco Cinelli auf, die es schaffen, hochgradig meditative und zugleich zutiefst energetische Sounds aufzutürmen, die in ihrer psychedelischen Mischung aus monotoner Repetition und atmosphärischer Narration durchaus an Ambient-Recken wie Mixmaster Morris/The Irresistible Force erinnern. Toll! Bleibt eigentlich nur die Frage, ob 2011 das Jahr wird, in dem sich die Kathedrale des Ambient, der Chill-out-Floor nämlich, nach langer Zeit der Abwesenheit auch wieder großflächiger zurückmeldet. Es wäre nur zu wünschen.